Kitaplan: Nachholbedarf bei U3-Betreuungsplätzen / e-Shelter will Rechenzentrum erweitern
Letzte Woche Donnerstag beschäftigte sich die Stadtverordnetenversammlung unter anderem mit dem Kindertagesstättenentwicklungsplan (kurz: Kitaplan). "Im Wesentlichen sind das alles richtige Hinweise im Plan – aber er ist ergänzungsbedürftig", meinte Thomas Abicht (SPD). So werde der Eindruck vermittelt, dass der Bedarf an Kitaplätzen gedeckt sei, dabei sei das realistisch gesehen keineswegs der Fall. Ein anderes Bild würde sich ergeben, wenn der mit der Realisierung von 1.100 Wohneinheiten zu erwartende Bedarf von 139 zusätzlichen Betreuungsplätzen berücksichtigt werde. Der Kitaplan zeige das auch auf, räumte Abicht ein, allerdings an "versteckter Stelle". Den Hinweisen der Verwaltung zum Trotz werde nicht genügend getan, um dem prognostizierten Bedarf gerecht werden zu können. "Wenn neu gebaut wird, müssen auch neue Kitas errichtet und neue Erzieherinnen eingestellt werden. Die Stadt tut da schon einiges, aus unserer Sicht muss man aber noch mehr machen", so Abicht, der exemplarisch auf das Neubaugebiet "An der Ölmühle" hinwies: "Dort wird keine neue Kita gebaut. Man plant offensichtlich bewusst mit dem Fehlbedarf." Hattersheim sei bei der Platzzahl im Bereich U3-Betreuung mittlerweile das Schlusslicht im Main-Taunus-Kreis. "Wir danken der Verwaltung für die sehr gute Darstellung, die aber leider politisch geschönt zur Vorlage gekommen ist", sagte Abicht für die SPD-Fraktion. "Wir wollen den Kitaplan nicht ablehnen, können ihm aus den genannten Gründen aber auch nicht zustimmen. Deshalb werden wir uns enthalten."
"Wir haben keine Glaskugel", entgegnete der in seiner Eigenschaft als Sozialdezernent für die Erstellung des Kitaplans verantwortliche Erste Stadtrat Karl Heinz Spengler. In der Prognose gehe es um Kinder, "die noch gar nicht geboren sind"; Kinder einzuplanen und in der Statistik abzubilden sei erst dann möglich, "wenn sie da sind". Deshalb weiche die Planung grundsätzlich immer von der Prognose ab. Die Situation habe sich verschärft, da zurzeit die Kita "Vogelnest" in Eddersheim geschlossen sei und so ein Notbetrieb gefahren werden müsse. Zudem gebe es personelle Schwierigkeiten durch den Umstand, dass zehn Erzieherinnen schwanger seien; jene würden aber, nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit, immerhin die dann in den Ruhestand gehenden Erzieherinnen ersetzen, was die mittelfristige Planung erleichtere.
"Gerade im U3-Bereich ist es zu spät erst dann zu planen, wenn die Kinder da sind", entgegnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Marek Meyer. Schließlich würden von der Planung bis zum Bau einer Kindertagesstätte einige Jahre ins Land gehen. "Es geht nicht darum, einen Blick in die Glaskugel zu werfen", fügte Thomas Abicht hinzu, "sondern um eine grobe Berücksichtigung der zu erwartenden Bedarfszahlen."
Bürgermeister Klaus Schindling attestierte den Sozialdemokraten, den Kitaplan nicht verstanden zu haben, schließlich sei in ihm explizit von 139 zu erwartenden Kindern und von dem entsprechenden Mehrbedarf an Betreuungsplätzen die Rede. "Wir reagieren nicht erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Wir sorgen vor, damit die benötigten Kitaplätze in allen drei Stadtteilen zum rechten Zeitpunkt da sind", so Schindling, der in diesem Zusammenhang an das Investitionsprogramm erinnerte. Demgemäß würden in diesem Jahr 2 Millionen Euro und im Jahr 2021 1,5 Millionen Euro für die Errichtung einer sechsgruppigen Kita in der Dürerstraße aufgewendet. Bei seiner Amtsübernahme habe er keine Konzeption für den Ausbau der U3-Betreuung, aber "Neubaugebiete auf dem Reißbrett" vorgefunden. Nichtsdestotrotz sei die Verwaltung mittlerweile "konzeptionell relativ weit", betonte der Bürgermeister. "Unsere Aufgabe ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen", sagte Schindling, dementsprechend werde dem "seit vielen Jahren" in der U3-Betreuung existierende "extreme Nachholbedarf" sukzessive nachgekommen.
CDU, FWG und FDP stimmten für den Kindertagesstättenentwicklungsplan, SPD und Grüne enthielten sich.
"Da wird sich etwas tun!"
