Kontroverser Dialog zum Bebauungsplan N116

"Bürgerinitiative im Einsatz für Naturerhalt" richtete Fragen an Parlamentarier und Stadträte aller Fraktionen

Wie bereits berichtet, wohnten der Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Bauen und Verkehr am Dienstag, 7. Mai, zahlreiche Mitglieder der "Bürgerinitiative im Einsatz für Naturerhalt" (kurz: BiENE) bei. Den dort organisierten Bürgerinnen und Bürgern wurde ein Rederecht eingeräumt; ein noch ausführlicherer Dialog zu diesem Thema fand schriftlich statt.

Fragenkatalog von "BiENE"

Am 19. April hatte die Bürgerinitiative, vertreten durch Julia Habel und Svenja Stöbbe, parteiübergreifend allen Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung sowie allen Stadträtinnen und Stadträten einen Fragebogen zum Bebauungsplan N116 übermittelt und um Beantwortung bis zum 27. April gebeten.

So wurde in Bezug auf Lage und Stadtbild vor dem Hintergrund der geplanten Rechenzentren entlang des Friedhofs gefragt, wie hoch die dortigen Schornsteine werden sollen und wie man generell "die Auswirkungen der Gebäudekomplexe auf das Stadtbild" bewerte. Ebenso erkundigte man sich nach möglichen Maßnahmen, "um den Friedhof als besonderen Raum und stillen Ort der Trauer und Andacht während der Bauzeit und des Betriebs zu schützen" und wie dort die Verkehrsteilnehmer abseits der normalen Automobile Berücksichtigung finden sollen.

In Hinblick auf "Klima/Energie" interessieren sich die Mitglieder der Bürgerinitative dafür, "in welchem Maße sich das Kaltluftvolumen durch die Bebauung reduziert und wie sich die Ableitung der Abwärme und die Wärmespeicherkapazität der Baukörper auf die Umgebung auswirkt". Das Klimagutachten sage aus, dass mit einer Verschlechterung der Klimafunktion zu rechnen sei. Welche Maßnahmen könne man sich angesichts dessen vorstellen, um solche negativen Auswirkungen zu mindern oder auszugleichen?

Ebenso verweist BiENE auf ein Zitat von Bürgermeister Klaus Schindling, demzufolge sich durch die Ansiedlung der Rechenzentren „im Stadtgebiet einzigartige Potenziale zur klimafreundlichen Nutzung der vorhandenen Abwärme und deren Verteilung über ein Nahwärmenetz“ ergeben sollen. BiENE würde gerne wissen, welche Beschlüsse es gibt, die dieses Ziel verbindlich festlegen und ob die Kosten für die dafür notwendige Infrastruktur bekannt seien, und wer diese tragen soll.

Laut Rechenzentrumsbetreiber können dem BiENE-Fragebogen zufolge nur maximal 20 Prozent der Abwärme genutzt werden. Wie soll dieser geringe Anteil mit den Zielen „Hattersheim als Klimakommune“ vereinbar sein, und wie soll der immense Strombedarf der Rechenzentren kompensiert werden?

Auch hätte man gerne eine Einschätzung über die Sinnhaftigkeit des Plans auf der Freifläche im Nordwesten eine Photovoltaik-Anlage zu installieren und welche Maßnahmen zur Minderung der Überhitzung zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger vorgesehen sind bzw. eingeplant werden sollten.

Auch in Bezug auf Natur und Mensch interessiert sich BiENE für die Auswirkungen der Rechenzentren: Sind hier Auswirkungen auf Naturraum und Wohngebiete bekannt? Sollten Maßnahmen gegen Lichtverschmutung ergriffen werden? Und wie sehen mögliche Auswirkungen auf das Grundwasser und die Grundwasserneubildung aus?

Und schließlich wirft auch das liebe Geld hier Fragen auf: Man sieht seitens BiENE eine "zunehmende finanzielle Abhängigkeit", in die sich die Stadt mit dem Bau weiterer Rechenzentren begebe, zumal eine "dauerhafte Festlegung des Hauptsitzes von NTT nach Aussage von Stadt und Betreiber nicht garantiert werden" könne. Mit welcher prozentualen Erhöhung der Steuereinnahmen rechnet man bei einer Realisierung des Vorhabens? Und ist bekannt, "in welchem Umfang dies durch die Verlegung des Hauptsitzesbeeinflusst werden kann?"

