Es ist vollbracht: Die Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (Gewobau), Franz Jirasek und Harald Treber, haben den Vertrag für den Bau von 48 Sozialwohnungen an der Raiffeisenstraße am 28. Januar mit dem Generalunternehmer AH-Aktivhaus aus Stuttgart rechtsverbindlich abgeschlossen. Grund genug für alle am Projekt Beteiligten, sich am Mittwoch zuerst im Krifteler Rat- und Bürgerhaus im Rahmen einer Pressekonferenz und im Anschluss vor Ort auf dem Baugelände zu treffen. Vom AKS Architekturbüro Klose + Sticher aus Bad Homburg kamen Hubertus Klose, Christina Klose und Corinna Sticher nach Kriftel, ebenso wie Hubert Nopper von der AH Aktiv-Haus GmbH (Stuttgart) und Klaus Mayer vom Bauunternehmen Wollf & Müller. Gemeinsam mit Franz Jirasek, Harald Treber und Bürgermeister Christian Seitz konnten sie auf den endgültigen Startschuss für das besondere Modellprojekt anstoßen.
Auf dem Areal an der Raiffeisenstraße, hinter der Kita St. Elisabeth, sollen vier Wohngebäude in einer drei- bis viergeschossigen Bauweise mit 48 Wohneinheiten auf 3.611 Quadratmetern Wohnfläche errichtet werden. Die Lage am Ortseingang von Kriftel sorgt für eine gute Anbindung an die A 66 und die unverbaute Sicht auf die hiesigen Obstwiesen. Ab Herbst 2023 sollen dann die dortigen neuen Ein- bis Fünfzimmerwohnungen von Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen bezogen werden.
Als einen "Meilenstein in der Geschichte Kriftels", bezeichnete Franz Jirasek das ambitionierte Bauprojekt - das größte, das die Gewobau in ihrer 50-jährigen Geschichte bislang gestemmt hat.. Gerade dank der innovativen Holzmodul-Bauweise gelte das Projekt als beispielgebend.
Innovativ und vorbildlich
Die Gewobau Kriftel möchte mit diesem Bauvorhaben im Bereich des geförderten Wohnungsbaus ein Pilotprojekt in der Region starten, welches vorbildhaft für nachfolgende Projekte sein soll. Jirasek zeigte sich sehr erfreut darüber, dass es gelungen sei, bei diesem Projekt drei Partner zusammenzubringen, die gleichermaßen "für die Idee der Nachhaltigkeit brennen". Man arbeite bereits von Beginn an vertrauensvoll zusammen, so der Geschäftsführer und Erste Beigeordnete der Gemeinde, und man wolle zeigen, dass sozialer Wohnungsbau auch in nachhaltiger Form möglich sei. Dies erfordere einiges an Mut - gerade auch in einer Zeit, in der die Rohstoffpreise explodieren und es am Bau immer wieder zu Materialengpässen komme.
Alle am Projekt Raiffeisenstraße Beteiligten sind vom Rohstoff Holz überzeugt: "Er ist natürlich nachwachsend, ressourcenschonend und hat eine sehr gute CO2-Bilanz. Eine weitere positive Auswirkung für die Bewohner hat Holz auf die Gesundheit und das Raumklima", so Geschäftsführer Hubert Nopper von der AH Aktiv Haus GmbH.
Neben den Aspekten der Nachhaltigkeit genossen während der gesamten Planungsphase stets auch die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner höchste Priorität. Ziel sei es, eine möglichst hohe Wohnqualität über alle Lebensphasen für unterschiedliche Nutzer zu ermöglichen - mit flexiblen, gut möblierbaren und lichtdurchfluteten Wohnungsgrundrissen. Ein zur Begegnung einladender zentraler Platz und eine attraktive Gestaltung des Außenraumes fördern die Identifikation der Bewohner mit ihrem Quartier, unterstrich Christina Klose vom Architekturbüro Klose + Sticher.
Triple Zero Prinzip
Bei der Projektplanung habe man von Anfang an den Fokus auf Nachhaltigkeit und klimaschonendes Bauen gelegen, so Franz Jirasek. Die hier zum Einsatz kommende Elementbauweise nach einer Holz-Vorfertigung sei ökologisch, nachhaltig und gesund. Die Holzbauweise spare Zeit und damit auch Geld, wenngleich der Holzbau rund zehn Prozent teurer sei als konventionell errichtete Gebäude, so Jirasek. Dafür sinke jedoch durch den hohen Energiestandard die monatliche Belastung für die Mieter deutlich.
Entwickelt wurde das sogenannte Aktivhaus von Prof. Dr. Werner Sobek, seines Zeichens Architekt und Bauingenieur und Gründer der AH Aktiv Haus GmbH. Als konzeptionelle Grundlage und Philosophie dient das von ihm selbst entwickelte
"Triple Zero Prinzip": Null Energie, null Emission und null Abfall. Prof. Dr. Werner Sobek ist davon überzeugt, dass man angesichts der zur Neige gehenden Rohstoffe und der Folgen des Klimawandels nicht mehr so bauen könne und dürfe wie bisher: "Unsere Häuser müssen wesentlich leichter werden als bislang. Sie müssen weniger Ressourcen verbrauchen, langfristig haltbar sein, aber natürlich auch vollständig recycelbar sein. Und sie dürfen keine CO2-Emissionen mehr erzeugen."
So kommt es, dass das Aktivhaus nicht mehr Energie verbraucht, als es im Jahresdurchschnitt selbst aus nachhaltigen Quellen erzeugt; es erzeugt keine CO2-Emissonen (und sendet auch keine anderen schädlichen Stoffe an die Umwelt) und das Gebäude selbst ist vollständig in natürliche oder technische Kreislaufe rückführbar.
