Die Terra will wieder aktiver werden

Städtische Wohnungsgesellschaft hat sich in der Riedstraße eingerichtet - Geschäftsführer Braunsberger erläutert Ziele

Aufgegeben: Die der Terra gehörenden Restauranträume in der Hauptstraße 34 sollen nicht mehr als solche aktiviert werden. Nach mehreren Bauchlandungen ist nun ein Umbau zu Wohnräumen geplant, die Anträge sind gestellt.

Es ist eine klare Aussage, die der Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft und ihr Aufsichtsratschef beim Blick in die Zukunft machen: „Wir wollen bauen“, erklärten Axel Braunsberger und Bürgermeister Bernd Blisch in den neuen Geschäftsräumen der Terra Erschließungsgesellschaft mbH in der Riedstraße. Der Aufgabenkatalog des zu hundert Prozent der Stadt Flörsheim gehörenden Unternehmens, in den 1960er-Jahren gegründet, führt neben der städtebaulichen Fortentwicklung der Innenstadt und der Sanierung von öffentlichem Wohnungsbestand schließlich auch den Wohnungsbau explizit auf.

In der Öffentlichkeit hat das Unternehmen sich bisher allerdings nicht gerade als Erschaffer neuen Wohnraums profiliert. Der wird in Flörsheim wie der ganzen Region aber dringend gesucht, vor allem öffentlich geförderter und somit günstiger Mietwohnraum, wie ihn kommunale Gesellschaften bevorzugt errichten – wenn sie denn bauen. 230 Sozialwohnungen gibt es in Flörsheim noch, im Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) wird dies als sehr niedriger Bestand bezeichnet - der durch den Wegfall von Sozialbindungen einzelner Wohnungen in den nächsten Jahren sogar weiter sinken wird.

Eine städtische Erschließungsgesellschaft könnte sich der Aufgabe annehmen, dem Problem entgegenzusteuern. Die Einstellung von Axel Braunsberger als neuer Geschäftsführer zum 1. Juli 2021 geschah auch unter dem Aspekt, dass das Unternehmen wieder in allen Aufgabengebieten aktiver werden will. Der 61-jährige Bauingenieur, der aus Frankfurt stammt und dort in seinem Beruf 18 Jahre selbstständig arbeitete, war in den zehn Jahren vor seinem Wechsel zur Terra bei der Stadt Frankfurt in der Wohnungsbauverwaltung tätig. Ebenfalls vor zehn Jahren aber zog Braunsberger nach Flörsheim, kennt die hiesige Situation daher recht gut.

Die Gesellschaft ist seit seinem Arbeitsantritt allerdings vor allem mit ihrer Neuaufstellung beschäftigt. Im März erfolgte der Umzug in die Räumlichkeiten des städtischen Gebäudes in der Riedstraße 9 – einstmals das Standesamt. Die Außenfassade des Gebäudes wird derzeit noch energetisch saniert. Die Terra belegt das Erdgeschoss mit vier Büroräumen, wo drei feste Mitarbeiter sowie gelegentlich eine Buchhalterin ihrer Arbeit nachgehen. Im ersten Stock hat sich die Deutsche Giganetz zudem eine Flörsheim-Dependance eingerichtet, in den Kellerräumen hat ein Naturschutzverein Büroräume angemietet.

Im bisherigen Terra-Sitz im Gebäude an der Ecke Wickerer Straße/Grabenstraße werden die Büroräume nun zu Wohnungen umgebaut. Gleiches steht auch im über die miteinander verbundenen Hinterhöfe zu erreichenden städtischen Rathausgebäude in der Eddersheimer Straße 4 an. In den dortigen Büros arbeiten Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, nicht zuletzt der Bürgermeister, die eigentlich allmählich in die sanierte Rathausvilla – auch ein Projekt der Terra – umziehen sollten. Dort verzögern sich die Arbeiten aber deutlich und werden frühestens am Jahresende abgeschlossen sein. In der Eddersheimer Straße 4 müssen nach dem Auszug die geeigneten Zuschnitte beim Umbau gefunden werden, Braunsberger geht von einem Potenzial von acht Zwei-Zimmer-Wohnungen in dem Gebäude aus.

