Kein Haus der Künste, kein Ort der Begegnung

Die Hattersheimer Fraktionen debattierten im Ausschuss für Soziales, Kultur und Sport diverse Haushaltsanträge

Die Jüdische Schule in Okriftel: Nach Vorstellung der Grünen wäre diese ein überaus geeigneter Schauplatz für einen Ort der Begegnung im Stadtgebiet. Die Besitzverhältnisse stehen einem solchen Projekt jedoch im Weg, ebenso wie die hohen Sanierungskosten.

Ein zentrales Gebäude für Kursangebote in Kunst und Kultur in Hattersheim: Dessen Planung, verbunden mit Kosten in Höhe von 50.000 Euro, schwebte den Sozialdemokraten am Mittwoch, 8. Dezember im Rahmen der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Kultur und Sport in Form eines Antrags zum Haushalt 2022 vor. Eine solche Räumlichkeit soll dafür sorgen, dass Kursangebote und gegebenenfalls auch kleinere kulturelle Veranstaltungen unter einem Dach angeboten werden können.

Aus Sicht der SPD-Fraktion eine gute Idee, finden derzeit doch derartige Kurse an verschiedenen Stellen über das gesamte Stadtgebiet verteilt statt, was für eine gewisse Unübersichtlichkeit sorgt. Mit einem zentralen Haus der Künste könnte die Raumsituation der Antragsbegründung zufolge erheblich verbessert werden.

Die für den Haushalt 2022 vorgesehene Summe von 50.000 Euro sollte den Sozialdemokraten zufolge dafür verwendet werden, um eine geeignete Stelle für ein solches Gebäude in Hattersheim zu ermitteln. Ein Platz, der ausreichend Raum für die vielen verschiedenen Angebote bieten kann.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert attestierte der SPD-Fraktion zwar ein "grundsätzlich gutes Ansinnen", aber die Koalitionsparteien hätten sich zum Antrag so ihre Gedanken gemacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass man es gerade gut findet, dass das künstlerische Angebot in allen drei Hattersheimer Stadtteilen dezentral angeboten wird. Hierfür gäbe es auch positives Feedback - kein Stadtteil fühlt sich in dieser Hinsicht vernachlässigt.

Man könne zwar durchaus die Ankündigungspolitik mal etwas überdenken und für eine übersichtlichere Darstellung des gesamten Kunst- und Kulturangebots sorgen - aber die Erschaffung eines eigenen, zentralen Gebäudes für alle derartigen Veranstaltungen halten CDU, FDP und FWG für keine gute Idee.

Ergo wurde der Antrag der SPD mehrheitlich abgelehnt, lediglich die SPD selbst sowie Bündnis 90/Die Grünen stimmten dafür.

Bekenntnis zum jüdischen Leben im Hattersheimer Stadtgebiet

Zum nächsten Haushaltsantrag von Bündnis 90/Die Grünen stellte Betkin Goethals fest, dass man derzeit in "sensiblen Zeiten" lebe, in denen der Antisemitismus wieder verstärkt aufflammt. Das Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" sei ein guter Anlass für die AG Opfergedenken in Kooperation mit der städtischen Jugendhilfe einen Ort der Begegnung zu schaffen. Hierfür wäre die ehemalige Jüdische Schule auf dem Phrix-Gelände in Okriftel ein mehr als geeigneter Ort, so Goethals.

Zur Finanzierung eines solchen Projekts sollen Fördergelder beim Land Hessen beantragt werden, das entsprechende Programme wie „Hessen aktiv für Demokratie und gegen Extremismus 2020-2024" sowie "Demokratie leben, fördern & engagieren" anbietet. Damit wäre es möglich, die geforderte Summe von 30.000 Euro zu finanzieren.

Die Förderung von Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit zur Verhinderung von Extremismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu deren Gelingen staatliche und politische Institutionen sowie die Zivilgesellschaft gemeinsam die Grundlagen schaffen müssen, heißt es in der Antragsbegründung der Grünen.

