Streit um das Klimaschutzkonzept

Stadtverordnetenversammlung: Koalition stimmt für Vorlage, SPD dagegen, Grüne enthalten sich

Die ausführlichste und kontroverseste Debatte wurde im Rahmen der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Donnerstag, 4. Juli, bezüglich der Verabschiedung und Umsetzung des vom Magistrat vorgelegten integrierten Klimaschutzkonzepts geführt.

In ihrer Sitzung am 6. Februar 2022 hatte die Stadtverordnetenversammlung den Beitritt Hattersheims zu den Klima-Kommunen Hessen sowie die Einstellung eines Klimaschutzmanagers beschlossen. Daraufhin wurde ein Förderantrag für eine Zuwendung aus den Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative (Kommunalrichtlinie) gestellt. Gemäß der Bewilligung vom 30. November 2022 war das Klimaschutzkonzept bis zum 30. Juni 2024 vorzulegen - also eine knappe Woche vor der Sitzung des Gremiums, das diesen Beschluss nun fassen sollte.

Dieser Umstand sorgte für Verstimmungen auf Seiten der Opposition. Dem Stadtverordneten Kolja Franssen (SPD) zufolge fehlte für eine ausreichende Durchsicht des 128-seitigen Konzepts und der 47-seitigen Maßnahmensammlung die Zeit, weil hier "zum wiederholten Male vollständige Unterlagen nicht fristgerecht vorgelegen haben". Selbst im Falle der Fristeinhaltung sei es für Ehrenamtliche schon schwierig genug, solche umfangreichen Konzepte gewissenhaft zu studieren und zu bewerten.

Auch die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen, Nathalie Ferko, bemängelte die späte Übermittlung der Unterlagen: Auch ihre Fraktion hatte, wie alle Stadtverordneten, das komplette Klimaschutzkonzept nicht rechtzeitig zur Ausschusssitzung vorliegen. Und allein schon deshalb können die Grünen dem Konzept nicht zustimmen: "Wir stimmen nur Sachen zu, die wir auch gelesen haben." Gleichzeitig wolle man auch nicht dagegen stimmen: "Wir sind auch keine Fundamentalopposition, wie es uns manchmal vorgeworfen wird." Deshalb hat man sich für die eigene Enthaltung bei der Abstimmung entschieden.

Zum Inhalt des Klimaschutzkonzepts stellte Kolja Franssen unter anderem fest, dass dieses aus Sicht der Sozialdemokraten nicht geeignet sei, die tatsächlichen Herausforderungen der Stadt Hattersheim widerzuspiegeln. So wurde 2019 als Basisjahr beim Energieverbrauch gewählt, was diverse neu errichteten und geplanten Rechenzentren ausklammert. Dies führt Franssen zufolge dazu, dass Hattersheim mit einem im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-Energieverbrauch dargestellt wird. Im Anhang zum Konzept werde das Thema Rechenzentren dann zwar doch angeschnitten, jedoch nur die bereits bestehenden Rechenzentren an der Voltastraße mit einer Spannbreite des prognostizierten Stromverbrauchs. "Selbst wenn hier nur die untere Grenze berücksichtigt wird, haben wir fast eine Verdopplung des kompletten Endenergieverbrauchs innerhalb Hattersheims", so Franssen.

Auch Uwe Broschk (Bündnis 90 / Die Grünen) stellte in Frage, ob das vorliegende Klimaschutzkonzept wirklich dazu beitragen kann, dass Hattersheim bis 2045 klimaneutral wird und bereits bis 2030 65 Prozent seiner Treibhausgase einspart. Hattersheim zähle dank der Ansiedlung von Rechenzentren in den letzten Jahren nicht zu den Kommunen, bei denen ein Basisjahr 2019 die aktuellen Verhältnisse realistisch abbildet.

Bemerkenswert fand Broschk auch, dass in diesem Konzept nun Inhalte von ehemals Grünen Anträgen auftauchen, die seinerzeit von der regierenden Koalition abgelehnt worden seien, wie beispielsweise die Schaffung von Trinkbrunnen, die Installation eines E-Car-Sharing-Konzepts oder eine Verkehrsberuhigung und Straßenraumgestaltung mit unter anderem der Umwandlung der Frankfurter Straße.

Zudem vermissen die Grünen auch diverse Maßnahmen in dem Papier, so zum Beispiel Maßnahmen im Sinne des Schwammstadt-Prinzips, die Reduzierung von Schottergärten oder die Errichtung einer umfassenderen Fahrradinfrastruktur.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert bewertete das vorliegende Klimaschutzkonzept jedoch als "sehr, sehr gut". Zudem sei ein solches Konzept "nicht in Stein gemeißelt", sondern eher als Grundlage für weitere Optimierungen zu verstehen. Es soll vielmehr beständig weiterentwickelt werden, denn es sei ja tatsächlich viel in Bewegung, wie eben der steigende Stromverbrauch durch Rechenzentren im Stadtgebiet, und dies müsse auch weiterhin stets eingearbeitet und berücksichtigt werden.

Thomas Abicht (SPD) verdeutlichte noch einmal, dass die Sozialdemokraten zwar grundsätzlich gewillt seien, ein Klimaschutzprogramm für Hattersheim zu verabschieden, im vorliegenden Konzept jedoch eben eklatante Mängel ausmachen. Aus SPD-Sicht sei keine Zeit mehr für geduldiges und besonnenes Warten in Hinblick auf den Klimaschutz, sondern es müsse dringend und drastisch gehandelt werden, und unter diesem Gesichtspunkt sei das nun vorliegende Konzept in den Augen von Abicht und seiner Fraktion nicht ausreichend: "Wir wollen mehr." Und vor diesem Hintergrund appellierte er an die regierende Koalition, notwendige und wichtige Weichenstellungen in Sachen Klimaschutz, die auch in diesem Konzeptpapier enthalten sind, nun zeitnah konsequent voranzutreiben und umzusetzen.

Bürgermeister Klaus Schindling gab zu Bedenken, dass eine Ablehnung des vorliegenden Klimaschutzkonzepts den gesamten Prozess zurückwerfen und eben wieder ein neues "Warten" verursachen würde. Die Verwaltung erhebe damit nicht den Anspruch, ein perfektes Papier entworfen zu haben, sondern vielmehr eine Grundlage für weitere Ergänzungen, Diskussionen und parlamentarische Anträge. Und das Konzept beinhaltet jetzt schon viele Maßnahmen, die in Angriff genommen werden können, während es laufend zu Ergänzungen kommen wird.

Der hauptberufliche Feuerwehrmann Oliver Wiendl (FW) ergänzte noch, dass dieses Klimaschutzkonzept auch Maßnahmen enthalte, durch die die Stadt Hattersheim in Sachen Gefahrenabwehr sehr gut aufgestellt sei.

Norbert Reichert, Vorsitzender der FDP-Fraktion, unterstrich ebenfalls, dass es sich bei diesem Klimaschutzkonzept nicht um einen endgültigen Maßnahmenkatalog handelt, sondern vielmehr um ein Arbeitspapier, das eine Struktur für das weitere Vorgehen liefert und den Startschuss auch zum Finden weiterer konstruktiver Maßnahmen darstellt.

Das Klimaschutzkonzept wurde schließlich mit den Stimmen der Koalition bestehend aus CDU, FDP und FW verabschiedet, bei Nein-Stimmen seitens der SPD-Fraktion und Enthaltung durch Bündnis 90 / Die Grünen.

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