Unter dem Titel "Sehen und Verstehen" lud Dr. Christopher Naumann, Kulturamtsleiter und Kunsthistoriker, Kunstinteressierte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Werk "Argonaut" von Friedel Dzubas ein. Die Veranstaltung fand in den Räumen des Kunstforum Mainturm statt und bot den Teilnehmern die Möglichkeit, tief in die Welt der abstrakten Malerei einzutauchen.
"Was erzählt uns ein bestimmtes Kunstwerk? Welche Assoziationen kommen bei der Betrachtung auf? Lassen sich historische oder gesellschaftliche Zusammenhänge entdecken?" Mit diesen Fragen eröffnete Naumann den Abend und bot den Teilnehmern einen neuen Zugang zur modernen Kunst. Gemeinsam erkundete die rund 20-köpfige Gruppe das beeindruckende Gemälde, tauschte Eindrücke aus und entdeckte dabei neue Perspektiven.
Friedel Dzubas (1915–1994) war ein deutscher Maler jüdischer Herkunft. Im Alter von 24 Jahren floh Friedel Dzubas kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs aus Berlin in die USA. In den USA traf Dzubas 1948 auf den einflussreichen Kunstkritiker Clement Greenberg, der ihm den Zugang zu führenden Künstlern der New Yorker Kunstszene ermöglichte, darunter Willem de Kooning, Jackson Pollock, Adolph Gottlieb, Barnett Newman und Franz Kline. Besonders prägend war seine Zusammenarbeit mit Helen Frankenthaler, mit der er sich von Oktober 1952 bis November 1953 ein Atelier in der 23rd Street in New York City teilte.
Dzubas gilt heute als herausragendes Beispiel für die Verbindung deutscher Maltradition mit einem modernen, großformatigen Ausdruck, der von seiner Vorliebe für Materialien wie die leuchtende Magna-Farbe geprägt ist. Seine Werke, die durch ihre abstrakten Farbkompositionen und monumentalen Dimensionen beeindrucken, machten ihn zu einem wichtigen Vertreter der Nachkriegsmoderne.
Sein 1983 entstandenes Werk "Argonaut" beeindruckt besonders durch seine intensive Farbgebung und das imposante Format von knapp drei Metern Höhe und über sieben Metern Breite. Das Gemälde entfaltet ein weitläufiges, abstraktes Panorama, dessen harmonische Farbverteilung an die Werke seines Vorbilds, des italienischen Barockmalers Giovanni Battista Tiepolo, erinnert.
Ein besonderer Schwerpunkt des Abends lag auf den technischen Aspekten der großformatigen Malerei. Dzubas nutzte die Magna-Farbe, eine schnell trocknende, lösemittellösliche Acrylharzfarbe, die dafür bekannt ist, ihre Farbintensität besonders gut zu bewahren. Anders als viele seiner Zeitgenossen grundierte er die Leinwand vor dem Farbauftrag, sodass die Farbe auf der Oberfläche verbleibt und nicht in das Gewebe einsickert. Diese Technik verleiht den Gemälden eine außergewöhnliche Strahlkraft und Tiefe. Naumann erklärte, wie Dzubas durch diese Vorgehensweise die leuchtenden Farben seiner Werke maximierte und eine intensive visuelle Wirkung erzielte.
Er gab zudem Einblicke in die Herausforderungen bei der Herstellung, Lagerung und Präsentation solcher monumentalen Werke. Aufgrund ihrer Größe können sie nicht einfach aufgespannt gelagert oder transportiert werden. Stattdessen werden sie oft gerollt und erst am Ausstellungsort auf einen Keilrahmen gespannt. Dzubas der seine Leinwände oft auf dem Boden bearbeitete, um den Fluss der Farbe zu kontrollieren und ein Verlaufen zu verhindern.
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden statt, wo "Argonaut" zu den rund 60 Gemälden gehört, die in der Eröffnungsausstellung des Museums mit dem Titel "Farbe ist alles!" zu sehen sind. Für alle, die den Abend verpasst haben, gibt es am 28. November sowie am 16. Januar 2025 weitere Gelegenheiten, an der Veranstaltungsreihe "Sehen und Verstehen" teilzunehmen.