Ohne Hochwasserschutzbauten ist das Leben am Fluss ein großes Wagnis. Im heutigen Kreis Groß-Gerau wurde 1433 erstmals ein Landdeich urkundlich erwähnt. Er reichte von Poppenheim, einem heute verschwundenen Dorf westlich von Erfelden, rheinabwärts bis zum Kornsand in Höhe von Nierstein. Über die Jahrhunderte bauten die Gemeinden längs des Flusses in Eigenleistung Dämme zu ihrem Schutz. Ginsheim setzte sich zuerst mit einer Kalksteinmauer in Richtung Rhein gegen die Fluten zur Wehr. Sie bot nur eingeschränkten Schutz gegen Hochwasser und Eisgang. Noch heute sind Reste der ehemaligen Dorfmauer neben der evangelischen Kirche zu sehen.
Adam Hübner (1869 bis 1948) berichtet in seiner Familienchronik, dass an der Ostseite des Ortes ein breiter Graben angelegt war, bevor Dämme den Ort umgaben. Damit sollte bei Überschwemmungen ein rasches Abfließen des Wassers ermöglicht werden. Bis 1875 sei noch ein großer Teil des Grabens zu sehen gewesen, ist in der Chronik vermerkt. Über den Bau der Deichanlage, die später einen Großteil der Gemeinde umschloss, schreibt er: „Der Ortsdamm wurde 1824 gebaut, dies auf 24 Fuß, das sind sechs Meter Höhe. An der Schwarzbachmündung, da wo die Schleuse ist, wurden vier Hofreiten niedergelegt und die Häuser an anderen Plätzen wieder aufgebaut. Das Material für die Dämme wurde auf der Neuauspitze und am Rheinufer geholt.“
Im Bereich der heutigen Dammstraße schüttete man die Erde direkt gegen die Ortsmauer, die darunter in Teilen noch existiert. Nur die Häuser innerhalb des Ortsdamms waren einigermaßen gegen Hochwasser gesichert. Neue Gebäude wurden möglichst im Bereich des Schutzrings errichtet. Das führte zu einer Verdichtung der Bebauung. Beim Jahrhunderthochwasser von 1882/83 kamen die Ginsheimer dank ihres Ortsdamms glimpflich davon. In anderen Gemeinden wurden Todesopfer, ertrunkenes Vieh und eingestürzte Häuser verzeichnet. An mehreren Stellen brachen Dämme. Der Ortsdamm von Ginsheim hielt und bewahrte die Bewohner vor schlimmen Schäden.
Zunächst schützte sich jeder Ort im Alleingang vor dem Fluss und seinen Fluten. Im Jahr 1797 legte der Ingenieur und Pionieroberst Johann Gottfried Tulla seine Stromregulierungspläne für den Oberrhein vor. Zwischen Planung und Ausführung verging viel Zeit. Erst im Jahr 1840 wurde mit den Arbeiten begonnen. Bei den schrittweise durchgeführten Rheinlaufkorrekturen, wie Durchstiche und das Schließen von Seitenarmen, erreichte man eine Verkürzung des Schifffahrtswegs, die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und damit auch eine Senkung des Hochwasserspiegels. Das bisher bestehende Deichsystem längs des Flusses wurde damals durch Neubauten geschlossen.
Die Umsetzung der Pläne von Tulla waren für Ginsheim von wirtschaftlichem Nachteil. Der heutige Altrhein war bis zur Tullaischen Begradigung eine vielgenutzte Wasserstraße. Mit dem Bau des Steindamms (1838) bei Trebur wurde diese Rheinschleife abgeklemmt und damit die gesamte Schifffahrt auf den neuen Großrhein verlagert.
Ab 1897 wurden erstmals systematisch alle Dämme in Hessen erhöht. Auch die Deiche vor Ginsheim schüttete man um 50 Zentimeter auf 6,50 Meter auf. Da im Bereich der Dammstraße Wohnhäuser und die Kirche direkt am Deich standen, war eine Aufschüttung nicht möglich. Deshalb wurde eine Dammmauer aus handbehauenem Bundsandstein gebaut, um den nötigen Hochwasserschutz zu gewährleisten. Aktuell werden die Deiche auf beiden Seiten des Rheins für ein 200-jähriges Hochwasser ertüchtigt. Wieder ergibt sich ein Problem für den Ortsdamm samt inzwischen historischer Mauer in Ginsheim. Ertüchtigen oder Abreißen und durch eine Betonmauer ersetzen, das war hier die Frage.
Die örtlichen Gemeindevertreter und das Land Hessen haben entschieden: Eine höhere Betonmauer mit mobilen Elementen, teilweise mit historischem Steinmaterial verkleidet, soll die fast 120 Jahre alte Dammmauer ersetzen.
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