Neue Rechenzentren im Entree zur Stadt

Gewerbegebiet Nord: Opposition bedauert den Verlust von Ackerflächen und kritisiert die geplante Gebäudehöhe

Übersichtsplan zum Bebauungsplan Nr. N116 .„Erweiterung Gewerbegebiet Nord“.

Die Beschlussfassung zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung bezüglich der Erweiterung des Gewerbegebietes Nord verlief bei der jüngsten Stadtverordnetenversammlung etwas holprig, am Ende stand jedoch ein klares Votum für diesen nächsten Schritt zur Entwicklung des etwa 7,3 Hektar großen Areals, das von der A66 im Norden, der L 3011 im Westen und der Mainzer Landstraße im Süden begrenzt wird. Während die regierende Koalition aus CDU, FDP und Freien Wählern geschlossen zustimmte, enthielten sich die Sozialdemokraten sowie drei der fünf Parlamentarierinnen und Parlamentarier von Bündnis 90/Die Grünen - die anderen beiden votierten dagegen.

Vor einem knappen Jahr, am 7. April 2022, hatte das Gremium die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. N116 „Erweiterung Gewerbegebiet Nord“ für das Gebiet beschlossen. Die derzeit überwiegend landwirtschaftlich (und in geringem Umfang auch kleingärtnerisch) genutzte Fläche soll zur Errichtung des nächsten Rechenzentrums im Hattersheimer Stadtgebiet genutzt werden, die Unternehmen NTT Global Data Centers GmbH und IONOS SE planen dort die Entwicklung eines entsprechenden Campus.

Weil das Areal derzeit in Sachen Bauplanungsrecht als "Außenbereich" zu beurteilen sei und ein Campus für Rechenzentren nicht zu den sogenannten „privilegierten Nutzungen“ gemäß Baugesetzbuch zähle, seien der Beschlussvorlage des Magistrats zufolge "sowohl auf kommunaler wie auch auf übergeordneter Ebene zunächst die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu schaffen." Die Sitzung der Regionalversammlung Südhessen (RVS) am Freitag, 10. März, wird sich unter anderem mit dieser Frage beschäftigen.

Vorrangiges Ziel sei eine "wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklung des Geländes zu einem Hightech-Standort, der sowohl Arbeitsplätze für hochqualifizierte Arbeitnehmer bietet als auch das Profil des Main-Taunus-Kreises und der Stadt Hattersheim am Main als Technologiestandort stärkt". Die in diesem Zuge vorgesehene Verlängerung der Heddingheimer Straße soll der Erschließung des Gewerbegebietes Nord und der Entlastung der innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen (vor allem in der Hofheimer Straße, der Mainzer Landstraße und am Hessendamm) dienen.

Verlängerung der Heddingheimer Straße wird begrüßt

Der Grünen-Stadtverordnete Stefan Ehrecke attestierte dem Bauantrag einige willkommene Fortschritte im Vergleich zu früheren Anträgen dieser Art: So werde nun auf "helle Flächen" geachtet, Solaranlagen sollen verbaut werden, und auch eine Begrünung der Fassaden soll stattfinden. Darüber hinaus sei ein Abwärmekonzept geplant, und bis zum Jahr 2030 soll im besagten Gebiet die Klimaneutralität erreicht werden.

Dies ändere jedoch nichts an der - aus Sicht der Grünen kritikwürdigen - Tatsache, dass in Hattersheim zunehmend immer nur auf einen Wirtschaftszweig gesetzt werde: Eben auf Rechenzentren. "Sehr schöne Ackerflächen" werden an dieser Stelle zugebaut, mahnte Ehrecke an - und folgerichtig war er dann auch einer derjenigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den Reihen der Grünen, die gegen den Antrag stimmten.

