Der fünfte Kandidat zermalmt den Gickel

Weilbach feierte am verlängerten Wochenende die Kerb - Zurück im normalen Rahmen

Der Schlag saß: Alexander Becker lässt den Dreschflegel auf den "Gickel", tatsächlich ein handelsüblicher Bembel, niedersausen. Der Sieg beim traditionellen "Gickelschlag".

Schaf „Micky“ schaute dem Treiben mitten im Kerbetrubel ganz gelassen zu, als sich die Weilbacherinnen und Weilbacher am Montagabend bei der traditionellen „Hammelversteigerung“ darum stritten, wer als letzter Bieter den Zuschlag für das Lebendtier erhalten würde. Denn für diesen traditionellen Programmpunkt der Weilbacher Kerb war Micky nur ein Model, mit seinem hellbeigen Fell einfach der schönste Kerl der Herde.

Wer den Zuschlag bekommt, stellte das Versteigerungsteam um Zeremonienmeister Pascal Schäfer klar, würde im Fall eines Interesses an der wahrhaften Entgegennahme seines Preises ein anderes Schaf übergeben bekommen, aber das ist nicht unbedingt üblich. Es zeigt: Bei dieser Versteigerung geht es um den Spaß, denn der Sieger muss nicht etwa den Betrag zahlen, für den es den Zuschlag gab. Vielmehr wirft jeder Mitbietende den Erhöhungsbetrag umgehend in Münze oder Schein in die Mützen.

Als Schäfer nach einer guten Dreiviertelstunde feststellte, dass die Luft allmählich raus ist und er Mike Reichert, ganz zufällig einem seiner Vorgänger, den Zuschlag gab, waren genau 2.200 Euro erreicht – kein neuer Rekordbetrag, aber nahe dran. In Zwei-, nachdem 700 Euro in der Kasse waren, in Fünf-Euro-Schritten füllten die Bietenden den Betrag auf. Voran ging es immer dann, wenn einzelne Bieter sich einen Ruck gaben und mit größeren Beträgen bis zu 50 Euro aufrundeten – ohne dass dies die Chance (oder die Gefahr) erhöhte, den Zuschlag zu bekommen.

Im Gegensatz zur Versteigerung war der vorausgegangene „Gickelschlag“ eine Wiederbelebung, da er bei der abgespeckten Kerb im vergangenen Jahr gestrichen werden musste – und 2020 hatte die Kerb bekanntlich komplett geruht. Marcus Reif, der die Neuaufstellung der Kerb vor 26 Jahren mit initiiert hatte und später dem 2001 gegründeten Kerbeverein 6091 vorsaß, moderierte auch in diesem Jahr die Gaudi.

Es handelt sich dabei mehr um eine Show, denn um einen echten Wettbewerb, denn das Volk will etwas geboten bekommen. Und so dürfen die ersten Kandidaten, die mit verbundenen Augen den Dreschflegel auf der Stelle niedersausen lassen, wo sie kurz zuvor noch den Bembel über das Pflaster kratzen geortet hatten, den Pseudo-Gickel auf keinen Fall treffen – der ist beim Zuschlagen gar nicht mehr auf dem Boden. Das wissen die erfahrenen Kerbeaktiven, die den Schlegel in die Hand nehmen, selbstverständlich.

Es geht um die Ehre, vom Kerbeverein in den Kreis der Kandidaten aufgenommen zu werden, und die steht vor allem verdienten, oft langjährigen Aktiven der Weilbacher Kerb zu. Dass Matthias Theis den Auftakt machte, war dem Geburtstag des Vorsitzenden des Kerbevereins zu verdanken. Erst ab dem dritten Bewerber, André Schmengler, der vor 20 Jahren den Kervevadder gab, wurde es allmählich ernst. Der vierte, Ralf Fasel, dessen Gruppe „Bembelkipper“ in diesem Jahr 35 Jahre besteht, hätte es fast geschafft, er schlug nur knapp daneben.

Und dann war es Zeit für den Auftritt von Alexander Becker, Kerbevadder vor 25 Jahren und neuer Vorsitzender des Vereins „Gemütlichkeit“. Einmal ausgeholt und der Gickel war ein einziger Scherbenhaufen – Werk vollendet. Wie bei der Hammelversteigerung bedeutet der Sieg auch bei dieser Tradition vor allem Kosten, denn Becker darf zur Belohnung nun die gesamte Kerbeborschsschar einladen.

