Zu ganz praktischen Tipps schreibt er Stichworte auf Blätter, die er im Kreis der in der Bibliothek des GSG versammelten Schüler als Gedankenstütze auf den Boden legt. „Wenn ihr euer Thema gefunden habt, dann macht dazu eine Brainstorm-Liste – und verwendet genau die Begriffe, die da drauf stehen, dann NICHT in eurem Text“, oder „am Anfang eines Auftrittes sollte immer ein ,Icebreaker' stehen – lasst euch Zeit dabei, das Mikrofon einzurichten flirtet mit dem Publikum und sagt etwa, um einen Liebestext einzuleiten: Hallo ich der Bene und mein Beziehungsstatus ist: vergeben“, rät er den Slam-Neulingen. Er weiß auch, dass sich nicht jeder etwa einen komischen Text „zutraut“: „Kommt vielleicht irgendwann mal dahin, einfach das zu machen, was ihr euch nicht zutraut – manchmal hemmt man sich nur selbst, wenn man sich was nicht traut und dann blüht man dabei doch auf!“
Auf „Monotonie“ sollte unbedingt verzichtet werden, die Betonung wichtiger Worte soll einen Slam-Text strukturieren: „Auf einem Slam muss Sprache Achterbahn sein, auch das Tempo muss wechseln – sonst wird es für die Zuhörer leicht langweilig!“, versucht Benedict Hegemann den Workshop-Teilnehmern eindringlich zu vermitteln. „Man soll auch zum Beispiel Klischees und Dopplungen vermeiden, in einem Text über Liebe zum Beispiel nicht von ,verliebt' sprechen, das wäre ja langweilig“, hat Pascal Remane an diesem Morgen von Benedict Hegemann schon gelernt, „und Brüche sind sehr gut in einem Slam-Vortrag – wenn man zum Beispiel einen Liebestext in Wut vorträgt!“ Er war mit seinem Deutschkurs schon mal bei einem Flörsheimer Poetry-Slam im Flörsheimer Keller dabei. „Das war überragend!“, kann er sich noch immer begeistern, an einige Slammer-Namen dieses Abends können sich die Schüler noch gut erinnern.
„Schreibt euren Text mit dem Anspruch, um das Publikum zu buhlen – das kann man auf verschiedene Arten machen, entweder mit einem guten Text oder auch mit gutem Aussehen“, grinst Benedict Hegemann den Schülern entgegen (auch Sarkasmus als ein „Instrument“ eines Vortrages war zuvor behandelt worden), die seinen Humor sofort verstehen. Überhaupt fällt der Slammer zwischen den Schülern eigentlich gar nicht auf – mit seinem grünen Kapuzenpullover und seiner jugendlichen Art könnte er durchaus auch in die Oberstufe des GSG gehören, es gibt keinen sichtbaren oder fühlbaren Abstand zwischen ihm und den Schülern, sie verstehen seine Sprache und er ihre. „Aber beim Poetry Slam ist eigentlich die Sprache gar nicht so wichtig – ich habe schon Slams mit vier verschiedenen Sprachen auf einer Veranstaltung moderiert, man muss nicht unbedingt die Sprache verstehen, der Zuhörer spürt um was es geht“, erzählt er den Deutsch-Lehrerinnen, die kurz in der Bibliothek vorbeischauen. um zu sehen, was ihre Schüler dort so machen, „wenn man seine eigene Sprache gut und sinnvoll benutzt, hat man eine ganz eigene Melodie der Sprache, die sehr gut wirkt.“ Diese „Nutzung“ der Mittel, die einem eine Sprache bietet, sind essentiell für einen Slam-Vortrag: es sind nämlich keinerlei „Requisiten“ erlaubt, die Redner dürfen bei einem Poetry-Slam ihre Worte lediglich mit Gesten „unterstützen“.
Gegen Ende des Vormittages wurde es dann „ernst“ für die Teilnehmer des Slam-Workshops: jeder sollte seinen ersten Slam-Text schreiben und anschließend natürlich auch vortragen. Nach einer kurzen allgemeinen „Beratungsphase“, in der jeder sein Thema fand, herrschte konzentrierte Stille in der Schulbibliothek, ganz wie bei einer „klassischen“ Prüfungsarbeit – nur ja eigentlich eher „freiwillig“. Auch wenn sich der eine oder die andere überwinden musste, es wurden anschließend alle Texte, die in den 50 Minuten entstanden waren, von ihren Verfassern vorgetragen. Was dann etwa im Rap-Rhythmus über „Black ist out und Blackout“, über ein „Familienessen“, über die „Innere Stimme“, über das „laute Karussell des Lebens“, über die „Faulheit“ oder auch über den „eigenen Kühlschrank“ in der Bibliothek des GSG „geslamt“ wurde, war lyrisch, lustig, melancholisch, sarkastisch, verliebt, nachdenklich und auf jeden Fall ziemlich beeindruckend. Man kann nur hoffen, dass tatsächlich einige Workshop-Teilnehmer das Angebot von Benedict Hegemann annehmen und am nächsten Flörsheimer Poetry-Slam im Flörsheimer Keller die Chance auf einen ersten Auftritt wahrnehmen – Talente waren auf jeden Fall zu spüren.
Selbstverständlich durfte Benedict Hegemann nicht gehen, ohne selbst einen seiner Slam-Texte vorzutragen. Fasziniert staunend folgten die Schüler den Worten und Gesten des „Slammasters“, als er seine Gedanken zur „Ruhe vor dem Sturm auf die Bastille“ mit effektvoller, aber nicht aufdringlicher Körpersprache rezitierte. Wie sich dabei ernsthafte Wortfolgen mit witzigen abwechselten wenn er daran appelliert, dass man sich gegen Unrecht positionieren und Zeichen setzen solle, zog alle in seinen Bann. Dass sein Text mit zur „Kanzlerinnen-Raute“ geformten Händen und den Zeilen „Sehr geehrte Menschen, nehmt das Schicksal in die Hand, denn zwischen Krieg und Frieden sind es nur zwei Finger Abstand“ endete, löste fast frenetischen Beifall aus.
„Die Slammer-Szene hat ein U-20-Programm, mit dem sie solche Workshops wie heute hier fördert“, erklärte Benedict Hegemann sein besonderes Engagement dafür, Jugendliche in die Kunst des Sprachgebrauches einzuführen und sie damit zu ermutigen, ihre Sprache als starkes Ausdrucksmittel für ihre Gefühle und Ideen zu nutzen. Der Poetry-Slam-Workshop wurde vom Graf-Stauffenberg-Gymnasium zusammen mit der Stadt Flörsheim veransteltet.
Nach dem großen Erfolg im Februar und Mai dieses Jahres findet am Samstag, 22. November, um 20 Uhr der 3. Poetry Slam im Flörsheimer Keller, Hauptstraße 43, statt. Es sind wieder „Slammer“ aus dem gesamten Bundesgebiet, die um die Gunst des Publikums wetteifern.
Karten sind erhältlich im Stadtbüro im Bahnhof, Willy-Brandt-Platz, Telefon 06145 955–110, E-Mail stadtbuero-bahnhof[at]floersheim-main[dot]de, oder im Internet auf www.adticket.de.