Mit diesen Worten machte der Schulleiter der Heinrich-Böll-Schule in Hattersheim, Karl Hildenbrandt, die Schüler der 12. Klassen (Q2) zu Beginn des Vortrags von Prof. Dr. Gideon Greif darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Erinnerung an diese Verbrechen nicht verblassen zu lassen, auch wenn seit der Zeit zwei Generationen groß geworden und die Täter nicht mehr am Leben sind.
Der Kontakt der Schule zu Prof. Dr. Greif kam über den ehemaligen Schulleiter Klaus Müller zustande, der nun ehrenamtlich die Sektion Südhessen des Vereines „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ koordiniert. Der Verein organisiert Veranstaltungen gegen das Vergessen der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges und in der DDR, bis zu Beginn seiner Amtszeit als Bundespräsident war Joachim Gauck Vorsitzender dieses Vereines.
Prof. Dr. Gideon Greif ist seit 8 Jahren für „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ im Sommer tätig, er bereist Schulen und hält Vorträge in Deutschland. Der aus einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Tel Aviv stammende Gideon Greif hat zwischen 1983 und 2009 im Yad Vashem Holocaust-Museum in Jerusalem gearbeitet und war Dozent an der International School for Holocaust Studies. Seit 2011 lehrt er am Schusterman Center für jüdische Studien in Austin/Texas, er hat sich während seines ganzen wissenschaftlichen Lebens mit der Geschichte des Holocaust beschäftigt.
Prof. Dr. Gideon Greif hielt einen beeindruckenden Vortrag vor – oder eigentlich mit – den Schülern der Heinrich-Böll-Schule: Es hielt ihn nicht am für ihn vorgesehenen Pult, er suchte die persönliche Anrede und Nähe der gebannten Zuhörer. Mit leiser, eindringlicher Stimme erzählte er sachlich von der „Todesfabrik Auschwitz-Birkenau“, bezog die Schüler mit Hilfe der Bilder seines Vortrages mit ein. Er verzichtete auf jeden „reißerischen“ Unterton, ließ die schrecklichen Tatsachen für sich sprechen: Seine Schilderungen, wie arglose Menschen „industriell“ zu Tode gebracht wurden, alle jüdischen Gemeinden bis auf eine einzige in ganz Europa „ausgelöscht“ wurden (die Menschen wurden ermordet), und wie bedacht die Täter dabei waren, keine Beweise zu hinterlassen, beeindruckte seine Zuhörer ohne jegliche zusätzliche „Stilmittel“.
Zeichnungen eines überlebenden Auschwitz-Häftlings brachten eindrucksvoll den Schülern nahe, wie schrecklich die in der Todes-Industrie zum „Arbeiten“ gezwungenen Menschen ihre hilflose Situation zwischen all den Grausamkeiten erlebten: Schwarze Bilder von Leichenbergen, von einem Kommandanten, dessen „Hobby“ es war, lebende jüdische Babies zu verbrennen, haben den Maler und andere in Auschwitz tätige, von denen nur wenige das Glück hatten, nicht als unliebsame Zeugen selbst auch getötet zu werden, sicher ein Leben lang verfolgt.
Auch die später zur Propaganda offiziell aufgenommenen Fotografien von in Auschwitz ankommenden jüdischen Menschen, stehen nur scheinbar im Gegensatz dazu – bei genauerem Hinsehen bemerkt man die Arglosigkeit und Hilflosigkeit der Menschen, man bemerkt, dass man den Frauen die Haare abgeschoren hatte und man weiß nun, dass die meisten dieser Ankömmlinge nach der Aufnahme der Fotos keine vier Stunden mehr zu leben hatten: Ein SS- „Arzt“ sortierte innerhalb von 2 Sekunden diejenigen aus, die stark und jung waren oder besondere Kenntnisse oder Eigenschaften hatten, die von Nutzen sein konnten, das waren nur etwa 5 Prozent der Menschen. Alle anderen – Männer, Frauen, Kinder – mussten sterben. Mit ihren Habseligkeiten wurden manche der in Auschwitz „tätigen“ SS-Männer Millionäre – nicht weil die getöteten Menschen so viel besaßen, sondern weil sie so viele Menschen dort töteten.
„Man kann über Auschwitz 100 Stunden sprechen“, weiß Prof. Dr. Gideon Greif, aber dennoch wäre nicht alles gesagt.
Für die Schüler der HBS war es offensichtlich sehr beeindruckend, solch detaillierte Einblicke in die mörderische Todesmaschinerie der Nazi-Zeit zu bekommen und mit Hilfe der von Prof. Dr. Greif fast behutsam, aber eindringlich dazu gestellten Fragen zu reflektieren – mit Sicherheit ist ihr Bewusstsein dafür, dass solche Grausamkeiten für alle Zeiten verhindert werden müssen, sehr gestärkt worden.
Zum Abschluss des Vortrags empfahl Klaus Müller ihnen (und der Schulbibliothek) zur Vertiefung des Themas das Buch von Prof. Dr. Greif „Wir weinten tränenlos – Augenzeugenberichte der jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz“.
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