Leserbrief Radfahrer, bitte absteigen! Sie kommen in den Main-Taunus-Kreis Von der Fürsorge für Radfahrer in den Niederlanden in die radwegfreie Zone des MTK

Leserbrief

Von der Fürsorge für Radfahrer in den Niederlanden in die radwegfreie Zone des MTK

Es ist schon fast ein Kulturschock nach ein paar Tagen von den Niederlanden zurück nach Deutschland beziehungsweise Hessen zu kommen.

Während man in Holland selbst mit kleinen Kindern über rot markierte Wege sicher und ohne Unterbrechungen von einer Stadt in die andere kommt, ist die Anzahl der ausgewiesenen gut befahrbaren Radwege, insbesondere hier im Main-Taunus-Kreis, überschaubar. In den Niederlanden scheint es Absprachen zwischen den Städten zu geben. Alle Radwege sind zwischen den Kreisen verbunden, so dass selbst kleine Kinder sich dort sicher bewegen können.

Das Schild auf der Autobahnbrücke von Kelsterbach nach Hattersheim könnte die Überschrift zur Konzeptionslosigkeit des Main-Taunus-Kreises für uns Radfahrer sein: „Radfahrer bitte absteigen“. Wie lange dieses Schild schon da steht, kann nur geschätzt werden: 20, 30 Jahre oder länger? Aber ein Schild aufzustellen ist schneller umsetzbar als einen Radweg zu sanieren beziehungsweise ein Radkonzept in die Tat umzusetzen. 40 Jahre sind mindestens mit Diskussionen ins Land gegangen, ohne dass eine nennenswerte Zahl von Radwegen entstanden wäre.

In Holland fahren selbst auf den mehr als drei Meter breiten Rheindämmen Autos; diese sind aber gehalten, auf die Radfahrer Rücksicht zu nehmen und fahren im Schritttempo. Da fährt man per Rad in einer knappen Stunde von Nijmwegen nach Arnheim auf Radwegen, die niemals - wie bei uns - im Nirvana enden. Der Damm des Radwegs R 3 im Main-Taunus–Kreis (Maindamm zwischen Flörsheim und Hattersheim) ist knapp 1,40 Meter breit, so dass insbesondere radfahrende Familien bei Gegenverkehr äußerst gefährdet sind. Radwege zur Überquerung der Zugverbindung Wiesbaden/Frankfurt sind vor zwei Jahren abgerissen worden und ein Umleitungs- oder Hinweisschild ist auch nach zwei Jahren immer noch nicht installiert. Da werden Gespräche mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern geführt, ungehörte Bitten an die Politik gerichtet, doch endlich mit dem Radwegenetz zu beginnen, Hindernisse beziehungsweise Boller auf Radwegen für radelnde Menschen mit Behinderungen abzuräumen - nichts passiert! Mittlerweile fahren zwei weitere Generationen Fahrrad, der Autoverkehr hat sich, insbesondere in der Coronazeit, gefühlt verzehnfacht und der Radverkehr hat - genauso wie die Unfallzahlen - zugenommen. Immer noch werden Kinder- und Erwachsenenfahrräder wie vor vier Jahrzehnten über die Staustufe in Eddersheim gehievt – mit dem E-Bike fast unmöglich. In Holland gibt es dafür Radfähren sowie Fahrradbrücken.

Zwischen Hattersheim und Kriftel, unter der A 66, ist vor zwei Jahren ein älteres Ehepaar im Schlamm vom übergelaufenen Schwarzbach schwer verunglückt. Außer Diskussionen darüber ist nichts passiert. Jederzeit kann dort der Schwarzbach bei Sturzregen erneut über die Ufer gehen. Wie viele Kilometer hätten wir schon, wenn es die Möglichkeit gäbe, das (Steuer-)Geld für die Stunden der Diskussionen in Radwege umzusetzen?

Anders als bei uns gilt in den Niederlanden die besondere Rücksicht den schwächeren Verkehrsteilnehmern. Das sind dort politische Ansagen, die den Touristen in den Hotels spätestens beim Bezug ihrer Zimmer in den Hotels ans Herz gelegt werden. An Radfahrern darf man selbst auf Landstraßen nur vorbeifahren, wenn kein Gegenverkehr kommt. Damit Radwege in das Verkehrsnetz integriert werden konnten, sind die Fahrwege enger gestaltet worden. In die Landstraßen sind Poller eingebaut, damit potentielle Raser nicht auf die Idee kommen, ihren Motor hoch zu heizen. Die Radwege sind breit und durch die rote Farbe gut sichtbar, dass Unfälle vermieden werden. Die Polizei bewegt sich in den Städten überwiegend auf Fahrrädern und kann sich direkt für die Schwächeren einsetzen.

Es fällt bereits wenige Tage nach Rückkehr schwer, sich auf Schotter „gepolsterten“ Wegen, wie zum Beispiel am Kastengrund, mit dem Fahrrad zu bewegen. Was bewegt die Verwaltung, Wege derart fahrradfeindlich zu gestalten? Geht sie davon aus, dass Radfahrer dort nach ihrem ersten Sturz keine Radwege mehr brauchen? Die Reifen rutschen weg und man muss langsam fahren beziehungsweise besser absteigen. Vor allem die Kinder sind bei Stürzen äußerst gefährdet, bleibende Schäden davonzutragen.

Im Rhein-Main-Gebiet in den Städten Wiesbaden sowie Frankfurt findet neben heftigen Diskussionen die Umsetzung eines Radwegekonzepts endlich statt. Ein Anfang zum Bau echter Radwege ist tatsächlich erkennbar, aber die Anschlüsse in einem der reichsten Kreise Deutschlands, im Main-Taunus-Kreis, enden im Nirvana.

Die Forderung lautet: Statt Radfahrevents, Stadtradeln muss endlich eine Verkehrswende kommen, die Fahrräder als gleichberechtigtes Verkehrsmittel betrachtet und ihm den dafür notwendigen, sicheren Raum gibt!

Birgit Oertel (SPD OV Hattersheim, ADFC Hattersheim),

Volker Igstadt (SPD OV Hattersheim, ADFC Hattersheim)

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