So zieht die Freiheit auch durch Hattersheim...

175 Jahre Revolution 1848/1849: Schauspielensemble der BüchnerBühne "stürmte" die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung

Theatralischer Auftritt des fünfköpfigen Ensembles der BüchnerBühne Riedstadt am vergangenen Donnerstag während der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung.
Theatralischer Auftritt des fünfköpfigen Ensembles der BüchnerBühne Riedstadt am vergangenen Donnerstag während der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung.

Tumultartige Szenen in der Hattersheimer Stadthalle am vergangenen Donnerstagabend: Mitten während der dortigen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung stürmten schwarz gekleidete Aktivistinnen und Aktivisten in die Halle, mit Zeitungen wedelnd und "Extrablatt! Extrablatt!" rufend. Was war geschehen?

Nun, das Geschehene liegt bereits 175 Jahre zurück: Die Deutsche Revolution von 1848/1849.

Jene gilt als ein Meilenstein in der deutschen Demokratiegeschichte. In deren Vorfeld gewann zunächst das aufstrebende Bürgertum im Vormärz immer mehr an Einfluss, man entwickelte auch in diesen Reihen einen Willen zu Macht und Teilhabe. Gleichzeitig verarmten weite Teile der Bevölkerung angesichts enormer wirtschaftlicher und sozialer Krisen.

Am 18. März 1848 kam es in Berlin zu Demonstrationen und Protesten; Bürgerinnen und Bürger forderten lautstark neue Freiheitsrechte für sich ein. Mit Erfolg: Dort und an vielen anderen Orten im Deutschen Bund nötigten die revolutionären Kräfte den Herrschenden liberale Zugeständnisse ab, und diese Entwicklung führte binnen weniger Wochen zur Einberufung eines gesamtdeutschen Parlaments. Ab dem 18. Mai 1848 tagte die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche mit dem Ziel der Gründung eines deutschen Nationalstaats, der sich durch eine liberale Verfassung auszeichnen und Grund- und Freiheitsrechte garantieren sollte.

Extrablatt im „Geist der Freiheit“

Auf die frisch erlangte Pressefreiheit folgte seinerzeit eine veritable Welle von Zeitungsgründungen und Lesevereinen. In Gaststätten und an markanten öffentlichen Orten wurden die Berichte und Kommentare geteilt und debattiert. Die städtische und ländliche Bevölkerung politisierten sich und waren plötzlich in die Lage, über politische Themen frei zu sprechen.

Anlässlich des 175. Jubiläums der Revolution initiierte die KulturRegion FrankfurtRheinMain die Projektreihe „Geist der Freiheit", verbunden mit der Aufforderung zum Mitschreiben. In Anlehnung an das damalige "Medium der Stunde", die gedruckte Zeitung, waren Archive, Museen, Geschichts- und Kulturvereine, Schulklassen, Kommunen, Kreise wie auch Autoren und Fotografen eingeladen, bei der Gestaltung einer Jubiläumszeitung mitzuwirken. Auch Hattersheimer Institutionen wirkten mit, nämlich das hiesige Stadtarchiv sowie das KulturForum.

Das „Extrablatt“ bietet interessante und unterhaltsame Text- und Bildbeiträge, vom zeitgenössischen Bericht aus dem Jahre 1848, fiktiven Interviews bis hin zu Comics, die sich einerseits mit lokalen Geschichten aus den Revolutionsjahren beschäftigen, aber auch mit aktuellen Fragestellungen zu Revolution und Freiheit.

So ist in jenem "Extrablatt" auf Seite 14 ein Comic enthalten, der die Rolle von Hattersheim im Zuge der damaligen Ereignisse skizziert: Unter dem Motto "Die Zeit ist gekommen!" versammelten sich am 9. Januar 1848 Turner aus Frankfurt, Offenbach, Höchst, Wiesbaden, Mainz, Hanau, Idstein und Mannheim im "Frankfurter Hof" in Hattersheim - und riefen vor mehreren hundert Zuschauerinnen und Zuschauern unter dem Vorsitz des Revolutionärs und Journalisten Karl Blind zum gewaltsamen Umsturz auf.