Der Erste Stadtrat Karl Heinz Spengler (FWG) stellte fest, dass dieser Antrag aus einem einfachen Grund nicht durchführbar sei: Die Schule gehört nicht der Stadt Hattersheim. Zudem bedauerte Spengler einige Formulierungen im Antragstext, weil das bereits existente und praktizierte Engagement in Hattersheim zum Näherbringen des jüdischen Lebens in der Stadt von der Vergangenheit bis heute nicht angemessen gewürdigt wird. Gerade das aktuelle Jubiläum "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" sei, unter anderem auch in Kooperation mit der Stadt Flörsheim am Main und dem Main-Taunus-Kreis, mit vielen Programmpunkten intensiv behandelt worden. Zudem erinnerte der Erste Stadtrat auch an die Ausstellung der Geschichtsfreunde Okriftel im Jahre 2019: Auch da wurde jüdisches Leben und Unternehmertum aufgegriffen und dessen Bedeutung für Okriftel ausdrücklich betont. Nach Ansicht Spenglers ist ein weiteres Bekenntnis zum jüdischen Leben darüber hinaus nicht notwendig, denn man lebe dies in Hattersheim durchaus schon.

Karin Fredebold (FDP) räumte ein, dass man prinzipiell natürlich immer mehr machen könnte. Aber der Antrag der Grünen sei in dieser Form nun mal nicht machbar, da die Stadt nicht über das ehemalige Schulgebäude verfügt. Man will aber nicht ausschließen, dass die AG Opfergedenken noch einmal prüft, ob es noch weitere inhaltlich entsprechend gelagerte, förderungswürdige Projekte gibt, über die dann in Bezug auf die Teilnahme der Stadt Hattersheim in Form von weiteren Anträgen entschieden werden kann. Eine Ablehnung des vorliegenden Antrags bedeute nicht, dass es nicht möglich sei andere Wege zu finden, um das Bekenntnis der Stadt zum jüdischen Leben weiter zu unterstreichen.

Dr. Marek Meyer (SPD) bedauerte, dass im Rahmen der Verhandlungen mit dem auf dem Phrix-Gelände tätigen Investor versäumt wurde über das besagte Gebäude zu sprechen. Dr. Meyer verwies auf das Angebot des Investors in dessen Prospekten zum Bauprojekt, die Jüdische Schule der öffentlichen Nutzung zuzuführen. Im finalen Vertrag sei dieses Thema dann aber leider unter den Tisch gefallen, das Angebot des Investors wurde also letztendlich nicht realisiert, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Man solle jetzt prüfen, ob man als Stadt Hattersheim das Gebäude womöglich kaufen kann. Betkin Goethals verwies hierbei auf die Möglichkeit, das sanierungsbedürftige Gebäude für einen symbolischen Euro zu kaufen und die Renovierung dann über Spendengelder und das Mitwirken Freiwilliger zu realisieren.

Bürgermeister Klaus Schindling wies darauf hin, dass die Verhandlungen des städtebaulichen Vertrages noch in der "Erbmasse" seiner Vorgänger im Hattersheimer Rathaus lagen und die Jüdische Schule bei diesen früheren Verhandlungen vor seiner Amtszeit tatsächlich keine Rolle gespielt haben. Dennoch habe man sich nun mit dem Thema beschäftigt, und Schindling ist überzeugt davon, dass der aktuelle Besitzer dieses Gebäudes wohl bereit sei, selbiges für einen sehr geringen und sicher nur symbolisch zu verstehenden Geldbetrag zu veräußern. Man müsse jedoch bedenken, dass Expertisen zufolge das komplette Gebäude unter Denkmalschutz steht und eine Renovierung einen siebenstelligen Betrag verschlingen würde. Ein entsprechendes Angebot lag vor, wurde jedoch vom Bürgermeister abgelehnt, da in Hinblick auf die Sanierung der Stadt Hattersheim aktuell andere "Baustellen" eine höhere Priorität genießen - gerade auch vor dem Hintergrund des immensen Investitionsbedarfs für eine denkmalschutzgerechte Renovierung der Schule.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert bat schließlich die Grünen um ein Zurückziehen des Antrags, weil dieser inhaltlich aufgrund der Eigentumsverhältnisse in dieser Form gar nicht umsetzbar sei. Betkin Goethals zeigte sich einverstanden, kündigte jedoch auch an, dass die Idee des Antrags in der Welt bleiben werde und künftig mit weiteren Anträgen in dieser Richtung zu rechnen sei.