Dr. Marek Meyer (SPD) begrüßte grundsätzlich erst einmal, dass es nun mit der Entwicklung des Gewerbegebietes Nord vorangehe und dort Platz und Baurecht geschaffen werde für Unternehmensansiedlungen und -erweiterungen in Hattersheim. Und gerade auch die Verlängerung der Heddingheimer Straße sei eine gute Sache, dies könne "an der ein oder anderen Stelle den Verkehr entlasten", so Dr. Meyer. Dieser konnte der Beschlussvorlage auch einige willkommene Punkte entnehmen, die in seinen Augen auf ein Dazulernen im Vergleich zu früheren Bauprojekten mit Rechenzentren hindeuten: So zum Beispiel die angedachte Fassadenbegrünung oder den Willen zur Nutzung der Abwärme zur Nahwärmeversorgung. Und auch die vorgesehene Photovoltaik auf den Gebäuden wertet der SPD-Fraktionsvorsitzende als "positive Entwicklung".

Jedoch bemängelt man seitens der Sozialdemokraten auch diverse Punkte: So werde das Gewerbegebiet Nord mit seinen Rechenzentren "das neue Entree der Stadt". Komme man von der Autobahn aus nach Hattersheim rein, sei dieses Gebiet samt der dortigen Bebauung das Erste, was man zu Gesicht bekommt. Dies müsse "gut ansprechend vertraglich geregelt sein", so Meyer, der exemplarisch die geplante Gebäudehöhe anführte: Bis zu stolzen 25 Metern sollen die Gebäude dort in die Höhe ragen dürfen - zum Vergleich: In der Voltastraße sind es "nur" 19 Meter. Diese Pläne erachtet Dr. Meyer als "sehr grenzwertig", das müsse man bei den nächsten Schritten rund um den Bebauungsplan noch einmal genau erörtern, damit das Erscheinungsbild am Ortseingang nicht "ganz so wuchtig" wird.

Bedenklich findet Dr. Meyer auch den Umstand, dass das besagte Gebiet an der Frischluftschneise liegt. Hier will die SPD noch weitere Antworten zum Umgang damit präsentiert bekommen: Wie gedenkt man damit umzugehen? Wie viel Frischluft kommt noch durch? Wie stark behindert die Bebauung die Frischluftzirkulation?

Und eine Anregung hatte Dr. Marek Meyer auch noch in petto: Ausgerechnet die zum benachbarten Friedhof zeigende Wand eines neuen Rechenzentrums soll Stand jetzt nicht begrünt werden. Hier solle man noch einmal überlegen, ob man mit einer Fassadenbegrünung hin zum Friedhof von dort aus nicht einen passenderen optischeren Eindruck erwecken könne.

Angesichts der zahlreichen noch offenen Fragen entschied man sich in den Reihen der Sozialdemokratien diesmal bei der Abstimmung zum Antrag für eine Enthaltung, aber man sei Dr. Meyer zufolge "immer noch optimistisch und hoffnungsvoll" in Hinblick auf Verbesserungen im finalen Bebauungsplan.

Lernprozess durch Spezialisierung

Andreas Endler (CDU) nahm erfreut zur Kenntnis, dass man seitens der Opposition dem Bebauungsplan einen gewissen "Lernprozess" entnehmen konnte. Dies sei vielleicht auch schon ein gewichtiges Argument eben für diese Spezialisierung auf Rechenzentren in Hattersheim, denn natürlich sei "keiner von Anfang an perfekt". Endler zeigte im Namen der Koalition auch Verständnis für die Bedenken der anderen Fraktionen, wie zum Beispiel bezüglich des Wegfalls von Ackerflächen und der weiteren Bodenversiegelung.

Im Gegenzug aber sei auch zu bedenken, dass man für den Wegfall eben jener Äcker zu diesem Zweck am Ende auch höhere Steuereinnahmen erzielen kann, die man wiederum in "viele schöne Dinge" innerhalb der Stadt investieren könne, beispielsweise in eine schönere Begrünung, in die Ausstattung der Feuerwehr oder die Sanierung der Sportplätze.

Und gerade auch die Entscheidung zum Bau in die Höhe erachtet Endler sogar als "smart", denn wenn man die Flächenversiegelung so gering wie möglich halten und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte gewährleisten möchte, dann erreicht man beides durch einen Bau vor allem gen Himmel.

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