„Schon immer“ wurde in Okriftel am zweiten September-Wochenende „die Kerb“ gefeiert, in früheren Jahren mit frisch im Wald geschlagenem „Kerbebaum“, einer speziellen „Kerbebobb“ und vielen jungen Okriftler Männern als „Kerbeborsch“. Die Kerb war ein großes Fest, gefeiert wurde auf dem Kerbeplatz am Main und in den Gastwirtschaften des Ortes, es gab sogar einen Kerbeumzug.
Wann dieser Brauch „eingeschlafen“ ist, lässt sich wohl nicht mehr so genau festmachen. Als die Okriftler Geschichtsfreunde ihn vor vielen Jahren wiederaufleben lassen wollten, scheiterte das unter anderem daran, dass man keine jungen Männer dafür begeistern konnte, als Jahrgangs-Kerbeborsch das Fest auszurichten. Also nahmen die Geschichtsfreunde es selbst in die eigenen Hände, dass dieses Traditionsfest nicht „ausstarb“. Seitdem gibt es im Verein einen eigenen Kerbebaum, eine eigene Kerbebopp und natürlich auch eigene Kerbeborsch – deren Jahrgang zwar jetzt nicht mehr wechselt, die aber trotzdem dann eben jedes Jahr mit dem ganzen Herzen dabei sind, die Kerb im geschmückten Hof des früheren Gasthofes „Zum Taunus“ auszurichten. Bis Corona kam, und auch diese Veranstaltung pausieren musste.
In diesem Jahr wurde nun wieder Kerb gefeiert - so wie es sich für die Okriftler gehört mit Rippchen und Kraut (80 Rippchen wurden verspeist, das Sauerkraut wurde im großen Kessel gekocht), mit Äppelwoi (100 Liter braucht die Okriftler Kerb im Moment auf ein Wochenende) und natürlich mit Quetschekuche (vier große Kuchenbleche spendete die Bäckerei Täffner für das Traditionsfest). Natürlich gab es für die nicht ganz so traditionsbewussten Gäste auch Grillsteak (50 Stück) und Bratwurst (60 Stück), Bier und Spirituosen – sogar das ein oder andere alkoholfreie Getränk soll unter den geschmückten Pavillons neben der Kerbebopp geordert worden sein. Und wie es die Zahlen vermuten lassen: die Kerb war sowohl samstags abends als auch am Kerbesonntag sehr gut besucht. „Es war proppevoll gestern Abend!“ freuten sich Bernd Caspari und Karl Heinz Spengler vom Vorstand der Okriftler Geschichtsfreunde. Für ganz besondere Gemütlichkeit im Innenhof des „Taunus“ und die besonders gute Stimmung sorgte sicher auch die Begleitung der Veranstaltungen mit Akkordeonmusik, unter anderem durch Maikel Wilker und Markus Caspari.
Selbstverständlich hatte der Okriftler Geschichtsverein seinen Gästen auch in diesem Jahr nicht nur beste Stimmung und Traditionskost zur Kerb zu bieten, die Mitglieder luden auch wieder mit einer kleinen Ausstellung zu einer Reise in die Okriftler Vergangenheit ein. Im großen Saal des „Alten Kino“ konnten etwa Zeichnungen von Josef Dirnberger, die alte Uhr des Okriftler Kirchturms, drei alte Feuerwehrspritzen, sowie eine ganze Reihe alter Fahrräder besichtigt werden.
Die rein mechanische alte Kirchturmuhr aus dem Jahr 1897 war nach einer Restaurierung für die letzten fünf Jahre in Hattersheim eingelagert. Sie „wohnt“ in einer eigenen kleinen Vitrine und darf so geschützt die nächste Zeit nun in Okriftel bleiben. Von den drei Feuerwehrspritzen gehören zwei der Freiwilligen Feuerwehr Okriftel, man hört, dass zumindest die aus dem Jahr 1936 verkauft werden soll. „Das wäre schade, sie sollte im Ort bleiben können“, meint Karl Heinz Spengler dazu, „sie gehört in ein Museum!“. Eine andere der Spritzen hatte Bernd Caspari beim „Ausräumen“ der Phrix entdeckt, sie gehörte wohl einmal zur Werksfeuerwehr. Die Okriftler Geschichtsfreunde freuen sich sehr darüber, dass Caspari diese Spritze für den Verein „retten“ konnte.
Natürlich können die Okriftler Geschichtsfreunde ihre Gäste auf der Kerb in jedem Jahr wieder nicht nur mit Gegenständen aus der Vergangenheit erfreuen, auch so manche Geschichte aus „guten alten Zeiten“ macht dort die Runde. Interessant war es etwa zu erfahren, dass man in Okriftel schon in früheren Jahren die Idee für ein - heute ja sehr populäres - „Freiluft-Kino“ hatte. „Hinter dem alten Kino war eine große Wiese, und in die Wand dorthin hatte man für den Projektor extra ein Loch geschlagen,“ wurde etwa erzählt, „aber als die Leute alle auf der Wiese saßen und der Film beginnen sollte, sammelten sich so viele Mücken und Motten vom hellen Licht angezogen auf der Linse des Projektors, dass man doch keinen Film anschauen konnte.“
Wer gerne mehr aus der Ortsgeschichte von Okriftel erfahren möchte, ist auf jeden Fall bei den Okrifteler Geschichtsfreunden e.V. an der richtigen Stelle – nicht nur zur Okriftler Kerb!