Zur Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Donnerstagabend legte der Magistrat der Stadt Hattersheim eine neue Satzung über die Festsetzung der Steuerhebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer vor. Demnach sollte die Stadtverordnetenversammlung die Erhöhungen von Grundsteuer A und Grundsteuer B beschließen. Grundsteuer A soll dabei von 400 auf 532 Prozent steigen, Grundsteuer B von 590 auf 785 Prozent (wir berichteten).
Knackpunkt dieser Erhöhung: Sie liegt über den Hebesatzempfehlungen des Landes Hessen für die Stadt Hattersheim am Main vor dem Hintergrund der Grundsteuerreform, an deren Ende ja einmal aufkommensneutrale Hebesätze stehen sollten. Bei der Ermittlung der Aufkommensneutralität war das Land Hessen den Kommunen behilflich, und demnach lautete die Empfehlung: Erhöhung der Grundsteuer A um 96,7 Prozent, die Grundsteuer B sollte nur um 144,06 Prozent steigen.
Bürgermeister Klaus Schindling erläuterte vor dem Stadtparlament ausführlich, warum man sich für diesen Schritt entschieden hatte. So habe sich die Meinung in Sachen Aufkommensneutralität mittlerweile grundlegend geändert. Schindling besuchte, zusammen mit weiteren Kollegen aus hessischen Städten und Gemeinden, vor einigen Wochen eine Zusammenkunft mit dem Hessischen Innenminister Roman Poseck, und eben jener habe den Anwesenden "sehr klar und häufig gesagt", dass man von dieser Empfehlung jetzt abrücken müsse. Das Land Hessen werde statt 500 Millionen nur noch 200 Millionen Euro mehr in den kommunalen Finanzausgleich pumpen, die Städte und Gemeinden erhalten also aus den Ländern weniger Mittel für die ihnen übertragenen hoheitlichen Aufgaben. Grund hierfür sei die Notwendigkeit zum Sparen, auch seitens der Hessischen Landesregierung. Und diese Situation breche sich dann runter, über den Landkreis in die Kommunen. Die Haushaltseinbringung für den Main-Taunus-Kreis hat Landrat Michael Cyriax erst vor kurzem vorgenommen, und auch hier zeige sich die wirtschaftliche Rezession. Schwierige Situationen bestehen weiterhin rund um die Varisano-Kliniken und die Main-Taunus-Verkehrsgesellschaft. Dies hat zur Folge, dass der Kreis die Kreisumlagen für seine zwölf Kommunen erhöht, in Hattersheim schlage dies mit fast zwei Millionen Euro zusätzlich zu Buche.
Die Rezession in der Wirtschaft ist kein "Mysterium, das irgendwo in Bund und Land wabert", so Schindling, sondern sie mache sich auch in Hattersheim bemerkbar, unter anderem in Form von Kurzarbeit bei hiesigen etablierten Unternehmen. Trotz guter Gewerbesteuereinnahmen stelle sich somit die Frage, wir man mit dieser Situation umgeht. Schindling betonte, dass der Hebesatz der Grundsteuer B kein Regulativ für haushalterische Unzulänglichkeiten sein dürfe, und erst recht nicht stets dann, wenn die nächsten Wahlen in möglichst ferner Zukunft liegen, während man solche Maßnahmen ansonsten tabuisiert, bis man mit dem Rücken zur Wand steht und die zuständige Behörde zur Haushaltsgenehmigung eine schlagartige Erhöhung um mehrere hundert Punkte verlangt. Eine solche Politik hält der Bürgermeister für falsch: Man dürfe nicht ignorieren, wie Mieten, Renten, Gehälter, Löhne und Lebenshaltungskosten steigen und gleichzeitig nicht wagen, das Maß dessen, was man den Menschen hier abverlangt, entsprechend anzupassen.
Statt dessen appellierte Schindling an die Stadtverordnetenversammlung, dass man doch bitte nicht das Thema Grundsteuer zum "Angstmacher politischen Diskurses kurz vor irgendwelchen Wahlen" werden lässt, sondern lieber den Mut aufbringen sollte, sich an den aktuellen Gegebenheiten in der Welt zu orientieren und Erhöhungen der Hebesätze "in einem gesunden Maße" in Betracht zu ziehen. Und hierfür sei eine "homöopathische Erhöhung" des Hebesatzes der Grundsteuer B, so Schindling, unabdingbar. Die etwa 50 Punkte Differenz bei der Grundsteuer B, die man über die Empfehlungen des Landes Hessen hinaus draufschlagen will, machen im Gesamthaushalt der Stadt in Höhe von 105 Millionen Euro lediglich 440.000 Euro aus. Daran könne man erkennen, dass es sich hierbei keinesfalls um ein "haushaltsrettendes Instrument" handelt, sondern um einen Hebel, der in einer gewissen Regelmäßigkeit immer wieder an die aktuellen Verhältnisse angepasst werden sollte. Bereits im vergangenen Jahr begründete der Bürgermeister damit die damalige Grundsteuererhöhung.
Zur Komplettierung des Ganzen will man die Grundsteuer A in der gleichen Dimension anheben - was für die Stadt verschwindend geringe Mehreinnahmen von weniger als 1.000 Euro ausmacht. Die Gewerbesteuer soll auch 2025 unverändert bei 370 Prozent liegen.
Der Bürgermeister ging auch auf den Inhalt des Koalitionsvertrags zwischen CDU, FDP und FW ein. Dort heißt es, dass man die Grundsteuer senken wolle, sobald dies wirtschaftlich möglich sei. An diesem Grundsatz will man auch weiterhin festhalten. Aber man könne halt auch nicht die Augen vor dem verschließen, was um einen herum passiert und müsse vor diesen Hintergründen die richtigen Entscheidungen treffen.
