Pflegeheim im Bombenabwurfgebiet

Stadtverordnetenversammlung beschließt heute den Bebauungsplan „Mühlenquartier“ als Satzung

HATTERSHEIM (al) – Die Stadtverordnetenversammlung wird in ihrer heutigen Sitzung (20 Uhr, Stadthalle) den Bebauungsplan „Mühlenquartier“ als Satzung endgültig beschließen.

Der Plan hatte im April/Mai erneut offengelegen; eine Reihe von Änderungen ist eingeflossen, weil Anregungen oder Bedenken berücksicht werden.

So hatte der Kampfmittelräumdienst des Landes Hessen die Offenlage zum Anlass genommen, alte Kriegsluftbilder zu studieren, und war dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass sich das Mühlenquartier am Hessendamm in einem Bombenabwurfgebiet befindet. „Vom Vorhandensein von Kampfmitteln auf solchen Flächen muss grundsätzlich ausgegangen werden“, schrieb er nach Hattersheim und schlug eine „systematische Überprüfung, gegebenfalls nach Abtrag des Oberbodens“ vor. Die Stadtverordnetenversammlung will nun beschließen, der Anregung zu folgen (soweit das noch möglich ist). Und: „Die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen obliegt dem Eigentümer/Investor. Die Kosten trägt selbiger.“ Vor allem soll Vorsicht walten, wenn noch irgendwo gegraben wird.

Dem Hinweis des Regionalverbands auf die „fehlende Bearbeitung artenschutzrechtlicher Belange“ wird ebenfalls gefolgt. Die Stadt tut das aber mit der Feststellung, dass es keine Anhaltspunkte für Habitate besonders geschützter Arten gibt. Das sei auch den Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde und der Naturschutzvereinigungen zu entnehmen gewesen.

„Urbanes Leben am Schwarzbach“

Die Aufstellung des Bebauungsplanes ist schon Anfang 2009 beschlossen worden. Den Anlass gab der „Seniorenpark“ des Familienunternehmens Lindhorst. Das „Mühlenqaurtier“ war zuvor Gewerbe- und Industriegebiet. Knapp 27.000 Quadratmeter sind nun Mischgebiet mit überwiegend Wohnnutzung (18.000 Quadratmeter). Investoren östlich des Hessendamms sind auch die Hawobau und ihr Hattersheimer Partner „Weiß Grundstücksentwicklungs- und Vermittlungs-GmbH“. Die bauen ein Praxis- und Büro- und Wohngebäude, 28 Einheiten für Betreutes Wohnen- 22 Eigentumswohnungen und 34 Einfamilienhäuser. Die Wohnungen verkaufen sich gut, heißt es. Geworben wird mit dem Slogan „Urbanes Leben am Schwarzbach“ und der werbewirksamen Bezeichnung „Mühlenquartier“.

Dem Straßenring in diesem Quartier wird die Stadtverordnetenversammlung heute abend den Namen „Im Mühlenviertel“ geben. Das bezieht sich auf die früher in der Nachbarschaft ansässigen Öl- und Urbanmühle. Die Nummerierung der Grundstücke soll umlaufend erfolgen.

Die Wohnbebauung besteht aus drei verschiedenen Gebäudetypen und erreicht bis zu drei Vollgeschosse. der Investor und Eigentümer Lindhorst wird auch Betreiber des Altenpflegeheims.

Hawobau und Weiß haben sich in der „ARGE (Arbeitsgemeinschaft) Hessendamm“ zusammengeschlossen. Sie investierten auch in die Erschließung des Mühlenquartiers und die Umgestaltung des Retentionsraums zum Schwarzbach hin.

Dieser Retentionsraum unterhalb der Urbansmühle ist ein Ergebnis der ersten Offenlage im Spätsommer vergangenen Jahres. Der damalige Planungsverband und heutige Regionalverband hatte ihn angeregt, um vorbeugenden Hochwasserschutz zu betreiben. Den Hattersheimer Planern kam das nicht einmal ungelegen. Sie müssen ohnehin das neue Baugebiet aus dem Überschwemmungsgebiet herausbekommen, also die förmliche Überschwemmungslinie verschieben. Das wird mit Böschung und Wall in Schwarzbachnähe passieren.

Keine Schätze im Boden

Die Sorge des FWG-Stadtverordneten Karl Heinz Spengler in den Ausschussberatungen letzte Woche galt weniger möglichen Bombenfunden, sondern der Zerstörung möglicher archäologischer Fundstücke aus Hattersheims keltischer Vergangenheit. Laut der Ersten Stadträtin Karin Schnick ist von archäologischen Schätzen im Boden des Mühlenquartiers aber „nichts bekannt. Auch das Landesamt für Denkmalpflege vermutet da wohl nichts“.

CDU-Stadtverordneter Klaus Schindling wiederum regte an, andere Schätze im Boden unterzubringen, nämlich Breitbandkabel. Er befürchtet, dass sonst auch im „Mühlenquartier“ ein zu geringer Datenfluss droht, zum Leidwesen auch von Leuten, die einen leistungsfähigen Internetanschluss brauchen oder gar damit Geld verdienen.

Baudezernentin Schnick aber wollte nicht einsehen, dass sich die Stadt darum zu kümmern hat. Das sei Sache des Bauträgers und der Anbieter, meinte sie. Ohnehin seien, in einer breiten Trasse, solche Leitungen längst vorhanden.

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