Opposition äußert Verständnis

Während man sich mit der Hattersheimer SPD im Austausch befinde und der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Bauen und Verkehr, Selim Balcioglu, den Wunsch der Bürgeriniative nach einem Rederecht im Ausschuss unterstützte, wurde der Fragebogen bislang von den Sozialdemokraten nicht beantwortet, berichtete Svenja Stöbbe am Dienstag im Dialog mit dieser Zeitung. Die SPD habe die Beantwortung jedoch zugesagt.

Mit der Grünen-Fraktion stehe man insbesondere mit der Fraktionsvorsitzenden Nathalie Ferko in Verbindung, aus dieser Richtung hat man auch Antworten auf alle einzelnen Fragepunkte erhalten.

So positionieren sich die Hattersheimer Grünen auch gegen diese Bebauung. Die Auswirkungen der Rechenzentren auf das Stadtbild seien allein schon wegen ihrer "imposanten Größe" immens, der "Kontrast zur umgebenden Architektur und Wohngebäuden" sei "sehr auffällig".

Zu den Auswirkungen auf das Kaltluftvolumen könne man nichts sagen, jedoch werde "die Frischluftschneise, die vom Taunus nach Hattersheim strahlt, stark beschnitten." Zahlreiche Gutachten würden zeigen, "dass Rechenzentren im Allgemeinen eine Wärmeausstrahlung nicht nur in die Umgebung, sondern gerade auch in den Boden haben." Und die meiste Abwärme entstehe ausgerechnet durch die Kühlung in den Sommermonaten, wo die Nachfrage sehr gering sei - und eine Langzeitspeicherung der Wärme sei nicht realisierbar.

Die Grünen kritisieren grundsätzlich, dass in Hinblick auf die Abwärmenutzung "in den städtebaulichen Verträgen bisher verpasst wurde, verbindliche Vorgaben zu machen." Dies war auch einer der Hauptgründe für die Ablehnung des Antrags im Ausschuss.

Ebenso sei das Vorhaben mit der Zielsetzung "Klimakommune" nicht vereinbar: "Es wurde von Anfang an versäumt, für die Ansiedlungen von Rechenzentren Vorgaben zu entwickeln, in denen verbindlich festgelegt ist so umweltverträglich wie möglich zu bauen und zu betreiben. Das Etikett 'Klimakommune' ist in unseren Augen auch wegen des hohen Stromverbrauchs der Rechenzentren, der in dieser Höhe nicht ausgeglichen werden kann, nicht vertretbar", so die Hattersheimer Grünen in ihrer Antwort. "Im Schatten eines 25 Meter hohen Gebäudes" erwartet man von einer Photovoltaik-Anlage im Nordwesten auch nur einen geringen Ertrag.

Auch die Auswirkungen der nächtlichen Beleuchtung der Rechenzentren aus Sicherheitsgründen, die Beeinträchtigung der Frischluftschneise und den Lärm durch die Belüftungsanlagen erachtet man als "gravierend" für Mensch und Tier gleichermaßen.

Antwort der Koalition im Wortlaut

Am Freitag, 10. Mai, übermittelte die regierende Koalition, bestehend aus CDU, FDP und FW, dem Stadtanzeiger ihre Antwort auf den Fragebogen der Bürgerinitiative, die wie hier im Wortlaut wiedergeben:

BiENe unzufrieden mit Antwort der Koalition

Auch die Antwort von BiENE auf die Reaktion der Koalition veröffentlichen wir im Wortlaut:

Im Ausschuss UBV wurde der vorgelegte Entwurf des städtebaulichen Vertrages zur „Erweiterung Gewerbegebiet Nord“ mehrheitlich mit den Stimmen der regierenden Koalition befürwortet. Bündnis 90/Die Grünen sowie die SPD stimmten dagegen.

Sofern die Stadtverordnetenversammlung am heutigen Donnerstagabend die Empfehlung des Ausschusses bestätigt, wird der von den Vorhabenträgern NTT Global Data Centers FRA5 GmbH und IONOS SE unterzeichnete Vertrag bezüglich des Baus eines weiteren Rechenzentrums von der Stadt Hattersheim am Main angenommen und genehmigt.

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