Wenn Bürgermeister Christian Seitz von etwas sehr begeistert ist, dann zitiert er gerne seinen Vorgänger Paul Dünte: „Wenn es das nicht schon gäbe, dann müsste man es erfinden.“ Seine Begeisterung galt am letzten Freitag der mobilen Beratung, die zur Feier des 30-jährigen Jubiläums in das Freizeithaus in Kriftel eingeladen hatte. „Wir müssen uns selbst als Gemeinde beglückwünschen“, waren Seitz‘ Worte, die er an die über 40 Gäste richtete. In den vergangenen 30 Jahren wurde sehr viel für die Jugendlichen erreicht in Zusammenarbeit mit vielen Institutionen, wie beispielsweise dem Vereinsring oder der Vereinigung Krifteler Selbständiger. Er sei sehr froh, dass es eine „Spaltung der Gesellschaft“, über die man heute so viel liest und die dazu führt, dass man nicht mehr miteinander sprechen kann, in Kriftel nicht gäbe, versicherte Seitz. Er erinnerte an die Eröffnung des Freizeithauses im Jahr 2008 und die Gründung des Familienzentrums 2014. Auch mit dem Jugendforum, das es in Kriftel seit 2023 gibt, sei er sehr glücklich. Seitz dankte allen Ehrenamtlichen, den Honorarkräften, der Leiterin der mobilen Beratung Lydia Rauh, der Leiterin des Freizeithauses Michelle Müller und dem Träger, dem Verein Jugendberatung und Jugendhilfe e.V. Natürlich blieb auch Dr. Wolfgang Mazur nicht ohne dankende Erwähnung. Er war derjenige, der die mobile Beratung im Auftrag der Gemeinde mit einer halben Stelle begonnen hatte.
Als Anerkennung und Geschenk zum Jubiläum hatte Christian Seitz einen Spendenscheck über 1.000 Euro von der Bürgerstiftung Kriftel mitgebracht, der freudig von Lydia Rauh entgegengenommen wurde.
Erfolgreiche Leitung der mobilen Beratung
Lydia Rauh dankte in Ihrer Rede ebenfalls allen Unterstützern, Wegbereitern und Begleitern der mobilen Beratung. Sie freute sich, dass so viele Gäste am Freitag in das Freizeithaus gekommen waren, Gemeindevertreter, Mitarbeitende der Verwaltung, der Bürgermeister, Franz Jirasek, Dr. Christoph Richter, Schulleiter der Weingartenschule, Stephan Hirsch, Geschäftsführer der Jugendberatung und Jugendhilfe und weiter viele jahrelange Unterstützer, Unterstützerinnen, Kooperationspartner und -partnerinnen. „Ein dickes Lob an Kriftel“, waren ihre Worte. Sehr viele Ehrenamtliche unterstützen hier jedes Jahr für sechs Wochen die Ferienspiele und auch ihre Lieblingsveranstaltung, die Spiele im Park.
Gerne erinnerte Rauh die Zuhörer an den Beginn der mobilen Beratung im Jahr 1994 und schilderte die Entwicklung, die seitdem stattgefunden hat. Gegründet wurde die mobile Beratung als Angebot und Anlaufstelle für suchtmittelkonsumierende Menschen. Betroffene mit Sucht- oder Drogenproblemen aus Kriftel werden beraten und betreut. Hierzu gibt es auch heute noch ein Beratungsbüro, das einen geschützten Kommunikationsraum bietet. Kontakte zu Ärzten oder Kinderärzten werden hergestellt.
Die Präventionsarbeit durch die Aufklärung der Kinder und Jugendlichen spielt eine sehr große Rolle bei der mobilen Beratung. Eine Möglichkeit zur Vorbeugung von Problemen ist es, die Kinder und Jugendlichen aktiv bei der Freizeitgestaltung zu fördern und ihnen Raum und Möglichkeiten zu einer sinnbringenden Beschäftigung zu geben. So hat der frühere Jugendkeller LaEckFraRoss (der Name stammt von der Lage Ecke Frankfurter Straße / Rossertstraße) vielen Jugendlichen als Anlaufstelle gedient. 2008 zog man dann in das Freizeithaus. Dank der vielen Unterstützer könne man auch viele Angebote außerhalb des Freizeithauses verwirklichen, so Rauh. Bei den unterschiedlichen Aktivitäten käme man gut mit den jungen Menschen ins Gespräch und könne beratend zur Seite stehen. Der Fokus der Arbeit liegt darauf, die Jugendlichen, aber auch ihre Angehörigen, so zu unterstützen, dass sie ihre Probleme selbstständig lösen können. Durch diese Gespräche und suchtpräventive Projekte könne man ein bewusstes, gesundheitsförderndes Verhalten anregen.
Auch Kontakte im öffentlichen Raum werden von den Mitarbeiterinnen der mobilen Beratung bei der sogenannten offenen oder aufsuchenden Kinder- und Jugendarbeit geknüpft. In Kriftel werden die Jugendlichen beispielsweise im Freizeitpark angesprochen.
Eine weitere wichtige Aufgabe, die ebenfalls der Verein Jugendberatung und Jugendhilfe e.V. als fachlicher Träger übernommen hat, ist das Familienzentrum Kriftel, das es seit zehn Jahren gibt. Hier arbeiten neun Kooperationspartner (einer davon ist die mobile Beratung) mit zahlreichen Netzwerkpartnern zusammen, um Angebote für Familien, Senioren, Migranten und Bürger zu bündeln und zu koordinieren. Die Säulen sind Bildungsangebote (Schulungen, Kurse), Beratung, Betreuung (Spiel- oder Kindergruppen) und Begegnungen bei Treffen. Ein Beispiel zu letzterem Punkt sind die in den Wintermonaten im Freizeithaus stattfindenden Familienspiele, die mit dem Spiel-Punkt Kriftel organisiert werden.
