In der jüngsten parlamentarischen Sitzungsrunde wurde der neue Asyl- und Integrationsbericht der ersten Jahreshälfte 2022 präsentiert. Dabei spielte natürlich die seit Februar 2022 herrschende Ausnahmesituation rund um den russischen Überfall auf die Ukraine eine besondere Rolle. Etwa eine Million Menschen sind seit Kriegsbeginn aus der Ukraine in andere europäische Staaten geflohen.
Im Bericht wird festgestellt, dass im Gegensatz zur sogenannten Flüchtlingskrise 2015/2016 die Aufnahme der Geflüchteten fast ausschließlich in privaten Unterkünften stattfindet. Hier könne erfreulicherweise eine enorm große Hilfsbereitschaft festgestellt werden, bis zu 100 geflüchtete Menschen aus der Ukraine waren bzw. sind in Kriftel untergebracht. Von einem baldigen Ende des Konflikts geht man nicht aus; vielmehr befürchtet man, dass künftig noch mehr Menschen vor der russischen Aggression Schutz suchen werden.
Gesamtsituation in Deutschland
Insgesamt sind 2022 dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zufolge circa 1.225.000 Geflüchtete nach Deutschland gekommen, etwa 80 Prozent dieser Schutzsuchenden sind aus der Ukraine geflohen. Zum Vergleich: 2015 waren es circa 1.100.000 Menschen. Ukrainer genießen den in der Europäischen Union vereinbarten unmittelbaren vorübergehenden Schutz und müssen kein Asylverfahren durchlaufen.
"Während ein Großteil der Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, privat bei anderen Familien oder in Wohnungen unterkommen sind, mussten und müssen die Kommunen stetig weitere Geflüchtete in Unterkünften aufnehmen. Diese Entwicklung trifft aber auf die Situation, dass viele Geflüchtete, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, immer noch in den Asylunterkünften wohnen, weil sie zum Teil noch keine Anerkennung ihres Asylantrages bekommen haben oder schlicht auf dem Wohnungsmarkt keine Wohnungen gefunden werden konnten. Diese Situation ist gerade in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet besonders ausgeprägt", wird im vorgelegten Bericht festgestellt.
Auch im Main-Taunus-Kreis und in Kriftel finde man eine solche Situation vor. Vor diesem Hintergrund hatte die Bundesregierung die Länder am 10. Mai zu einem Gipfeltreffen eingeladen. Das Ergebnis der Besprechung: Eine Finanzspritze für die Länder in Höhe von einer Milliarde Euro, auf Hessen entfallen davon rund 75 Millionen Euro. "Mit dem vorgesehenen Geld lassen sich jedoch Investitions- und Betriebskosten nicht annähernd abfedern, die den Städten und Gemeinden schon jetzt entstanden sind. Ein Beschluss über die künftige Zuwanderungspolitik und weitere finanzielle Hilfen wurde vertagt und soll wohl erst bei einer Bund-Länder-Konferenz im November gefällt werden", heißt es im aktuellen Asyl- und Integrationsbericht der Gemeinde weiter.
Situation in Kriftel
Der Main-Taunus-Kreis verteilt die ihm zugewiesenen Geflüchteten auf die Städte und Gemeinden zur Unterbringung. Anerkannte Asylbewerber aus Gemeinschaftsunterkünften sollen möglichst in einem anderen Wohnraum untergebracht werden, damit in eben jenen Gemeinschaftsunterkünften wieder Kapazitäten frei werden.
Im Februar 2023 konnten elf anerkannte Geflüchtete aus der Gemeinschaftsunterkunft in der Richard-Wagner-Straße 109 sowie der gemeindeeigenen Unterkunft in der Hofheimer Straße 56a in Obdachlosenunterkünfte der Gemeinde umgezogen werden. "Je zwei alleinstehende, anerkannte Männer sind in die Obdachlosennotunterkünfte im Wohnhaus in der Bleichstraße 1 und in die Wohnung in der Schwarzbachhalle eingezogen. Diese Unterkünfte waren bereits im Oktober 2022 mit anerkannten Asylbewerbern teilbelegt worden. Zudem wurde das Haus in der Kirchstraße 10 baulich vorbereitet und in zwei Wohneinheiten aufgeteilt, sodass zwei Familien (eine Mutter mit drei Kindern aus Eritrea sowie ein russisches Paar mit einem Sohn) einziehen konnten", präzisiert der Bericht. Derzeit seien 42 Personen zur Vermeidung drohender Obdachlosigkeit durch das Ordnungsamt Kriftel in Notunterkünfte eingewiesen. "Einer anerkannten Familie mit drei weiteren Personen konnte eine eigene Wohnung der Gewobau vermittelt werden. Weitere zwei Plätze in der Hofheimer Straße 56a wurden durch Wegzüge der Personen nach unbekannt frei."
Mit diesen Maßnahmen konnten 16 freie Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften geschaffen werden. Einzelpersonen werden derzeit zu zweit in einem Mobilheim untergebracht. Eine volle Auslastung der eigentlich für je vier Personen vorgesehenen Mobilheime erachtet man angesichts der deutlichen Abnutzung in den vergangenen Jahren kaum als möglich. Weitere größere Zuweisungen von Geflüchteten nach Kriftel könnten jedoch bewirken, dass diese Unterkünfte doch wieder stärker belegt werden müssen.
