Der ausgeglichene Entwurf als Herausforderung

Im noch nicht vorliegenden Haushaltsplan für 2026 könnten die Steuer-Hebesätze steigen

gus

Wenn das Defizit steigt, bleibt dem Kommunen gar nicht so viel Spielraum, um aktiv handelnd bedeutende Verbesserungen ihrer Haushaltsbilanzen einzuleiten. In Flörsheim wurde nach den schlechten Nachrichten, dass sich die Einnahmeseite im Lauf des Jahres deutlich schwächer entwickelte als im beschlossenen Etat niedergeschrieben, die Sache mit einer Verdopplung des Höchstbetrages der Liquiditätskredite elegant gelöst – weil das zusätzliche Defizit noch einmal aus den Rücklagen vergangener Jahre ausgeglichen werden konnte.

Das war aber der letzte Griff in die Ersparnisse, die 18 Millionen Euro, die sich dort vor wenigen Jahren im Sparstrumpf einfanden, sind nun aufgebraucht. Das heißt nicht anderes als: Für 2026 müssen sich Kämmerer und Bürgermeister Bernd Blisch und sein Finanzverwaltungschef Michael Bayer einen anderen Kniff einfallen lassen, um der Vorschrift, einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt vorzulegen, wenigstens im Entwurf zu entsprechen.

Dass die Weisheit, wie das geschafft werden soll, im Rathaus noch reifen muss, ist nachzuvollziehen. Es gab auch von der Opposition bisher keine Kritik daran, als Blisch verkündete, die Vorlage des Haushaltsentwurfs 2026 bis auf weiteres abzusagen. In gar nicht so lange zurückliegenden, nahezu unbekümmerten Zeiten wollte die Stadt dazu übergehen, der rechtlichen Zeitvorgabe für das Einreichen des beschlossenen Etats zu entsprechen. Die einzuhalten, schaffte Flörsheim auch 2024 nicht, wenn auch nur ganz knapp.

Die Finanzaufsicht, für die kreisangehörigen Kommunen wie Flörsheim in der Kreisverwaltung angesiedelt, tadelte die Stadt vergangenes Jahr wie gehabt wegen des zu späten Einreichens des Haushalts. Dabei war Flörsheim im Kreisvergleich sehr früh dran, früher als in den Jahren zuvor. Die Regelung besagt allerdings, dass der von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Entwurf bis Ende November eingehen sollte, um noch im laufenden Kalenderjahr genehmigt werden zu können, so dass am 1. Januar über alle vorgesehenen Ausgaben verfügt werden kann.

Da war Flörsheim am 12. Dezember eben knapp zwei Wochen zu spät dran, während der Kreis selbst den Etat für 2025 zu dem Zeitpunkt nicht einmal im Kreistag eingebracht hatte. In den jüngsten Gremiensitzungen nannte Blisch kein Datum für eine Einbringung, es könnte diesmal aber sehr viel später werden als im Vorjahr. Denn die Fraktionen scheinen sich gerade zu fragen, ob es so geschickt wäre, die Haushaltsdebatten im Schatten zu führen, den die am 15. März anstehende Kommunalwahl vorauswirft.

Warum das so kritisch werden könnte? Das kann man nur so interpretieren, dass allen längst klar ist, was ansteht, um die Zahlen, die angesichts der wirtschaftlichen Flaute im Lande und den steigenden Arbeitslosenzahlen auf der Einnahmenseite 2026 kaum besser aussehen dürften, im Zaum zu halten. Es könnte schmerzhaft werden. Einige Kommunen haben es im vergangenen oder schon vorvergangenen Jahr getan, Flörsheim hat es den Bürgern bisher erspart, aber nun könnte es unvermeidlich werden, dass die Stadt an die Hebesätze ran muss.

Erhöhungen bei der Grundsteuer und Gewerbesteuer sind unbeliebt, die Erhöhung ihrer Abgaben können die Bürgerinnen und Unternehmen direkt einem Gremienbeschluss ihrer kommunalen Vertreter zuordnen. Eine Sternstunde für jede Opposition? Eher nicht in diesem Fall, da ein alternativer Weg zum ausgeglichenen Ansatz weit und breit nicht zu erkennen ist. Die von den Kommunalpolitikern aller Couleur immer wieder geforderte bessere Ausstattung der Städte und Gemeinden mit Finanzzuweisungen sind wohlfeil, ob sie gehört werden, steht nicht in ihrer Macht.