Kultur-Gutscheinheft für Kinder

Da viele Kinder in Hattersheim die vielfältigen kulturellen, sportlichen und kreativen Angebote nicht nutzen, hat sich die SPD-Fraktion eine Maßnahme überlegt, um an diesem unbefriedigenden Zustand etwas zu ändern: Im städtischen Haushalt für das Jahr 2022 sollen demnach 30.000 Euro zur Finanzierung eines Kultur-Gutscheinheftes für Kinder eingeplant werden, heißt es in einem entsprechenden Antrag der Sozialdemokraten. Diese Gutscheine sollen den Kindern die Teilnahme an Bildungs- und Kulturangeboten ermöglichen, und durch ein solches "Reinschnuppern" soll bestenfalls am Ende ein generelles, dauerhaftes Interesse geweckt werden. Möglichst niedrigschwellig sollen die Kinder auf die hiesigen Angebote aufmerksam gemacht werden.

Dieses Gutscheinheft soll der Magistrat nach SPD-Vorstellungen in Zusammenarbeit mit Vereinen, Kultur und Bildungseinrichtungen erstellen. Jedes Kind soll zum Anfang des Schuljahres ein solches Heft von der Stadt erhalten. Primär soll es Gutscheine für Einrichtungen und Veranstaltungen wie die Musikschule, die Bücherei, Malkurse, das Schwimmbad oder die Kinderkulturwochen enthalten. Auch Vereine sollen sich nach Rücksprache am Gutscheinheft beteiligen und für eigene Angebote werben können. Nach Ansicht der Sozialdemokraten wären auch die Feuerwehren der Stadt Hattersheim ein naheliegender Kooperationspartner. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie sei es besonders wichtig, ein "soziales Miteinander und die Teilhabe von Kindern an kulturellen, kreativen und sportlichen Angeboten zu fördern", heißt es in der Antragsbegründung.

Michael Minnert (CDU) verwies auf den bereits existenten "Blumenstrauß an Angeboten" in Hattersheim. Die Verwaltung würde sicher die Hinweise auf vermeintlich schwer zu erkennende Kultur- und Sportangebote für Kinder gerne aufnehmen, jedoch sei der von der SPD skizzierte Aufwand in Gestalt eines Gutscheinheftes in der heutigen Zeit "etwas antiquiert". Viel zielführender sei es, wenn seitens der Schule die Kinder gemeinsam in Form von Arbeitsgruppen in die hiesigen Vereine hineinschnuppern. Die Gefahr, dass so ein (in der Finanzierung nicht unerhebliches) Gutscheinheft erst ungelesen im Schulranzen und dann im Müll landet, sei nicht gerade gering.

Bürgermeister Klaus Schindlung rückte bei dieser Gelegenheit auch den 2008 eingeführten "Hattersheim Pass", der eine 50-prozentige Ermäßigung für die Stadtbücherei und Kulturveranstaltungen ermöglicht, in den Fokus. Hierzu gab und gibt es keine nennenswerte Nachfrage.

Melanie Jürgens-Schumacher (SPD) brachte hingegen die Hoffnung zum Ausdruck, dass es einen nicht zu unterschätzenden Aufforderungscharakter hätte, wenn man allen Grundschülerinnen und Grundschülern zum Schuljahresbeginn ein solches Gutscheinheft in die Hand drückt. Dessen Inhalt wäre dann gleich Gesprächsthema auf dem Schulhof, die Kinder würden sich mit den Angeboten beschäftigen und sich gemeinsam darüber austauschen.

Für den SPD-Antrag stimmten die Grünen und die Sozialdemokraten. Durch die Nein-Stimmen von CDU, FDP und FWG wurde er letztendlich abgelehnt.

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