Dem Spaß mit Schaf und Flegel ging ein kleiner offizieller Teil voraus, denn der Kerbeverein sammelt an seinen tollen Tagen seit vielen Jahren für den guten Zweck, zugunsten des Vereins „Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt“. Vereinssprecherin Susanne Prüfer durfte in diesem Jahr von Matthias Theis den stolzen Betrag von 1.500 Euro entgegennehmen. Jeweils deutlich über 700 Euro waren über Kuchenspenden und die Spendenbox zusammengekommen. Damit daraus eine runde Summe wurde, legte der Kerbeverein noch etwas drauf.

„Genial“ nannte Prüfer alleine den Erlös der Kuchen. Ihr Verein, der im kommenden Jahre 40 Jahre alt wird, finanziere sich ausschließlich über Spenden. Sie lud den Kerbeverein zu einem Besuch in der Einrichtung in Frankfurt ein – da hat sich eine herzliche Verbindung zu dem Verein, der sich nach den Stichworten „Helfen, Heilen, Forschen“ um krebskranke Kinder und ihre Familien kümmert, über viele Jahre entwickelt.

Der Montagabend, der auch im Zeichen des Fleischwurst-Essens steht, ist trotz des Werktags nach der offiziellen Eröffnung am Freitagabend der am besten besuchte Tag am Haus am Weilbach. Dank der rund 200 Mitglieder und Aktiven aus Verein und aktuellem Kerbeborschjahrgang können die anfallenden Aufgaben bei so einer Kerb auf viele Schulter verteilt werden. Die Versorgungsstände am Haus am Weilbach besetzten zudem Mitglieder der Germania Weilbach.

Es sind bei vollem Programm, das es in diesem Jahr wieder gab, intensive Stunden rund um das Haus am Weilbach, das ab Samstagnachmittag ergänzt wurde um den von der Stadt verantworteten Kerbeplatz in der Schulstraße. Auf dem Gelände an der Weilbachhalle luden Schausteller mit den klassischen Angeboten eines Rummels zum Spaß der anderen Art ein. Die räumliche Entfernung zwischen den Standorten, rund 350 Meter Fußweg, sind nicht viel. Aber man bekommt eben wenig voneinander mit – hier sind Überlegungen angebracht, wie man beides besser zusammenbringt, wobei der Kerbeverein sicher kein Interesse daran haben kann, seine Aktivitäten in Richtung Ortsrand zu verschieben.

Am Haus am Weilbach wurde am ersten Abend nach dem offiziellen Teil der gut besuchte Traditionsabend gefeiert, mit hessischen Spezialitäten und Livemusik. Der Kerbebaum wird üblicherweise erst am Morgen danach von den Kerbeborsch aufgestellt, und erst dann folgt am Abend die eigentliche Kerbeeröffnung, bei der Bürgermeister Bernd Blisch den Fassbieranstich zelebrieren durfte. Kerbetanz und Livemusik folgten.

Schon am Sonntagvormittag ging es weiter mit dem Ökumenischen Gottesdienst, gefolgt von einem Frühschoppen, der in den Mittagstisch sowie Kaffee und Kuchen zugunsten von „Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt“ überging. Was am gesamten verlängerten Wochenende nicht ganz optimal war, wirkte sich mit eher mäßigen Besuchszahlen besonders am Sonntagnachmittag aus: es dürfte vielen einfach eine Ecke zu warm gewesen sein für einen Ausflug ins Freie, dennoch war der Kuchenabsatz gut.

Auch am Montag wurden am Vormittag und Mittag ein Frühschoppen und Mittagessen angeboten, ehe dann die Vorbereitungen für den abschließenden Abend begannen. Für die Aktiven gab es am Dienstagabend mit der Kerbeverbrennung samt Fackelzug einen letzten, aber wichtigen Nachschlag, mit dem eine jede echte Kerb enden muss. Die Weilbacher Kerb 2022 ist Geschichte, wenn endlich mal nichts Neues dazwischenkommt, muss man sich keine Sorgen machen, dass die Traditionsveranstaltung im kommenden Jahr nicht wieder mit dem gleichen Elan geplant und durchgeführt wird, an Einsatzbereitschaft scheint es bei Weilbach 6091 nicht zu mangeln und auch der in diesem Jahr mit zehn Aktiven dünne Kerbejahrgang soll wieder Zuwachs bekommen.

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