Leserbrief Neubau Grundschule Hattersheim: Anmerkungen der Anwohner

Zu „Drei große Projekte“, Hattersheimer Stadtanzeiger Nr. 03 vom 16. Januar

Als direkt betroffene Anwohnerin des Neubauprojektes „Dritte Grundschule“ möchte ich doch gerne ein paar Dinge ins korrekte Licht rücken!

Zuvorderst bezeichnet Bürgermeister Schindling ein Bauleitverfahren selbst stets als ur-demokratischen Akt. Im Rahmen dieses Verfahrens nutzen wir Betroffene nun schlicht die uns vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten rechtlichen Mittel. Innerhalb dieses Prozesses sieht die Normenkontrollklage die Möglichkeit vor, sich bspw. gegen Behördenwillkür mit den Mitteln des Rechtsstaats zur Wehr zu setzen.

Wir Anwohner haben bereits sehr früh das Gespräch mit Bürgermeister Schindling und Landrat Cyriax gesucht und mehrfach konstruktive Vorschläge eingebracht.

Unter anderem war es auch unser Wunsch, den Pausenhof zu unseren Gärten auszurichten, um die Schulgebäude auf die entgegengesetzte Seite des Grundstücks zu bringen, damit der direkte Blick vom Klassenzimmer in unsere Gärten bzw. Wohnzimmer nicht gestört hätte. Dies hätten wir sogar grundbuchrechtlich festhalten lassen!

Es gab hierzu allerdings seitens der Verantwortlichen immer nur Absagen und Bedenken. Die nach der Planung nun 365 Tage im Jahr fast in unseren Gärten stehenden Schulgebäude sollten als Lärmriegel dienen, damit wir keine Klagemöglichkeit gegen den Schulhof haben. Dass uns dieser „Lärm“ an lediglich 200 Tagen p.a. zu fixen Uhrzeiten lieber gewesen wäre als dauerhafter Schatten, wurde ignoriert.

Man hatte offenbar gar kein Interesse an einer größeren Änderung der Planungen. Allerdings wird sowohl von Herr Schindling als auch von Landrat Cyriax immer wieder fälschlicherweise behauptet, man wäre uns entgegengekommen.

Die allerersten Planungs-Unterlagen sind insgesamt noch immer weitestgehend identisch mit den aktuellen Plänen. Wer hier von „Entgegenkommen“ spricht, lügt! Dies ist übrigens alles öffentlich einsehbar.

Die vom Bürgermeister als befriedene Maßnahme angepriesene neue Zufahrtsstrasse hat mit Lärmschutz, Anwohnerentgegenkommen o.ä. überhaupt nichts zu tun! Sie ist schlicht notwendig geworden, da die Planer irgendwann feststellen mussten, dass das von ihnen gewählte Grundstück gar nicht verkehrlich erschlossen war. Die zum Planungsstart erdachte Erschließung durch die Spindelstraße war baurechtlich schon unmöglich, da diese Strasse z.B. als Rettungsweg für Feuerwehr etc. ungeeignet ist - dies hätte man allerdings zu diesem Zeitpunkt der Planung in den betreffenden Ämtern bereits wissen können.

Herr Schindling hat offensichtlich dieses Grundstück „ausgewählt", weil es für keinerlei andere Bebauung zur Verfügung gestanden hätte - weder Rechenzentren noch Wohnbebauung wären hier möglich gewesen.

Insofern blieb uns nach dem Satzungsbeschluss nichts weiter übrig, als die uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zu nutzen, um unsere Interessen zu schützen.

Die Juristen der Stadt Hattersheim mögen eine für das Bauprojekt positive Einschätzung haben, diese teilen andere Juristen jedoch nicht. Es gilt: Vor Gericht und auf hoher See...

Das erste von der Stadt beauftragte Verschattungsgutachten führte übrigens genau zu dem von Herrn Schindling als „Entgegenkommen“ bezeichneten Abrücken der Gebäudekörper von der bisherigen Baugrenze – das war jedoch kein Entgegenkommen, sondern wurde schlicht notwendig, um die Unzumutbarkeit der Verschattung unserer Wohngebäude zu verringern und die Planungen insgesamt auf zwar recht fragwürdige, aber durch das zweite Verschattungsgutachten als „hinnehmbar" bezeichnete Grenzwerte zu bringen.

