Heute lebt der Physiker und Buchautor Dr. Bernhard Thomas in Rüsselsheim, aber auch von der anderen Mainseite aus ist ihm eine spezielle Verbundenheit mit Flörsheim, dem Ort in dem er geboren wurde und wo er die Schule besuchte, geblieben. Ihm war immer bewusst, dass seine Vorfahren schon lange in Flörsheim ansässig waren und dass er einen „alten“ Flörsheimer Namen trägt. Private Familienbücher ließen ihn den Familiennamen bis zu seinem Ururgroßvater ins Jahr 1850 zurückverfolgen – doch damit war sein Interesse an der Vergangenheit der Flörsheimer Familie Thomas keineswegs befriedigt, sondern erst richtig geweckt. Er entschloss sich, in den Flörsheimer Kirchenbüchern, die in Limburg auf Mikrofilm vorliegen, weiter zu forschen und konnte feststellen, dass ein „Hans Thomas“, von dem dort nicht vermerkt ist, woher er stammte, im Jahr 1630 eine wohlhabende Flörsheimer Tochter namens „Margaretha Berl“ geheiratet hatte. Wirklich zufrieden machte ihn dieses Wissen noch immer nicht, wollte er doch gerne auch wissen, wie seine Urahnen damals lebten. „Es hat mich interessiert, was dieser ,Hans Thomas' damals gemacht hat, zum Beispiel ob er ein Leibeigener oder ein freier Mann war“, erklärt er heute seinen geschichtlichen Wissensdurst. Der Zufall kam ihm zu Hilfe: Bei einem Besuch im Flörsheimer Heimatmuseum lernte er im Jahr 2008 Reinhold Lehrig kennen, ein Mitglied im Vorstand des Heimatvereines Flörsheim 1924. „Sind Sie Flörsheimer oder Flerschemer?“, wurde er von diesem zunächst prüfend gefragt, und nach einer mit überzeugendem Zungenschlag gegebenen Antwort bekam der „Flerschemer“ Dr. Bernhard Thomas den für das vorliegende Buch entscheidenden Tipp auf die „Flörsheimer Gerichtsbücher“ im Panzerschrank des Heimatmuseums. Eine Woche später hielt er mit dem „Flörsheimer Stockbuch 1656“ das erste dieser wertvollen Originale in der Hand – und fand als vierten Eintrag in dem Buch gleich Fakten zu „seinem“ Urahnen Hans Thomas. Er lernte die alte Handschrift zu lesen und konnte feststellen, dass in diesem „Stockbuch“ wie in einer Art Kataster klar strukturiert für jeden Flörsheimer Grundbesitzer zu dieser Zeit zum Beispiel festgehalten wurde, welche Grundstücke ihm gehörten, an wen er welche Steuern zu entrichten hatte und auch, an wen er welches Grundstück veräußert hatte. Da auch die Lage der Grundstücke dort beschrieben wird, lag für Dr. Thomas die Idee nahe, einen Plan von Flörsheim zu jener Zeit anzufertigen. Allerdings zeigte sich schnell, dass dazu die Angaben im „Stockbuch“ alleine zu ungenau waren, mit den entsprechenden Angaben aus den „Flörsheimer Gerichtsbüchern“ ergänzt, eine solche Rekonstruktion aber durchaus möglich erschien. In der Folgezeit wurden von Dr. Bernhard Thomas und Reinhold Lehrig in stundenlanger gemeinsamer Arbeit alle Seiten der alten Originalbücher digitalisiert. „Jetzt fing die eigentliche Arbeit aber erst an“, sagt Thomas heute. Er transkribierte die Texte der alten Seiten und erstellte daraus auch eine Text-Datenbank, die es möglich macht, nach bestimmten Begriffen in verschiedenen Schreibweisen (Rechtschreib-Regeln gab es zu der Zeit noch nicht) zu suchen. „Jetzt konnte man Listen erstellen und damit anfangen zu puzzeln“, erklärt er schmunzelnd, „nur dass es bei diesem Puzzle keine Vorlage dafür gab, wie das fertige Bild am Ende auszusehen hatte.“ Dank seiner Ausdauer und seiner „Puzzle-Fähigkeiten“ liegt nun als Endergebnis seiner systematischen Auswertung der von ihm erstellten Datenbanken sowohl ein Orts-Plan von Flörsheim als auch von der Flörsheimer Gemarkung im Jahre 1656 vor, der einige Missverständnisse etwa in Bezug auf die Lage inzwischen verschwundener Flörsheimer Bauwerke aufklärt und der auch das Rätselraten darum, ob es einen Flörsheimer „Marktplatz“ gab, beendet: mit der Lokalisierung des Standortes der Dorflinde kann nun nachvollzogen werden, wo der Flörsheimer Dorfplatz gelegen haben muss.
Seine Erkenntnisse aus der Datenauswertung hat Dr. Bernhard Thomas auch schon zu Vorträgen für das Kulturamt der Stadt Flörsheim verarbeitet, dabei kam ihm die Idee zu dem nun vorliegenden Buch. „In dem Buch kann ich natürlich wesentlich mehr ins Detail gehen“, freut sich der gründliche Naturwissenschaftler. So findet man dort etwa nicht nur die Lage aller Wohnhäuser und Hofreiten innerhalb der Orts- Einfriedung, sondern sogar die Namen ihrer damaligen Besitzer vermerkt. Die Beschreibung der damaligen Flörsheimer Lokalitäten spickt der Autor mit einer Vielzahl von Informationen. Nicht nur zur Sprache und Schrift der Zeit, in der die ausgewerteten Bücher entstanden, sondern auch zu dem, was Menschen in Flörsheim 1656 besaßen und womit sie sich beschäftigten. So erfährt der Leser etwa neben vielen anderen Details, dass es in der Gemarkung Flörsheim zu dieser Zeit noch einen „Eselspfad“ gab, obwohl im Dorf gar keine solchen grauen Lastentiere mehr gehalten wurden oder auch, dass sich die Flörsheimer auf dem „Kegelplatz“ trafen, um miteinander dem „Kegelspiel“ zu frönen; auch in welchem Haus die erste Wirtschaft „Zum Karpfen“ eröffnet wurde und wie die „Schildrechte“ daran dann weitergegeben wurden, kann Dr. Bernhard Thomas seinen Datenbanken entnehmen. Daher lädt das Buch sicher nicht nur Flörsheimer Leser zu einem Spaziergang durch das rekonstruierte Dorf im Jahr 1656 ein, sondern bestimmt auch Geschichtsinteressierte aus anderen Gegenden – wobei der eine oder andere Flörsheimer außer der interessanten Zeitreise vielleicht sogar Erkenntnisse dort finden kann, ob und wenn ja wo genau seine Vorfahren schon vor mehr als 350 Jahren in seinem Heimatort ansässig waren.
Man darf gespannt sein auf die beiden nachfolgend geplanten Bücher von Dr. Thomas Bernhard, in denen er seine Erkenntnisse aus den so umfangreich entstandenen Datenbanken in Teil II auf die „Menschen in ihrem Dorf“ und in Teil III auf die „Wirtschaftsgesellschaft“ in Flörsheim verarbeiten und für die Leser aufbereiten wird.
Der Autor wird sein Buch „Flörsheim 1656 – Eine Rekonstruktion“ am Mittwoch, 18. April, um 20 Uhr in der Kulturscheune vorstellen, man kann das Buch an diesem Abend dort erwerben oder aber ab dem 19. April im Buchhandel kaufen.