Was ältere Leute erzählen

„Aufgelesen“ von Dieter Press

Geschichtliches

über die Gemeinde Bischem


Am 23.

Oktober 1923 hatte die Mainzer Bevölkerung – nach den Pfälzern – zum großen Schlag gegen die Seperatisten ausgeholt und mit dem Spuk einer Rheinischen Republik war es endgültig vorbei. Die Einführung der Rentenmark brachte – wie im vorigen Lokal-Anzeiger berichtet – wieder stabilere Verhältnisse, der Passive Widerstand wurde aufgehoben und allenthalben herrschte berechtigte Zuversicht.





Verbesserte Lebensmittelversorgung

Nun wird das Jahr 1924 geschrieben. Aus den Billionenscheinen waren Rentenmarkscheine geworden. Sie hatten den Vorteil, dass sie nicht mehr entwerteten. Man brauchte sie nicht so rasch auszugeben, sondern man konnte wieder ans Sparen denken. In den Ladengeschäften tauchte dieses oder jenes wieder auf, und mancher Artikel, den man jahrelang vermisste, war wieder zu haben. Ganz rapide besserte sich die Lebensmittelversorgung. Die ersten Würste, Speck und Schinken sah man wieder in den Metzgerläden – kurz und gut: alle Bedürfnisse des täglichen Lebens fanden wieder Eingang. Mancher eingeschrupfte Magen erholte sich rasch wieder. Wer nicht mit der Stabilisierung der Mark einverstanden war, das waren die Besatzungstruppen. Wie staunten auf einmal die Franzmänner, als plötzlich niemand mehr etwas von ihren „dürren“ Francs wissen wollte, als plötzlich für sie alles unerschwinglich teuer wurde. Vorbei waren ihre schönen Zeiten, vorbei war’s mit ihren billigen Einkäufen, vorbei war’s mit ihren Saufgelagen in den Gastwirtschaften. Im Frühjahr und Sommer des Jahres 1924 kehrten auch die ersten von den Franzosen Ausgewiesenen wieder in ihre Heimat und ihre Wohnungen zurück.





Funkelnagelneue Kirchenglocken

Der 8. November 1924 war ein Freudentag für die ganze Gemeinde Bischofsheim. Mit Interesse konnte man an jenem Tag beobachten, wie sich sämtliche Bischemer Schukinder vor der evangelischen Kirche versammelten. Und dann setzte sich ein festlicher Zug in Bewegung. Voran fuhr eine mit sechs Pferden bespannte und prächtig geschmückte Bauernrolle, auf der drei funkelnagelneue Kirchenglocken standen. Mit großen Opfern und erheblichen Geldspenden der Einwohnerschaft war es möglich geworden, diese Glocken, als Ersatz für die im Ersten Weltkrieg geopferten Glocken, zu beschaffen. Die Freude darüber war so groß, dass man die neuen „Künder der Stimme Gottes“ durch die Straßen des ganzen Ortes und wieder zurück zur Kirche begleitete.


Überfülltes Gotteshaus

Bereits am nächsten Tag nahmen die drei Glocken ihren Weg in die luftige Höhe des 27 Meter hohen Kirchenturms. In wenigen Tagen hatten die mit den Montagearbeiten betrauten Männer des Zimmermeisters Adam Schilling und des Spenglermeisters Ludwig Bang das schwierige Werk vollbracht. Als dann die neuen Glocken zum nächsten Gottesdienst riefen und Pfarrer Heddaeus die Weihepredigt hielt, da war das evangelische Gotteshaus überfüllt. Sieben Jahre lang – von 1917 bis 1924 – hatte man in Bischofsheim und Umgebung kein harmonisches Glockengeläute mehr gehört. Jetzt war’s wieder wie in alten Zeiten!





Große Pläne der Firma Opel

Zwar gab es auf dem Arbeitsmarkt noch zahlreiche Erwerbslose, aber überall machte sich der Segen der Stabilisierung, das Vertrauen zur Rentenmark bemerkbar. Auch Schmiedemeister Jakob Wolf bekam wieder Eisen, auf dem er lustiger als sonst in seiner alten Dorfschmiede herumhämmerte. Die Bauern ließen wieder ihre in den letzten Jahren heruntergekommenen Geräte ausbessern oder machten Neuanschaffungen und alle blickten wieder vertrauensvoll der Zukunft entgegen.


Besonders jedoch regte es sich in unserem damals noch kleinen Nachbarstädten Rüsselsheim. Die Firma Opel hatte große Pläne! Der Bau eines Kleinwagens wurde erwogen – ein neuer Typ, der „Laubfrosch“ wurde produziert und bald sah man diesen eigenartigen Wagen auf den Ortsstraßen und Landstraßen. Immer zahlreicher fuhren sie auch durch Bischem und flitzen durch die S-Kurve auf der Hauptstraße.


Lastwagen stand vorm Bett

Man hegte Bedenken und dachte: Hoffentlich ereignen sich bei dem stark zunehmenden Verkehr an dieser Stelle keine Unfälle! Da war es auch schon geschehen: Am 13. März 1925 gab’s einen fürchterlichen Krach. Aus Richtung Darmstadt kommend, fuhr ungebremst ein französischer Lastwagen am frühen Morgen mitten in das der alten Dorfschmiede gegenüberliegende Haus Brunner. Die Vorderräder des Lastwagens standen bis am Bett von Frau Brunner, die in Windeseile aus dem Bett gesprungen und geflüchtet sei und natürlich einen Riesenschreck zu bewältigen hatte. Der Schaden am Haus wurde ausgebessert und weiter rollte der immer stärker werdende Verkehr durch die S-Kurve an der alten Bischemer Dorfschmiede.


(Wird fortgesetzt!)

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