Keine Mehrheit für eine Baumsatzung

Koalitionsparteien betonen eigene Wertschätzung der Bäume, lehnen Anträge von SPD und Grünen jedoch ab

Der Wasserwerkswald in Hattersheim. Bürgermeister Klaus Schindling betonte im Ausschuss UBV, dass es für Bäume im öffentlichen Raum keine Notwendigkeit für eine Baumschutzsatzung gebe. Dort habe man es als Stadt selbst in der Hand, und es werden nur absolut notwendige Fällungen durchgeführt.

Gleich zwei Oppositionsfraktionen haben zur jüngsten parlamentarischen Sitzungsrunde in Hattersheim einen Antrag bezüglich der Einführung einer Baumschutzsatzung vorgelegt. Diese wurden im Ausschuss für Umwelt, Bauen und Verkehr (UBV) in der vergangenen Woche ausführlich diskutiert.

Für die SPD gab die Beobachtung, dass immer öfter "große und ökologisch wertvolle Bäume in Hattersheim gefällt werden", so die Antragsbegründung, den Anreiz für eben jenen Antrag. Aktuell seien selbst sehr alte und große Bäume nicht geschützt, sondern können vom Eigentümer nach eigenem Ermessen gefällt werden. Durch eine Baumschutzsatzung könne die Stadt vorgeben, dass eine Genehmigung zur Baumfällung eingeholt werden muss und schützenswerte Bäume nicht gefällt werden dürfen.

Die Hattersheimer Grünen verweisen in ihrer Antragsbegründung auf den Deutschen Städtetag. Jener hat die deutsche Gartenamtsleiter-Konferenz (GALK e.V.) beauftragt eine Musterbaumschutzsatzung zu erarbeiten. Und auch für Hattersheim soll diese, so die Vorstellung der Grünen, als Grundlage für eine eigene Baumschutzsatzung dienen, weil "darin sowohl die Belange des Naturschutzes (Bundesnaturschutzgesetz) als auch die Interessen der Kommunen berücksichtigt werden". "Bäume tragen zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei. Sie binden CO2, verbessern die Luftqualität und reduzieren Lärm. Als Lebensraum für Tiere und Pflanzen tragen sie zur Artenvielfalt bei. Eine Baumschutzsatzung zur Sicherung des Hattersheimer Baumbestands ist daher sinnvoll", begründet die Fraktion ihren Antrag weiter.

Als beispielgebend erachten die Grünen auch insbesondere die Baumschutzsatzung der Kommune Bischofsheim. Dort heißt es in §1, dass Bäume wegen ihrer Schönheit, Seltenheit oder natürlichen Eigenart und zur Erhaltung und nachhaltigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für die Einwohner, zur Belebung, Gliederung und Pflege des Stadtbildes, zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, zur Erhaltung und Verbesserung des Stadtklimas und der klimatischen Verhältnisse, zur Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen wie Luftverunreinigung und Lärm, zur Erhaltung eines artenreichen Pflanzenbestandes und eines Lebensraumes für Tiere und zur Erhaltung von Zonen der Ruhe und Erholung zu schützen sind.

Man erhofft sich von einer solchen Satzung, dass man die „Baumbesitzer“ sensibilisieren und ihnen Orientierung geben kann, ob es tatsächlich zu einer Fällung kommen muss oder es Alternativen gibt.

Koalition gegen Satzung, aber für Bäume

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Norbert Reichert betonte zunächst, dass auch seine Partei eindeutig "pro Baum" sei - eine Beteuerung, die auch die anderen Koalitionsparteien im Laufe der Debatte mehrfach formulierten. Jedoch sei man seitens der FDP gleichzeitig auch gegen eine solche Satzung, für den Schutz der Entscheidungsfreiheit in Hinblick auf Eigentum und für das Vertrauen in die Vernunft der Menschen. Zudem bedeute die Umsetzung einer solchen Satzung auch einen erheblichen bürokratischen Aufwand, der zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden sei.

Reichert befürchtet auch, dass die Aussicht auf die Einführung einer Baumschutzsatzung dazu führen könnte, dass viele Grundstückseigentümer vor dem Stichtag ihren Garten nochmal "aufräumen" und im Zweifelsfall noch schnell Bäume fällen, bevor das nicht mehr ohne Genehmigung möglich ist.

Und schließlich schütze eine solche Baumschutzsatzung auch nicht vor "Dummheit und Ignoranz", so Norbert Reichert. Wenn jemand blindlings einen Baum ohne Genehmigung fällt, dann könne man den Baum davor auch nicht retten oder ihn zurückholen - man könnte lediglich den Täter bestrafen.

Andreas Endler (CDU) gab Einblick in den Prozess der Entscheidungsfindung zum Umgang mit diesen Anträgen innerhalb der Koalition. So war man dort anfangs nicht unbedingt einer Meinung, erst nach einer umfangreichen Diskussion habe man einen "guten Konsens" gefunden. Auch die CDU erachtet den Schutz der Eigentumsrechte als wichtig. Ebenso sieht man den notwendigen bürokratischen Aufwand kritisch: Das Anlegen eines Baumkatasters sei hierfür beispielsweise notwendig, und natürlich müsse man auch aktiv überwachen, dass sich alle an die Baumschutzsatzung halten. Und auch die potenzielle wirtschaftliche Belastung, insbesondere für nicht gerade wohlhabende Bürgerinnen und Bürger, sehen die Christdemokraten als Problem: Unter anderem könnten Einschränkungen bei der Nutzung und Verwertung der eigenen Grundstücksfläche solche Folgen haben. Und wer genug Geld hat - der nimmt die folgende Geldstrafe womöglich sehenden Auges in Kauf in fällt den eigenen Baum nach eigenem Gutdünken einfach trotzdem. Dies würde ein "Ungleichgewicht schaffen zwischen den finanziell schlechter Gestellten und denjenigen, die Kleingeld haben und am Ende machen können, was sie wollen", so Endler.

Aus all diesen Gründen erachtet man die beantragte Baumschutzsatzung seitens der Koalition als nicht effizient. Jedoch sieht man auch bei CDU, FDP und FW grundsätzlich die Notwendigkeit zum Schutz der Bäume. Deshalb stellte man in Aussicht, in einer der nächsten Sitzungsrunden über die Schaffung von Anreizen zu sprechen, um die Bevölkerung wirksam zu sensibilisieren und zum Baumschutz zu motivieren. Dies könnten beispielsweise finanzielle Zuschüsse sein, oder die verstärkte Vermittlung von Wissen über den Nutzen der Bäume, vielleicht in Form einer Kampagne.

Festlegungen in Bebauungsplänen als Alternative

Dr. Marek Meyer, Fraktionsvorsitzender der SPD, erwiderte darauf, dass ein Unterschied bestünde zwischen dem von der Koalition beteuerten Willen zum Schutz der Bäume und dem tatsächlich aktiven Schutz, der mit der besagten Satzung umgesetzt werden soll.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert brachte als möglicher Maßnahme zum Schutz der Bäume noch entsprechende Festlegungen in Bebauungsplänen ins Spiel. Dort könne man das Anpflanzen und Bewässern von Bäumen und Sträuchern verbindlich festlegen. Eine Baumschutzsatzung hingegen werde bei den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder als Verbot wahrgenommen, so Minnert.

Der Antrag wurde im Ausschuss UBV letztendlich nur von den Grünen und der SPD befürwortet, bei mehrheitlicher Ablehnung durch CDU, FDP und FW. Die endgültige Abstimmung findet am heutigen Abend im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung statt.

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