Die Revolution brach im Herzogtum Nassau aus, und wie andernorts auch wurde am 11. März 1848 in Hattersheim ein achtköpfiges "Hülfscomité" ins Leben gerufen, das die allgemeine Ordnung wiederherstellen sollte. Das gelang nur so lala: So konnte beispielsweise nicht verhindert werden, dass am 5. April 1848 Einrichtungen der Taunus-Eisenbahn auch in Hattersheim angegriffen und zerstört wurden. Vor allem Konkurrenten der Eisenbahn nutzten wohl die Gunst der Stunde, um dem verhassten Mitbewerber zu schaden: So sollen insbesondere Kutscher, Hafenmitarbeiter und Schiffer an den Überfällen beteiligt gewesen sein.

Schon Mitte 1848 verlor die Revolution so langsam ihr Momentum, die erwähnten Sicherheitskomitees wurden wieder aufgelöst. Die bereits vor 1848 existente Verfassung im Herzogtum Nassau wurde jedoch um diverse Reformprogramme erweitert, und mit dem Erlass einer neuen Gemeindeordnung war es den Gemeinden nun gestattet, sich weitgehend selbst zu verwalten. Und der erste selbst gewählte Bürgermeister von Hattersheim, Jakob Ziegler, war zuvor Mitglied im Hattersheimer "Hülfscomité".

Diese Geschehnisse sind noch ausführlicher und launig illustriert im 36-seitigen "Extrablatt" zu finden, neben zahlreichen anderen spannenden Artikeln rund um die Revolution vor 175 Jahren.

Zeitung macht Theater

Im Zuge der Veröffentlichung des "Extrablattes" ist das Schauspielensemble der BüchnerBühne momentan unterwegs und macht die Zeitungslektüre zu einer theatralischen Intervention. Zeitungsmeldungen aus der Revolutionszeit werden aufgegriffen und die Vielschichtigkeit der damaligen Debatten wird präsentiert, vom privaten Dialog in der heimischen Stube bis hin zum Rednerpult in der Paulskirche. Und natürlich wird dabei auch das „Extrablatt“ unter die Leute gebracht.

Unter dem Titel „So zieht die Freiheit durch alle Lande“ überrascht die BüchnerBühne seit Anfang Mai vielerorts die Menschen in der Öffentlichkeit. So wurde die 20-minütige Darbietung bereits im Historischen Museum Frankfurt, während der Stadtverordnetenversammlung in Ginsheim-Gustavsburg und beim Paulskirchenfest am 20. Mai in Frankfurt aufgeführt, und nun eben auch am 25. Mai in Hattersheimer Stadtparlament. Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter bedankte sich bei dem fünfköpfigen Ensemble der BüchnerBühne Riedstadt für die gelungene Aktion, ebenso wie der initiierenden KulturRegion FrankfurtRheinMain.

An folgenden Terminen kann die theatralische Darbietung noch live erlebt werden:

  • 3. Juni, 11.30 Uhr: Marktplatz, vor der Bücherinsel, Dieburg
  • 29. Juni, 19 Uhr: Zur Eröffnung der Kulturtage, Schloss Johannisburg, Aschaffenburg
  • 8. Juli, 11.30 Uhr: Marktplatz, vor dem Neustädter Rathaus, Hanau
  • 9. Oktober: Kreistagssitzung, Landratsamt, Groß-Gerau

Das "Extrablatt im Geist der Freiheit" wird im Rahmen dieser Veranstaltungen kostenfrei verteilt. Auslagestellen gibt es zudem in der Region - solange der Vorrat reicht:

  • Institut für Stadtgeschichte, Münzgasse 9, Frankfurt am Main
  • Bürgerberatung, Hinter dem Lämmchen 6, Frankfurt am Main
  • Haus der Stadtgeschichte, Offenbach am Main
  • Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Haus der Geschichte, Karolinenplatz, Darmstadt
  • Stadtarchiv Bad Homburg v.d. Höhe, Tannenwaldallee 50
  • Freilichtmuseum Hessenpark, Museumsshop, Neu-Anspach
  • Neustädter Rathaus, Foyer, Am Markt 14-18, Hanau (Juni/Juli 2023)

Zudem steht das "Extrablatt" auch als .pdf-Datei auf den Internetseiten der Stadt Hattersheim am Main (www.hattersheim.de) und der KulturRegion FrankfurtRheinMain (www.krfrm.de) zum Download bereit.

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