Nicht unerwähnt in ihrem Rückblick ließ Lydia Rauh das Jugendforum, bei dem im letzten Jahr bei acht Treffen jeweils etwa 15 Jugendliche zusammenkamen. Michelle Müller übernahm die pädagogische Betreuung des Jugendforums wofür Rauh ihr und dem „Gegenpart in der Gemeinde“, Pasquale Fiore, herzlich dankte.
Dass die Aktivitäten der mobilen Beratung in Hessen einen Nutzen bringen, lässt sich durch statistische Zahlen belegen. Rauh zitierte eine Studie, die sagt, dass 78 Prozent der Jugendlichen, die regelmäßig Treffen besuchen, ihre sozialen Kompetenzen verstärken konnten. 68 Prozent entwickelten neue Interessen. Viele Befragte äußerten sich, dass sie sich besser in die Gesellschaft integriert fühlten, das gilt besonders für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Als die wesentliche Aufgabe der mobilen Beratung sieht sie, den Jugendlichen eine Stimme zu verschaffen, sie sichtbar zu machen und ihnen damit Halt in der Gesellschaft zu geben. Für die Zukunft sieht sie die Arbeit in Kriftel gut aufgestellt, da viele Angebote hier fest verankert sind.
Das Freizeithaus
Die Leiterin des Freizeithauses, Michelle Müller, führte nach dem offiziellen Teil der Feier eine Gruppe von Interessierten durch die Räume. Im zentralen, großen Raum waren am letzten Freitag Stühle für die Besucher aufgestellt. Hier finden im Alltag viele Aktivitäten statt. In der Chillout-Ecke können sich die Kinder und Jugendlichen auf bequemen Sofas entspannen und miteinander kommunizieren. Weiter gibt es hier einen Tischkicker, Billard, Air Hockey und Tischtennis. Aber auch Gesellschaftsspiele oder Spiele auf einer Play Station sind möglich. Morgens von 7.30 bis 15 Uhr steht das Freizeithaus den Schülerinnen und Schülern der Weingartenschule zur Verfügung. In dieser Zeit trifft man durchgängig eine Sozialarbeiterin und weitere Betreuungskräfte an. Für alle Kinder und Jugendliche ist das Freizeithaus ab 15 Uhr geöffnet. Die Zahl der jungen Menschen, die vorbeikommen ist unterschiedlich. „Für einige ist der große Raum im Freizeithaus wie ein zweites Wohnzimmer“, bemerkt Michelle Müller.
Die gut ausgestattete Küche wird zum gemeinsamen Kochen und Backen genutzt. „Manchmal bringen die jungen Menschen sich eine Tütensuppe mit, die sie sich zubereiten“, berichtet Michelle Müller. Weiter erzählt sie, dass man oft beim gemeinsamen Backen oder Kochen ins Gespräch komme. Sie betont, dass alle angebotenen Aktivitäten freiwillig seien. „Wenn jemand keine Lust hat teilzunehmen, so ist das absolut in Ordnung.“ Weiter geht die Führung in der Computerraum. Hier stehen mehrere Computer, die den Internetanschluss der Weingartenschule nutzen. „Natürlich wird hier auch mal im Internet gesurft, aber viele nutzen die Computer beispielsweise für das Verfassen eines Lebenslaufs oder einer Bewerbung, wobei wir unterstützen, wenn es gewünscht wird“, erklärt Müller. Viele Jugendliche hätten daheim keinen Drucker, so sei es ein gutes Angebot, diesen zur Verfügung zu stellen. Weiter gehört zum Freizeithaus ein Fitnessraum. Hier sei vorher eine Werkstatt gewesen, die aber nicht gut angenommen wurde. Der Raum mit den Fitnessgeräten allerdings fände großen Zuspruch, nicht nur zur sportlichen Betätigung, sondern auch, um sich einmal zurückzuziehen.
Insgesamt sei das Verhältnis Mädchen zu Jungen bei den Besuchern des Freizeithauses ausgeglichen. Besonders die einmal im Monat stattfindenden „Mädchentage“ hätten zu einer Anhebung der Zahl der Mädchen geführt. Das Alter der Besucher sei etwa zwischen 11 und 15 Jahren. Meistens würden Weingartenschüler das Freizeithaus nutzen, seltener Lindenschüler.
Beim Rundgang mit Michelle Müller entstanden lebhafte Diskussionen. Rainer Riedner, BGM (Betriebliches Gesundheitsmanagement)-Berater und Mitglied des VKS Kriftel, berichtete, dass viele Arbeitnehmer gestresst seien, weil sie nicht sehen, was aus ihrer Arbeit herauskäme. Deswegen denkt er, dass es wichtig sei, Erfolgserlebnisse bei den Besuchern des Freizeithauses zu generieren. Beispielsweise könne man ein Regal gemeinsam zusammenbauen und stolz auf das Ergebnis sein. Vielleicht wäre es eine gute Idee, für solche Aktivitäten einmal auf die Schreiner oder Gärtner in Kriftel zuzugehen. Durch diese Diskussion sieht man, dass in Kriftel die Ideen nicht ausgehen und ständig neue Projektvorschläge auftauchen.
Am späten Nachmittag gab es für alle Besucher der Jubiläumsveranstaltung Burger oder Wraps, die an einem Imbisswagen angeboten wurden. Bei dem warmen Wetter konnte man draußen an den bereitgestellten Tischen sitzen. Dass man schnell ins Gespräch kam, dafür hatte Charly Braun gesorgt. Er hatte auf den Tischen einige Knobelspiele verteilt. Gemeinsam versuchten die Gäste, die trickreichen Aufgaben zu lösen.