Bereits instandgesetzte Mobilheime wurden und werden weiterhin durch Mitarbeiter der Gemeinde für eine Belegung mit vier Personen vorbereitet. Somit sei stets gewährleistet, dass auch bei einer kurzfristigen Belegung umgehend ein Einzug erfolgen könne.
Seit Anfang 2023 wurden der Gemeinde durch den MTK insgesamt 17 Geflüchtete zur Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft zugewiesen.
Schaffung von Wohnraum
Im Bericht wird auch festgehalten, dass der Ausländerbeirat und der Arbeitskreis Flüchtlinge weiterhin sehr aktiv seien und bei Anmietungen von Wohnungen auch außerhalb der Gemeinde unterstützend wirken konnten.
Durch das Neubauprojekt der Gewobau in der Raiffeisenstraße steigt der Bestand an eigenen Wohnungen oder mit Belegungsrechten in der Gemeinde um weitere 48 Wohnungen. Auch im Baugebiet „Krifteler Wäldchen“ werden künftig zahlreiche Wohnungen entstehen. Zudem versuche man, bestehende große Wohnungen frei zu bekommen, in dem den Bestandsmietern, die eine verhältnismäßig große Wohnung belegen, in der neuen Wohnanlage Wohnungen angeboten werden. "Da es aber insgesamt eine hohe Nachfrage nach Wohnraum gibt, wird das Problem der Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen in regulärem Wohnraum auch in Zukunft Bestand haben. Dennoch besteht die Hoffnung, dass sich innerhalb der nächsten Jahre die Möglichkeiten verbessern", wird im Bericht prognostiziert.
Angebote im Rahmen der Flüchtlingsarbeit
Im Zuge der Pandemie wurde das „Come In“ geschlossen und die Kleiderkammer aufgelöst. Sachspenden werden weiterhin telefonisch angenommen, Bedürftige können sich bei Bedarf telefonisch melden. Die Fahrrad-Werkstatt verzeichnet aktuell wieder steigenden Zulauf durch Geflüchtete. Der vom Ausländerbeirat Kriftel und dem Krifteler Familienzentrum organisierte internationale Spielkreis ist mittlerweile wieder aktiv.
Grundsätzlich bestehe für Geflüchtete aus der Ukraine die Möglichkeit, eine Betreuung ihrer Kinder in einer Kindertagesstätte zu beantragen. Aufgrund des akuten Personalmangels seien die Kitas in Kriftel derzeit bereits ausgelastet, so dass nur einzelne Kinder aufgenommen werden können. Die Gemeinde habe jedoch ein Betreuungsangebot für ukrainische Kinder organisiert, das von Ukrainerinnen aus Kriftel bzw. aus Nachbarkommunen umgesetzt wird.
Die im Rahmen einer Kooperation von Ausländerbeirat und Gemeindeverwaltung organisierten Sprachkurse für Frauen im Rahmen des Landesprogrammes "Mama lernt Deutsch" werden auch 2023 fortgeführt.
Das Internationale Frühlingsfest am 13. Mai wurde vom Arbeitskreis Flüchtlinge und dem Ausländerbeirat Kriftel organisiert. Alle Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte und die Geflüchteten aus der Ukraine wurden eingeladen, mit etwa 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern konnte das Fest eine gute Resonanz verzeichnen.
Integrationslotsen
Seit 2013 sind acht Integrationslotsinnen in Kriftel ehrenamtlich tätig. Diese ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger informieren über Angebote und Möglichkeiten in der eigenen Gemeinde bzw. dem Kreis und stellen Kontakte zu örtlichen Behörden, Organisationen, Vereinen oder zu Beratungsstellen her. Mit ihrem Einsatz leisten sie Hilfe zur Selbsthilfe.
2023 wurden weitere zwei Personen zur Qualifizierung gemeldet. Aktuell verfügt die Gemeinde Kriftel somit über zehn Integrationslotsinnen und -lotsen.
2019 wurde von der Gemeinde ein Antrag auf Förderung aus dem Landesprogramm „WIR-Wegweisende Integrationsansätze Realisieren“ gestellt und genehmigt. Auch für 2023 ist der Folgeantrag vom Regierungspräsidium Darmstadt bereits bewilligt worden. Für 2023 wurde aus dem Landesprogramm ein Zuschuss in Höhe von 14.080 Euro zur Verfügung gestellt.
Sport und Flüchtlinge
Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat vor vier Jahren ein Programm für Kriftel erstellt. Der Sportcoach der Gemeinde hat verschiedene Aktivitäten für Geflüchtete und Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund organisiert, wie etwa die Sportkurse "Frauen in Bewegung" und "Fit zusammen". 2023 wurde eine Frau mit Migrationshintergrund als Tandem-Sportcoach eingestellt. Sie hilft bei der Organisation der Aktivitäten und verfügt über einen direkten Kontakt zu den Geflüchteten in der Gemeinde.
Auch für das laufende Jahr hat die Gemeinde einen Folgeantrag gestellt, dessen Genehmigung vom Regierungspräsidium Darmstadt bereits vorliegt. Der Zuschuss für das Sportprogramm in Kriftel beläuft sich auf 13.400 Euro. Es sei geplant, eine internationale Folklore-Tanzgruppe für Frauen ins Leben zu rufen und die Aktivitäten der internationalen Fußballgruppe aufrecht zu erhalten. Außerdem ist die Schaffung eines Selbstverteidigungskurses für Frauen vorgesehen.