Eine Frage der Erwartungshaltung

Bürgerversammlung: Möglichkeiten und Strategien der Feuerwehr bei Starkregenereignissen

mpk

Dritter Schwerpunkt der Bürgerversammlung am 3. April war der Hochwasserschutz durch die Freiwillige Feuerwehr. Hierzu ergriff Stadtbrandinspektor David Tisold das Wort, der näher erläuterte, was die Brandschützer denn unternehmen, wenn ein Starkregenereignis eingetreten ist oder das Hochwasser vor der Tür steht.

In Sachen Ausstattung sieht Tisold die Hattersheimer Feuerwehren sehr gut aufgestellt. Eine schnelle und effektive Hilfe scheitert nicht am Equipment, aber organisiert werden muss trotzdem alles, und der Faktor Zeit entzieht sich dabei auch ein gutes Stück weit der Macht der Feuerwehr. Hierzu sprach Tisold das Thema Erwartungshaltung an: Vor zwei Wochen habe sich ein Bürger beschwert, dass die Feuerwehr für einen Einsatz zehn Minuten zu ihm gebraucht habe. Zu lange, nach Ansicht des Bürgers. Nach seiner Vorstellung wären zwei bis drei Minuten wünschenswert gewesen - eine utopische Anforderung für die Strecke zwischen Hattersheim und Eddersheim.

In Hinblick auf die gesetztliche Hilfsfrist in Hessen wären zehn Minuten eine legitime Punktlandung gewesen, denn diese Dauer entspricht genau der Vorschrift. Und ein Blick auf die Uhr zeigte Tisold zudem: Man hat lediglich sechs Minuten gebraucht. Eine Zeit, die umso respektabler erscheint, wenn man sich mal vor Augen hält, dass die ehrenamtlich Tätigen erst zur Feuerwache eilen müssen, bevor man von dort aus gemeinsam zum Unglücksort aufbricht.

Zurück zum Thema Starkregen: Tisold sprach die Zentrale Hochwasserdienstordnung an. Ein komplexes Werk, das auch den Hochwasserwarndienst enthält. Sobald der Main Hochwasser führt, werden die Behörden vom Regierungspräsidium Personal in die Rufbereitschaft versetzten, und jede Kommune bekommt Prognosen zur Entwicklung der Pegelstände übermittelt. Ein wichtiger Indikator für die Feuerwehr bei der Beantwortung naheliegender Fragen: Wie schnell steigt der Pegel? Hat man jetzt schon Maßnahmen zu treffen, die dazu führen, dass man eine Gefahrenabwehr einleiten kann?

Auch für den Schwarzbach gibt es einen solchen Hochwasserrisikomanagementplan. Wichtig sind immer die Pegelstände. Der Pegel in Eppstein ist beispielsweise der Indikator für Hattersheim. Zudem hat man Warnsysteme in Okriftel und Hattersheim eingebaut. Sensoren, die Aufschluss darüber geben: Was macht der Schwarzbach? Wird ein bestimmter Pegelstand erreicht, schlägt eine entsprechende App Alarm und entsprechende Maßnahmen müssen eingeleitet werden.

Aber etwa einem Meter macht sich die Feuerwehr dann schon so ihre Gedanken. Ab 85 Zentimetern werden bereits die ersten Kontrollen durch die Feuerwehr durchgeführt. Beispielsweise wird geprüft, ob im Schwarzbachbereich womöglich Treibgut bereits irgendwas blockiert. Ein Umstand, auf den kein Sensor hinweisen könnte. Ab einem Meter wird dann die Fußgängerbahnunterführung im Glockwiesenweg kontrolliert. "Und bei 1,25 Meter haben wir die Sperrung aller Unterführungen wegen Überflutung", so Tisold.

Bei der Organisation differenziert man zwischen einem planbaren und einem spontanen Ereignis. Ein Mainhochwasser ist planbar, weil sich dieses relativ langsam entwickelt. Man kann also frühzeitig damit anfangen, Sandsäcke zu füllen und weitere Sicherungsmaßnahmen einzuleiten.

Bei einem Schwarzbachhochwasser hingegen handelt es sich um ein Spontanereignis. "Das geht superschnell: Wir haben vom Pegel Eppstein bis das Wasser bei uns ist einen Vorlauf von etwa 40 Minuten", führte Tisold aus. "Das ist nicht wirklich viel."

Das unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit von Frühwarnsystemen, damit man die Entwicklung des eigentlich ruhigen Schwarzbaches genau im Auge behalten kann.

Ein großes Problem bei einem spontanen Schwarzbachhochwasser ist, dass in kürzester Zeit sehr viele Menschen Hilfe von der Feuerwehr haben wollen - Stichwort Erwartungshaltung: "Auch dort sind unsere Möglichkeiten begrenzt, obwohl wir gut ausgestattet sind", erklärte David Tisold. Man kann eine solche Menge an Notrufen nicht abbilden. Es sind dann einfach zu viele, und die Probleme fangen dann schon in der Notrufannahme in der Zentralen Leitstelle in Hofheim an. Dort werden die Mitarbeiter aufgestockt, und dennoch kann es passieren, dass man erst einmal für einen Moment in der Warteschleife landet.

Also muss man priorisieren, denn man kann nun mal nicht überall gleichzeitig sein. Und hier greift ein Unwetterkonzept, mit dem man seit vielen Jahren sehr gut fährt, so Tisold. Dieses Konzept wird aktiviert, sobald pro Stadtteil mehr als drei zeitgleiche Einsätze durch ein Starkregenereignis aufgelaufen sind. Dann trifft sich im Hattersheimer Feuerwehrhaus der Führungsstab und die Fernmeldezentrale wird besetzt. Bürgerinnen und Bürger können diese telefonisch erreichen, oder man kann auch persönlich vorbeikommen. Und man hat eine Menge Mitarbeiter in dieser Zentrale, welche die Menge an Daten, die gerade eingehen, auch verarbeiten können.

Sind eingehende Meldungen unklar, werden auch Erkunder herausgeschickt, um sich schnell ein Bild über die Lage vor Ort zu machen und den Grad der Priorisierung festzustellen. So wird entschieden, welche Einsatzstelle zuerst angefahren wird und was zunächst auf der Warteliste landet.

Ein solcher Führingsstab hat sich beispielsweise bei der Windhose 2023 in Okriftel gebildet. Damals musste 94 Einsatzstellen bearbeitet werden.

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