Erinnern ist das Gebot der Stunde

Volkstrauertag am vergangenen Sonntag: Gedenkfeier auf dem Friedhof der Gemeinde Kriftel

Bürgermeister Christian Seitz und der Erste Beigeordnete Franz Jirasek bei der Kranzniederlegung.

Erst ein paar Tage zuvor hatte sich unsere Nation ein bedeutungsschweres Datum kollektiv vor Augen geführt: den 9. November. Dieser Tag markierte in der deutschen Geschichte gleich dreimal einen epochalen Wendepunkt: Ausruf der ersten Deutschen Republik 1918, Novemberpogrom 1938 und der Fall der Berliner Mauer 1989. Und vor fast genau hundert Jahren wurde der Volkstrauertag eingeführt. Zunächst als Gedenktag für die Kriegstoten des Erstens Weltkriegs. Die Nazis erhöhten den Tag ideologisch als „Heldengedenktag“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde 1952 daraus ein „Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und die Toten beider Weltkriege“. Das passte nach all den leidvollen Kriegserfahrungen einfach besser.

Erinnern, um nicht zu vergessen

Die NS-Diktatur läge zwar lange zurück, betonte Bürgermeister Christian Seitz in seiner eindrücklichen Rede zum Volkstrauertag, doch ihre Schatten reichten bis heute. Deswegen müsse man sich erinnern, um nicht zu vergessen. Genau das wollten am Sonntag wieder viele Menschen vor dem Ehrenmal auf dem Krifteler Friedhof. Würdevoll, wie jedes Jahr, wurde an diesem besonderen Tag mit angemessenen Gedichten, Liedern und feierlichen Ansprachen dem Anlass gebührender Respekt erwiesen.

Die andächtige Stimmung trug dazu bei, dass sich die zahlreich erschienene Zuhörerschaft - darunter Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, des DRK-Ortsverbands und Vertreter der DLRG - zum Nachdenken über die Schrecken des Krieges und die Bewahrung des Friedens anregen ließ. „Die Zeit lindert den Schmerz, aber sie heilt nicht alle Wunden“, neue, frische kämen immer wieder hinzu, mahnte Seitz mit dem Hinweis auf die aktuellen Flüchtlingsströme an der polnisch-belarussischen Grenze. „Der Volkstrauertag fragt danach, welche Schlüsse sich aus der Vergangenheit ziehen lassen, wo wir heute stehen und was uns morgen wichtig ist.“

Sich der Geschichte stellen

Der Volkstrauertag war, ist und bleibe in seiner Bedeutung ein Tag der Trauer um die menschlichen Verluste der Kriege. Und weise darüber hinaus, sinnierte Bürgermeister Seitz. Warum? Weil er uns in diesen Zeiten vor Augen führe, wohin Hetze, Hass und kriegerische Auseinandersetzung überall in der Welt führen. Sich der Geschichte stellen und damit in die Gegenwart schauen, sei das Gebot der Stunde. Zwar lägen die meisten bewaffneten Konflikte weit von uns entfernt, „doch wir sind längst in einige dieser fernen Konflikte involviert“, konstatierte der Bürgermeister. Damit ging er auf die lange Zeit der Kriegseinsätze „unserer Soldaten“ ein. Über dreißig Jahre, länger als beide Weltkriege zusammen, hätten deutsche Soldatinnen und Soldaten ihr Leben riskiert und „das ist im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent“, kritisierte Seitz in seiner Rede. „Wir sind ihnen Dank und Anerkennung schuldig, gerade weil einige verletzt und traumatisiert nach Hause gekommen sind“. Konrad Adenauers Zitat „Frieden und Freiheit, das sind die Grundlagen jeder menschenwürdigen Existenz“ stand am Anfang und Ende der nachdenklich stimmenden Ansprache von Christian Seitz.

Sensibel begleitet

Musikalisch eingerahmt wurde das gemeinsame Gedenken von der Kapelle Stüben. Die Einlagen des Gesangsvereins Liederkranz mussten pandemiebedingt ausfallen. Pandemiebedingt waren diesmal auch die Vertreter der Partnerstädte nicht vertreten. Dafür war Katja Gorol, Künstlerin aus dem „Showspielhaus“, die musikalische Stimme des Tages. Sie intonierte gefühlvoll Lieder wie „Halleluja“ von Leonard Cohen in einer deutschen Version und „Einmal sehen wir uns wieder“ von Rudolf Maluck. Ave Maria mit einem selbst erdachten Text. Emotional deklamierten die Weingartenschülerinnen Johanna Weidner, Ellaine Feuerbach und Mariella-Valentina Attardo die Gedichte „Krieg“ und „Zum Volkstrauertag“. Die vom Herbstwind lautlos von den Bäumen wehenden Blätter bildeten dazu das passende Szenario.

Freiheit erhalten

Passend auch das „Totengedenken“, vorgetragen von dem Ersten Beigeordneten Franz Jirasek, welches auch die gefallenen Bundeswehrsoldaten und andere Hilfskräfte im Auslandseinsatz nicht unerwähnt ließ. Nach seinem feierlichen Beitrag, der darüber hinaus die Opfer des Terrorismus, des Rassismus und des Antisemitismus und eine Mahnung an die Lebenden, ein friedliches Miteinander zu fördern, mit einschloss, wurde es still unter den Anwesenden.

Bei der gebotenen Ruhe der Kranzniederlegung konnte jeder die wohlgesetzten Worte von Christian Seitz Revue passieren lassen. „Gerade wir wissen aus unserer Geschichte sehr genau, dass Freiheit und Demokratie nicht von allein entstehen und erhalten bleiben“, mahnte Seitz eindringlich. Es brauche Menschen, die sie erkämpfen und bewahren, sie schützen und stärken.

Eine schöne, ernste, dem Anlass und unserer Zeit angemessene Veranstaltung.

Rezitatorin Mariella aus der G10b der Weingartenschule war zum ersten Mal auf einer solchen Feier. Ihre Bilanz: „Es ist besser, vor dem Krieg nachzudenken und nicht danach, damit es erst gar nicht dazu kommt.“ Und ihre Mitschülerin Ellaine ergänzt: „Die Stimmung war sehr eindrucksvoll, das hat mich bewegt und sehr berührt.“ Bei dem Lied „Halleluja“ habe sie eine Gänsehaut gehabt.

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X