Wo Flörsheim steht

Wie schwierig eine Anhebung von Grund- und Gewerbesteuer den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln sein wird, ist auch eine Frage des Vergleichs. Wo steht Flörsheim eigentlich mit seinen Sätzen von 550 bei den Grundsteuern A ( land- und forstwirtschaftliche Flächen ) und B (bebaute und bebaubare Grundstücke) sowie bei der Gewerbesteuer, wie ist die Entwicklung in anderen Kommunen gewesen?

Darüber gibt der „Hebesatz-Monitor Hessen“ Auskunft, der die Veränderungen dieser beiden bedeutenden Einnahmequellen untersucht. Es ist eine Veröffentlichung des Hessischen Industrie- und Handelskammertags (HIHK) und damit eines nicht ganz neutralen Akteurs in der Diskussion. Was bei statistischen Erhebungen aber nicht relevant sein dürfte, Basis sind die öffentlich zugänglichen Daten der Landes-Finanzverwaltung.

In einer Vorweg-Zusammenfassung lesen sich bereits aufschlussreiche Zahlen:

  • Der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz in Hessen beträgt 398 Prozent. Das sind drei Prozentpunkte über dem Wert von 2024.
  • Der durchschnittliche Hebesatz der Grundsteuer B beträgt in Hessen 504 Prozent.
  • In 352 der 421 Kommunen liegt der Hebesatz der Grundsteuer B über der aufkommensneutralen Hebesatzempfehlung.

Diese „Hebesatzempfehlung“ ist keine übliche und schon gar nicht verbindliche Angabe der Finanzministeriums, sondern sollte bei seiner Veröffentlichung im Juni 2024 eine Hilfestellung für die Kommunen angesichts der 2025 in Kraft tretenden, neuen Parameter durch die Änderung des Grundsteuergesetzes bieten.

Wie sich in Flörsheim zeigte, scheint das etwas anklagende Hervorheben der Information durch den HiHK, dass 352 der 421 Kommunen einen Hebesatz der Grundsteuer B festgelegt haben, der über der Hebesatzempfehlung liegt, nicht so berechtigt zu sein wie der Bericht tut.

Diese Empfehlung zielte nämlich darauf ab, einen Hebesatz zu finden, der aufkommensneutral ist, denn der Bund hatte 2019 versprochen, dass die Neustrukturierung der Grundsteuern nicht einer Erhöhung der Einnahmen dienen solle, sondern der gerechteren Staffelung durch eine aktualisierte Erhebung der Wohngebietsstrukturen.

Auslöser dieser Reform war schließlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das schon im April 2018 monierte, dass die veraltete, weit über 50 Jahre alte Berechnungsgrundlage der Sätze (Basis war eine Erhebung aus dem Jahr 1964) nicht mehr akzeptabel sei und eine Neuberechnung auf neu zu ermittelnder, aktualisierter Datenbasis zu erfolgen habe.

Nun machte Flörsheim die Erfahrung, dass es nichts nutzt, nahe an der Empfehlung zu liegen, denn in diesem Jahr entstand ein auf 500.000 Euro beziffertes Defizit gegenüber dem Ansatz der Einnahmen aus der Grundsteuer B, obwohl Flörsheim zu den 344 Kommunen zählte, die den Hebesatz laut Empfehlung senken sollten. Dem ist ganz offenbar so gut wie keine Kommune gefolgt. 72 sollten ihn erhöhen, fünf den bisherigen Sachstand erneut beschließen. Auch der Flörsheimer Haushalt 2025 folgte der Empfehlung von 543,83 Punkten (statt der aktuellen 550) für die Grundsteuer B nicht.

Das Belassen des Wertes bedeutete somit eine Überschreitung von 6,17 Prozentpunkten, die Stadt hätte von den Bürgerinnen und Bürgern daher eigentlich in geringem Maße zu viel Steuer erheben müssen. Über die Gründe der deutlichen Abweichung in die andere Richtung– vielleicht waren die Empfehlungen ja einfach nicht gut berechnet – sind keine Aussagen bekannt.