Die Stromversorgung der Wohngebäude wird über Photovoltaikanlagen auf den begrünten Flachdächern erfolgen. Geheizt werden sie über zwei effiziente Luft-Wärmepumpenanlagen. Deren Außeneinheiten stehen allesam auf dem Dach eines der vier Wohngebäude. Eine Lärmbelästigung findet jedoch nicht statt, da die Geräte in alle Richtungen mindestens zehn Meter von der nächsten Terrasse entfernt sind, erläuterte die Architektin Corinna Sticher.
Die Regenwasserentwässerung erfolgt über Versickerung auf dem eigenen Grundstück beziehungsweise über Zisternen für eine Regenwasserbewirtschaftung. Lademöglichkeiten für E-Autos und E-Fahrräder werden vorgesehen. Im Keller wird ein Stromspeicher stehen. Alle Wohnungen sind barrierefrei.
Schlaflose Nächte nach dem Förderstopp
Das Auftragsvolumen für die schlüsselfertige Errichtung einschließlich Herstellung der Außenanlagen und Parkplätze beläuft sich auf 14,87 Millionen Euro. Die Gesamtkosten für das Projekt, inklusive Ingenieur- und Architektenkosten sowie der Kosten für das Grundstück, betragen rund 17,5 Millionen Euro.
6,5 Millionen Euro davon sollen über ein Bankdarlehen finanziert werden, 6,7 Millionen Euro über ein öffentliches zinsloses Darlehen. Der Grunderwerb erfolgte aus Eigenmitteln. Zusätzlich rechnet die Gewobau mit Zuschüssen von Land und Bund in Höhe von insgesamt 3,6 Millionen Euro - der Erste Beigeordnete Franz Jirasek erinnerte am Mittwoch noch einmal an die "schlaflosen Nächte" Ende Januar, die man auf Seiten der Entscheidungsträger nach der Verkündung des KfW-Förderstopps am 24. Januar durchleiden musste. Im Nachhinein zum Glück umsonst: Der Förderstopp wurde in der ursprünglichen Fassung doch noch einmal gestoppt. Anträge, die bis zum 24. Januar eingereicht worden sind, werden noch erwartungsgemäß ganz normal bearbeitet und im Normalfall auch bewilligt. Diese Hürde nahm man in Kriftel locker: Der Förderantrag wurde sogar bereits im Dezember 2021 abgeschickt.
Gemeinsam gegen Barrieren
Die Wohnungswirtschaft der Gemeinde Kriftel erstreckt sich momentan über 264 Wohnungen im Eigentum beziehungsweise Belegungsrecht. Bereits auf diese Anzahl konnte die Gemeinde schon stolz sein, so Bürgermeister Seitz am Mittwoch. Hierzu gesellen sich nun die 48 neuen Wohnungen an der Raiffeisenstraße. Diese über 300 Sozialwohnungen bei etwa 11.000 Einwohnern erachtet Seitz als "sehr beachtlichen Wohnungsbestand", und gegebenenfalls wird sich deren Anzahl durch die Bebauung des "Krifteler Wäldchens" noch weiter erhöhen, stellte der Rathauschef in Aussicht.
Seitz verwies im Zusammenhang mit dem Bauprojekt Raiffeisenstraße auch auf zwei "Megathemen": Zum einen der Wohnungsbau, insbesondere im Ballungsraum Rhein-Main-Gebiet, wo es gerade auch an günstigem Wohnraum mangele. Es sei eine große Herausforderung angesichts der hiesigen Bodenpreise und der Knappheit der Flächen, gerade hier ein solches Projekt auf die Beine zu stellen. Zum anderen ist die Nachhaltigkeit in aller Munde: "Auch das versuchen wir mit diesem Projekt zu berücksichtigen", so Seitz. Die Schaffung einer recht großen Anzahl neuer, günstiger Wohnungen werde hier mit einer innovativen und nachhaltigen Bauweise verknüpft.
Derartige "Megathemen" zeichnen sich leider aber auch häufig dadurch aus, dass sie lautstark aus allen Richtungen gefordert werden - die tatsächliche Umsetzung hingegen gestaltet sich dann oft schwierig, und das könne man laut Seitz auch am hier vorliegenden Projekt sehen. Hätten nicht alle Beteiligten den unbedingten Willen zur erfolgreichen Umsetzung dieses besonderen Vorhabens an den Tag gelegt, "dann hätte das auch nicht geklappt", stellte Seitz fest. Von diversen komplizierten Genehmigungen über den Brandschutz bis hin zum KfW-Förderstopp: Überall laufe man gegen Barrieren, und gerade das, was eigentlich alle wollen, stellt sich dann in der Umsetzung als besonders schwierig heraus. . Umso schöner sei es nun, dass man es hier gemeinschaftlich geschafft hat, das Wohnprojekt auf den Weg zu bringen, zeigte sich Bürgermeister Seitz abschließend erfreut.
Bezug im Herbst 2023 geplant
Zurzeit wird der Bebauungsplan "Vorm Zeilsberg" zum Abschluss gebracht. In der nächsten Sitzung der Gemeindevertretung am 3. März wird über die Offenlage entschieden. Die Rechtskraft des Bebauungsplanes und der Baugenehmigung werden im Juli 2022 erwartet.
Im August soll mit den Erdarbeiten begonnen werden. Bezugsfertig sollen die Wohnungen, wenn alles gut läuft, im Herbst 2023 sein.
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