Das finale Treffen habe am Freitag, 8. April, stattgefunden, wie bei den beiden vorangegangenen Zusammenkünften seien die Gespräche zwischen den Partei- und Fraktionsspitzen harmonisch und reibungslos verlaufen. Peter Pilz sprach hinsichtlich der politischen Ziele und der Art und Weise, wie diese aus Sicht der jeweiligen Koalitionspartner zu erreichen sind, von einer „95-prozentigen Schnittmenge“. Selbstverständlich gelte das vorrangige Interesse der Stadt und ihren Bürgern, so Pilz. In diesem Sinne werde die Koalition versuchen, die (neuen) Oppositionsparteien „mit ins Boot“ zu holen, betonte Klaus Schindling. Ungeachtet der rechnerischen Mehrheit werde man transparent und fair agieren, entsprechende Beschlussvorschläge wolle man so abfassen, dass sie von einer möglichst breiten Mehrheit getragen werden können.
Ohne Frage sei der städtische Haushalt nachhaltig zu konsolidieren, stellte Schindling mit Blick auf die sich aus der Teilnahme am kommunalen Schutzschirm-Programm des Landes Hessen (KSH) ergebenden Verpflichtungen fest; außerdem gelte es, den auf der Stadt lastenden Schuldenberg sukzessive abzubauen. Zugleich müsse jedoch darauf geachtet werden, dass „Hattersheim lebens- und liebenswert“ bleibt, so Schindling. Der Nachfolger der bis Ende September dieses Jahres amtierenden Bürgermeisterin Antje Köster nannte drei Zutaten für das Grundrezept zu einer Stadt, in der „glückliche und zufriedene Menschen“ leben: „Sauberkeit, Ordnung, Atmosphäre.“ Dementsprechend seien auch „soziale Kahlschläge“ zu vermeiden und das kulturelle Angebot zu erhalten. Des Weiteren müsse angesichts des Zustands städtischer Gebäude und des Handlungsbedarfs auf dem Gebiete der Infrastruktur für eine Auflösung des Sanierungsstaus gesorgt werden, erklärte der FWG-Fraktionsvorsitzende Karl Heinz Spengler. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Hawobau werde unter keinen Umständen veräußert, sollte aber auf ihre Kernkompetenz – die Schaffung bezahlbaren Wohnraums – zurückgeführt werden, so Spengler.
Als weiteres Ziel nannte der FDP-Fraktionsvorsitzende Dietrich Muth die Reduzierung der Verkehrsbelastung insbesondere in den Stadtteilen Eddersheim und Okriftel. Zu diesem Zwecke seien in den kommenden fünf Jahren die vorbereitenden Schritte zur Planung und Errichtung einer Entlastungsstraße vorzunehmen. Wesentlich zügiger soll die Realisierung barrierefreier Zugänge zu den Bahnhöfen erfolgen, hier seien „ernste Gespräche mit der Bahn“ zu führen.
Erhöhung der Lebensqualität
Aus Sicht des FDP-Fraktionschefs ist die Pflege des öffentlichen Raumes zuletzt spürbar vernachlässigt worden. Dies habe, so Muth, in Verbindung mit einem generellen Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung, maßgeblich zum Entstehen jener Wechselstimmung beigetragen, die letztlich am 6. März zum Wahlerfolg des „bürgerlichen Lagers“ und zwei Wochen später zur Abwahl der amtierenden Bürgermeisterin geführt habe. Muth unterstrich in diesem Zusammenhang eine ensprechende Passage aus dem Koalitionsvertrag, laut der „eine größere Präsenz vor Ort von Polizei per Auto und zu Fuß“ notwendig sei; in puncto Sauberkeit sei indes nicht nur die Stadt selbst, sondern auch ihre Einwohnerschaft in die Pflicht zu nehmen. Die Bürger müssten entsprechend „sensibilisiert werden“.
Die Koalitionäre wollen sich außerdem für die Förderung des Hattersheimer Schwimmbads einsetzen, das „altersübergreifend als Stätte der Erholung und der Begegnung für alle Bevölkerungsgruppen sowie als gesundheitsfördernde Einrichtung unverzichtbar“ sei. Zur Erhöhung der Lebensqualität könne auch die Stadthalle beitragen, sofern sie einer öffentlichen Nutzung zugeführt wird, sind sich die Koalitionspartner einig. Man werde prüfen, ob geeignete Investoren gefunden werden können – falls dies nicht der Falls sein sollte, werde man in der Stadtverordnetenversammlung die Rücknahme des hinter der Investorensuche stehenden Parlamentsbeschlusses beantragen, kündigte Klaus Schindling an. Laut des FWG-Fraktionsvorsitzenden Karl Heinz Spengler könnten kurz- bis mittelfristig die Weichen zur Wiederbelebung der Stadthalle gestellt werden.