Bei der Gewerbesteuer A übrigens hatte das Finanzministerium Flörsheim eine satte Anhebung um 275,10 Prozentpunkte (also um ein Drittel) auf 825,10 Prozent empfohlen. Auch dem war die Stadt nicht gefolgt. Die finanziellen Abweichungen sind hier aber angesichts der wenigen Zahler kein Faktor, über den es sich aufzuregen lohnte, es sei denn, man betrachtet das Thema grundsätzlich.

Die Stadt hatte die Erwartungen auf 51.000 Euro für 2025 abgesenkt (Ergebnis 2023: 89.502 Euro). Wäre die Stadt der Empfehlung des Landes gefolgt, wären es eben 25.000 Euro mehr geworden – und das auch nur im Ansatz. Im kommenden Haushaltsentwurf wird die Kämmerei einen Vorschlag machen, welche Werte die Grundsteuern in Flörsheim künftig annehmen sollen. Die Fraktionen könnten in dieser völlig offenen Frage aber auch auf eigene Ideen kommen, in welchem Maße ein Haushaltsausgleich über die Steuersätze ermöglicht werden soll.

Im politischen Spiel ist davon auszugehen, dass der Bürgermeister einen Vorschlag vorlegen wird, mit dem er sich zuvor mit den Koalitionären von CDU und GALF abgestimmt hat, um eine unangenehme Überraschung zu vermeiden. Für die Oppositionsfraktionen wird diese Diskussion naturgemäß zu einer Vorlage, sich ganz anders zu positionieren als die Mehrheit – es könnte eine spannende Diskussion werden.

Extremisten nach oben und unten

Zum Vergleich sei erwähnt, dass bei der Grundsteuer B in Hessen im Jahr 2025 Werte von 160 (Wabern, Schwalm-Eder-Kreis) bis 1327 (Heusenstamm) vorkommen. Der Durchschnitt im Main-Taunus-Kreis liegt aktuell bei 666,77 Punkten, also um einiges über dem Flörsheimer Wert.

Bei der Gewerbesteuer sind die Schwankungen deutlich geringer. Zwischen 305 (Beselich, Limburg-Weilbach) und 550 Punkten (Kaufungen bei Kassel) kommen hier vor. Der Schnitt im MTK liegt hier bei 367,66, also etwas niedriger als in Flörsheim (395). Ordnet man dies noch einmal in die verschiedenen Größenkategorien ein, liegen die Durchschnittswerte in Hessen bei den Kommunen ab 20.000 Einwohner bei der Grundsteuer B bei 668, bei der Gewerbesteuer bei 393 Punkten, was Flörsheim daher recht genau trifft.

Relevanter sind allerdings die Werte aus der näheren Umgebung, sprich dem Landkreis, aber auch in Rüsselsheim. Die Stadt auf der anderen Mainseite erhielt eine Empfehlung, die Grundsteuer B von 800 auf 830,42 Prozent zu erhöhen. Rückwirkend zum 1. Januar wurde im Juli letztlich eine Anhebung auf 921 Prozent beschlossen, um ein aufgetauchtes Defizit von 2,9 Millionen Euro abzufedern. Die Gewerbesteuer liegt in Rüsselsheim unverändert bei 425 Prozent und damit ebenfalls höher als in Flörsheim.

Fast alle Kommunen haben es gerade nicht so leicht. Landauf, landab werden die Haushaltsdebatten wohl intensiver als sonst. Abzusehen ist, dass das Wehklagen über die Finanzierungslücke seitens der Zuweisungen von Bund und Land für das in ihrem Auftrag ausgeführte Verwaltungshandeln überall deutlich zu hören sein wird. Wieviel von dem beschlossenen Sondervermögen des Bundes für Infrastruktur (100 Milliarden Euro) wie angekündigt über die Länder an die Kommunen verteilt wird und ob dies die Lage entscheidend verbessert, ist derzeit noch nicht absehbar. Gedacht ist das Geld eigentlich nicht, um Haushaltslöcher in den Kommunen zu stopfen, es dürfte eigentlich nur für zusätzliche Projekte eingesetzt werden.

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