Auch hier ist wegen der zu kleinen Gesamtfläche des Grundstücks bereits die maximal mögliche Weite des Abrückens ausgereizt und trotzdem sind die Grenzwerte der Verschattung nach wie vor kritisch, zum Teil deutlich unzumutbar - aber vom Gutachter der Stadt natürlich sehr großzügig ausgelegt. Genau dieses Thema wird jetzt vom Verwaltungsgericht in Kassel geprüft.

Uns Betroffenen nun vorzuwerfen, wir würden uns dem Gemeinwohl entgegenstellen und gleichzeitig zu behaupten, man wäre uns entgegengekommen, ist eine Unverschämtheit!

Wenn der Bürgermeister, in Personalunion Vorsitzender der German Data Center Association, nahezu alle alternativen Flächen für Rechenzentren zur Verfügung stellt, ist es natürlich so, dass letztendlich ein schlechter Kompromiss die einzige Lösung für das von ihm so gepriesene und herausgestellte Gemeinwohl ist! Und dies zufälligerweise auf einer Fläche, die keine andere Nutzung zulässt. Dieser offensichtliche Interessenkonflikt hat mehr als einen Geschmack.

Uns stellt sich auch die Frage, warum bei einem seit Jahren so massiv wachsenden Wohnungsbau in Hattersheim erst so spät an eine neue Grundschule gedacht wurde und diese nicht mit in die überplanten Wohnbauflächen integriert wurde.

Wir waren nie gegen eine Schule, jedoch gegen eine völlig absurde Planung auf einem viel zu kleinen Grundstück, das einfach keine mit der Nachbarschaft verträgliche Bebauung zulässt. Und wir haben frühzeitig darauf hingewiesen, dass hier etwas stadtplanerisch schief läuft.

Über die Abwertung unserer Immobilien, den Wertverlust unserer Altersvorsorge und zusätzlich den Wegfall jedweder Privatsphäre wird leider nicht in allen Printmedien wirklich ausgewogen berichtet.

Vielleicht kann Herr Schindling jetzt auch nicht mehr zurück, denn alle anderen Flächen, auf denen ein Schulneubau sinnvoll gewesen wäre, sind ja nun bereits mit Rechenzentren oder lukrativer Wohnbebauung durch Investoren belegt.

Nachdem Landrat Cyriax im Sommer 2023 nach einem Gespräch mit uns Anwohnern tatsächlich bereit war, auf eine Fläche nördlich der Bahn auszuweichen, wurde es im Hattersheimer Rathaus plötzlich ganz still. Eine dieser nördlichen Flächen, die ja grundsätzlich für den Schulbau gedacht gewesen wäre, z.B. die, auf der nun das Gewerbegebiet Nord mit einem weiteren Rechenzentrum entsteht, hätte der Bürgermeister dem Kreis dann zur Verfügung stellen müssen, was er (Schindling) vermutlich auch zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr konnte oder wollte, da er andere Pläne verfolgt hat.

Fun-Fact für eine der vielen Verzögerungen ist übrigens auch, dass die Stadt nach der Änderung der Baugrenzen durch das Abrücken die gesamten relevanten Planungs-Unterlagen erneut hätte öffentlich auslegen müssen, wie es die Regularien des Bauleitverfahrens vorsehen und die im Rathaus hinlänglich bekannt sein sollten. Dies ist bislang allerdings noch nicht geschehen und ist ein wirklich peinlicher Verfahrensfehler, den wir zu gegebener Zeit rügen werden und der im weiteren Verlauf Stadt und Kreis zusätzlich Zeit kosten kann.

Auch hier nutzen wir lediglich die Möglichkeiten des Rechtsstaats - die Projekt-Verzögerer sitzen (auch) im Posthof, nicht im Südring!



Anja Riedel, Hattersheim

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