Schließlich attestierte Schindling der Stadt Hattersheim am Main eine "gute wirtschaftliche Situation". So habe man im vergangenen Jahr für das Haushaltsjahr 2024 mit einem kalkulierten Minus von 3,5 Millionen Euro gerechnet, gedeckt durch Rücklagen. Jedoch sei es gelungen, dass man das Jahr 2024 mit einem leichten Plus abschließen wird und die Rücklagen nun doch unangetastet bleiben.
Opposition kritisiert fehlenden Haushaltsentwurf 2025
Dennoch: Die Tatsache, dass im Kalenderjahr 2024 kein Haushaltsentwurf für 2025 mehr vorgelegt werden wird, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Oppositionsparteien im Hattersheimer Parlament nicht willens waren, für diesen Antrag zu stimmen - die Stimmen der regierenden Koalition reichten freilich, um dennoch eine mehrheitliche Befürwortung zu erreichen.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Abicht gab zu Protokoll, dass man diesen Punkt sehr gerne auch im Zusammenhang mit einem Haushalt für 2025 mitbehandelt, um besser einschätzen zu können, ob es die Notwendigkeiten, die zur Grundsteuererhöhung führen, auch aus SPD-Sicht tatsächlich gibt. Man sieht diese Erhöhung als Teil einer Haushaltsdebatte, und deshalb könne man allein deshalb jetzt nicht zustimmen.
Zudem hält man es nicht für den richtigen Weg, in Zeiten der Inflation die Bürgerinnen und Bürger auch noch mit Steuererhöhungen zusätzlich zu belasten. Wie schon in früheren Haushaltsdebatten sehen die Sozialdemokraten kein Einnahmeproblem der Stadt Hattersheim, sondern ein Ausgabenproblem, und das habe "nichts mit den Ausgaben für unsere Erzieherinnen und Erzieher zu tun", so Abicht. Detailliert nennen kann man diese Probleme jedoch noch nicht - weil man noch keinen neuen Haushalt vorgelegt bekommen hat. Aber man habe das Gefühl, dass die Ausgaben der Stadt in höherem Maße steigen als die Einnahmen.
Uwe Broschk (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte ebenfalls, dass mit dem Haushaltsentwurf für 2025 die wichtigste Grundlage für eine Entscheidungsfindung in Sachen Grundsteuererhöhung fehlt. Man sei sehr gespannt auf den Haushalt und die kommende Haushaltsdebatte, aber zum jetzigen Zeitpunkt habe man nicht die nötige Grundlage, um über diese Hebesatzänderung entscheiden zu können. Deshalb enthielten sich die Grünen bei der Abstimmung zu diesem Antrag.
Norbert Reichert, Fraktionsvorsitzender der FDP, betonte, dass man sich in seiner Partei grundsätzlich schwer tut mit Steuererhöhungen. Seitens der FDP sei immer der erste Ansatz die Ergreifung von Sparmaßnahmen, um die Effizienz zu steigern. "Steuererhöhungen sollten für uns das letzte Mittel sein", so Reichert. Aus diesem Grund käme für die FDP auch eigentlich nur die aufkommensneutrale Empfehlung des Landes in Frage.
Aber die wirtschaftliche Lage sei auch nun mal angespannt: Zu stagnierenden Einnahmen gesellen sich steigende Kosten. Die Kreisumlage wird erhöht, und die Personalkosten steigen. "Wir bekommen da eine Schere rein, die die Haushaltslage deutlich mehr unter Druck setzt." Gleichzeitig habe man in den bisherigen Diskussionen zum Haushalt 2025 innerhalb der Koalition wahrgenommen, dass der geforderte Sparkurs in Verbindung mit strukturellen Maßnahmen ernsthaft angegangen werde. Reichert räumte in Richtung der Opposition ein, dass man hier dadurch einen "gewissen Informationsvorsprung" hätte. Die Verwaltung gehe aus seiner Sicht in vielen Punkten an ihre Schmerzgrenze, viele Leistungen würden künftig "nicht mehr auf Goldqualität, sondern eher auf Bronzequalität" erbracht werden.
Normalerweise würde auch die Hattersheimer FDP einer solchen Steuererhöhung ihre Zustimmung nur dann erteilen, wenn in einem vorliegenden Haushalt für das kommende Jahr die Sparmaßnahmen verbindlich festgeschrieben sind. Jedoch befinde man sich in diesem Jahr in einer besonderen Situation, da man auf die Anpassung der Hebesätze bis zum Jahresende nicht verzichten könne, weil man ansonsten nicht in der Lage wäre zu Jahresbeginn die Steuerbescheide zu verschicken. Eine spätere Nachbesserung würde die Bürgerinnen und Bürger verwirren und würde zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen. Deshalb stimmte auch die FDP letztendlich für den vorliegenden Antrag.
Und auch die Freien Wähler unterstützten den Antrag. Oliver Wiendl erachtet eine zusätzliche Anhebung des Hebesatzes um 50 Punkte als "präventiv klar nachvollziehbar" angesichts der wirtschaftlichen Lage, die der Bürgermeister bereits ausführlich dargestellt hatte. Für ihn als Bürger der Stadt Hattersheim sei es besonders ärgerlich, dass viele externe, von der Kommune nicht beeinflussbare Faktoren den Haushalt stark belasten, und das werde in den nächsten Jahren auch nicht besser.