Die Aufstellung des Bebauungsplans zur Erweiterung des Gewerbegebietes südlich der Voltastraße wurde einstimmig beschlossen. Dort plant der Rechenzentrumsbetreiber e-Shelter die Errichtung von mindestens einem weiteren Gebäude. Die Sozialdemokraten begrüßten die Erweiterung, gaben jedoch deren mögliche Auswirkungen auf die zukünftig angrenzende Wohnbebauung zu bedenken. Angesichts der bis zu 18,5 Metern hohen Gebäude von e-Shelter gebe es "potentielle Konfliktpunkte", meinte der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Marek Meyer. Des Weiteren sei die Reflexion des Schalls an den hohen Fassaden zu berücksichtigen, auch sollten Anwohner von ihren Balkonen aus nicht auf "graue Wände" schauen müssen. "Wichtig wäre eine aktualisierte Gesamtplanung", so Meyer. "Wünschenswert wäre auch eine Grünfläche mit Bäumen zwischen dem Gewerbegebiet und der Wohnbebauung." Des Weiteren regte der SPD-Fraktionsvorsitzende eine zum Wohngebiet hin abgestufte Bauform der e-Shelter-Gebäude und/oder eine begrünte Fassade mit angemessenem Abstand zu den Nachbarhäusern an. Außerdem sollte die durch den Betrieb des Rechenzentrums entstehende Abwärme "nicht in die Luft geblasen, sondern für Wohnquartiere in Hattersheim genutzt werden". "Sie haben den entsprechenden Antrag von uns im August 2019 leider abgelehnt", sagte Meyer in Richtung der Koalition. "Wir werden Sie immer wieder daran erinnern!"
Der Grünen-Fraktionssprecher Winfried Pohl stimmte seinem Vorredner vollumfänglich zu: "Es gibt Planungsmöglichkeiten. Wir können nicht so tun, als ob wir einfach nur eine Lagerhalle hinstellen. Wir sollten vielmehr mit dem Betreiber eine nachhaltige Energiegewinnung anstreben." Falls in dieser Richtung nichts geschehen sollte, würden sich die Grünen überlegen, ob sie einem Bebauungsplan ihre Zustimmung geben können, so Pohl.
"Diese Themen wurden bereits mit e-Shelter besprochen", erwiderte der FWG-Fraktionsvorsitzende Willi Torka. Das Unternehmen nutze die Abwärme im Großen und Ganzen selber, der verbleibende Rest sei nicht verwendbar. Die Opposition wolle indes den Eindruck erzeugen, dass der Magistrat beziehungsweise der Bürgermeister nichts in der Sache tun würden. Das sei erstens nicht zutreffend und zweitens sehr ärgerlich. "Wir führen sehr enge Gespräche mit e-Shelter", bekräftigte der Bürgermeister. Das Rechenzentrum sondere niedere Abwärme von circa 25 Grad ab; das sei zwar zu wenig, um warmes Badewasser zu bekommen, aber man könne damit trotzdem so manches anfangen. Man sei diesbezüglich bereits in Abstimmung, so Schindling: "Da wird sich etwas tun!" Durch die Zusammenarbeit mit e-Shelter werde die Stadt Hattersheim auch "von anderen Projekten, von Pilotprojekten sogar" profitieren, merkte der Bürgermeister an. Abgesehen davon habe man es in dieser Sitzung "nur" mit einem Aufstellungsbeschluss zu tun. Die Sozialdemokraten würden, etwa hinsichtlich der Abstände zwischen Wohn- und Gewerbegebäuden, Selbstverständlichkeiten ansprechen. Für die geforderte aktualisierte Gesamtplanung beziehungsweise für eine konzeptionelle städtebauliche Planung sei es indes viel zu früh.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende begrüßte die Gespräche zwischen der Stadt und dem Unternehmen e-Shelter. Selbstverständlich gebe es gesetzlich festgelegte Abstandsflächen, so Meyer. Es gehe seiner Fraktion jedoch darum, dass man sich "nicht gleich auf das Mindestmaß festlegt, sondern individuell entscheidet". Anders als vom Bürgermeister dargestellt, habe man es eben nicht nur mit einem Aufstellungsbeschluss, sondern auch mit einer Frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung inklusive Bebauungsplanskizze zu tun. "Man weiß doch noch nicht mal, wo genau der Investor die Wohnbebauung plant", erwiderte Schindling. "Somit ist die ganze Diskussion über Mindestabstände überflüssig." Das Stadtparlament stimmte der Magistratsvorlage geschlossen zu.
Einmütige Zustimmung erhielt auch der Antrag des WPH-Stadtverordneten Ralf Depke zum Schutz des Okrifteler Wäldchens (wir berichteten). Und auch die ohne Aussprache en bloc zur Beschlussfassung stehenden Magistratsvorlagen über die Wiedereingliederung der Stadtwerke in den Kernhaushalt, die Festlegung der Hawobau als Eigentümer der Wohnanlage N109 "An der Ölmühle" sowie die Prüfung einer Ausweisung von Rundlaufkursen wurden einstimmig angenommen.
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