Von der öffentlichen Nutzung der Stadthalle sollen selbstverständlich auch die Vereine profitieren. Jene sollen gemäß dem Koalitionsvertrag „noch besser finanziell und ideell“ unterstützt werden. Durch Vereine werde unter anderem der „Erwerb von Sozialkompetenz, gelingende Integration“ und „aktive Prävention“ gefördert; daher sei es auch erstrebenswert, ihren Aktionsradius zu erweitern. So wird im Koalitionsvertrag erwähnt, dass die Ferienspiele mittelfristig „komplett in die Hände der Vereine“ gelegt werden sollen. Auch hinsichtlich des Angebotes an Ganztagsschulen seien die Vereine gefordert, merkte Karl Heinz Spengler an. Die Vereine sollen außerdem, so der designierte Bürgermeister Klaus Schindling, zumindest weite Teile der Jugendarbeit übernehmen. Mitarbeiter der aufsuchenden Jugendbetreuung („Streetworker“) sollen als Bindeglied Jugendliche, freilich je nach Interessenlage, in die Vereine bringen. Demzufolge hätten alle etwas davon: die Jugendlichen wären von der Straße, die Vereine würden sich verjüngen und die Stadt könnte – auch bei Berücksichtigung der Vereinsförderung – durch den Verzicht auf eine aus Haushaltsmitteln finanzierte Jugendarbeit Geld einsparen. Soviel zur Theorie: wie immer wird die Praxis zeigen, ob der Plan aufgeht. Das letzte Wort sprechen nämlich, wenn sich die Vereine überhaupt zu einer derart erweiterten Kooperation bereiterklären, die Jugendlichen.
„Ausstehende Pflichtaufgaben“
Es stellt sich naturgemäß die Frage, wie die von der Koalition in Aussicht gestellten Maßnahmen und Angebote finanziert werden sollen. An den Steuerschrauben wollen CDU, FWG und FDP jedenfalls nicht drehen. Im Koalitionsvertrag ist vielmehr zu lesen: „Ziel muss es sein, die Hebesätze der Grundsteuer wieder zu senken, sobald dies finanzpolitisch für unsere Stadt verantwortbar ist.“ Eine Erhöhung der Gewerbesteuer widerspreche dem grundsätzlichen Vorhaben der Koalition, Unternehmen in Hattersheim anzusiedeln. Jene sollen einem bestimmten Profil entsprechen und „nach Hattersheim passen“; vor allem aber sollen durch sie dauerhaft Gewerbesteuereinnahmen in die Kasse fließen – und somit die Finanzierbarkeit der oben genannten Maßnahmen und Angebote herstellen.
Die Wirtschaftsförderung nimmt aus Sicht der Koalitionspartner in diesem Zusammenhang eine Schlüsselposition ein: sie soll deshalb durch die Beauftragung externer Dienstleister verstärkt werden. Dafür müsse zwar ebenfalls Geld in die Hand genommen werden, doch das sei denkbar sinnvoll investiert. Zuerst müsse jedoch ein Kassensturz erfolgen, um sich einen Überblick über die finanziellen Möglichkeiten zu verschaffen. Aktuell sei der Haushalt nicht konsolidiert, heißt es in der Präambel des Koalitionsvertrags, es gebe zudem „ausstehende Pflichtaufgaben, denen die Stadt Hattersheim noch nicht in vollem Umfang nachgekommen ist“. Daher müsse eine „Bestandsaufnahme der kurz- und langfristig erforderlichen Investitionen“ durchgeführt werden.
Auch die Verteilung der Dezernate ist noch keine beschlossene Sache. Klaus Schindling möchte zu Beginn seiner am 1. Oktober startenden Amtszeit zunächst Einblick in die Verwaltungsstruktur und -abläufe nehmen. Er könne sich jedoch vorstellen, die Kämmerei und die Wirtschaftsförderung zu übernehmen, verrät Schindling, letztere habe er bereits während des Wahlkampfes schließlich zur Chefsache erklärt. Wer ab dem 1. April 2017 den Posten des Ersten Stadtrats – solange bleibt die amtierende Stadträtin Karin Schnick im Amt – besetzen wird, ist noch nicht bekannt. Im Koalitionsvertrag ist jedoch geregelt, dass die FWG, die zweitstärkste Koalitionspartei, diesbezüglich ein Vorschlags- und Besetzungsrecht besitzt.
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