Der Neue Schützenhof, der Neubaukomplex am neu entstandenen Rathausplatz mit Verwaltungsräumen, Büros, aber auch Eigentumswohnungen, 2017 fertiggestellt, war ein 10-Millionen-Projekt, das die Terra immer noch beschäftigt. „Da laufen gerade die letzten Mängelbeseitigungen“, erläutert Braunsberger. Das sind zwar Routine-Abläufe bei Immobilienprojekten, aber wenn sich, wie in diesem Fall, ausführende Firmen inzwischen vom Markt verabschiedet haben, kann es schon mal etwas aufwendiger werden, die Reklamationen abgearbeitet zu bekommen.

Und dann ist da noch die ewige Geschichte mit den gescheiterten Versuchen, in einer Terra-Immobilie in der Hauptstraße 34-36 mit viel Umbauaufwand eine gehobene Gastronomie zu etablieren. Aber von einer Sterne-Gastronomie wie mit dem ersten Anlauf mit „La Fayence“ wollten die Flörsheimerinnen und Flörsheimer nichts wissen, die ihre reichlich vorhandenen, angestammten Restaurants und Kneipen in der Umgebung vorzogen. Seit das „Rossini“ im November 2018 nach der gleichen Erfahrung aufgab, stehen die Räume leer. Mit der Vorgeschichte wurde es für die Terra unmöglich, die Idee der Edelgastronomie doch noch umzusetzen, Corona tat sein Übriges.

„Der Bauantrag ist gestellt“, betont Braunsberger. Die 400 Quadratmeter Gesamtfläche lassen sich mit einem Aufwand von rund 500.000 Euro – „Stand jetzt“ – zu drei großen Wohnungen umbauen, der heimelige Außenbereich der Restaurants soll dabei erhalten werden. Die Fertigstellung soll im Frühjahr oder Sommer 2023 erfolgen. Wie Aufsichtsratschef Bernd Blisch anmerkt, habe es im Gremium dazu ausführliche Debatten gegeben – auch ein Verkauf des Gebäudes wurde nach dem Rossini-Aus schließlich erwogen. „Durch den Umbau erhält die Immobilie eine Aufwertung“, ist Braunsberger überzeugt – zu Zeiten der Leerstands kostet sie die Gesellschaft wegen der weiter abzuzahlenden Kredite nur Geld.

Es sind lediglich die prominenten Adressen, von denen bei diesem Überblick über die aktuellen Aktivitäten der Terra berichtet wurde. Insgesamt 185 Wohneinheiten besitzt die Erschließungsgesellschaft in Flörsheim jedoch, längst nicht alle sozial gefördert, viele auch in städtischer Nutzung. Wenn Braunsberger und Blisch den Willen bekunden, die Terra künftig wieder mehr in den Wohnungsbau heranzuführen, ergibt das von vorneherein ein Problem: Grundstücke für Neubauprojekte im größeren Format stehen nicht in Aussicht.

Einziger Ansatz, in der Verwaltung und Politik zu diskutieren: Inwieweit die Terra in den beiden nächsten Neubaugebieten Teile der Areale zur Verfügung gestellt bekommt für entsprechende Projekte. Die Koalition hat kürzlich im Rahmen der Beschlüsse zur Umsetzung des ISEK den Vorschlag vorgelegt, bis 2050 maximal 150 neue Wohnungen je Fünf-Jahres-Block anzustreben. Der Anteil des öffentlich geförderten Wohnraums soll dabei 15 bis 20 Prozent betragen, der für den sozialen Wohnungsbau bei 10 bis 15 „in kleinen Einheiten“ liegen.

Damit wäre der Rahmen für die Terra (oder andere Projektträger) in dieser Richtung vorgegeben. Eine weitere Möglichkeit sieht Braunsberger ansonsten nur in der Neubebauung innerstädtischer Grundstücke von Abrissimmobilien, das will die Terra im Blick behalten, dürfte aber auch nur gelegentlich ein Thema werden. Für die Forderung der SPD-Fraktion, auf den steigenden Bedarf an günstigen Wohnraum in der Stadt mit dem Bau von 200 Sozialwohnungen „in den nächsten Jahren“ zu reagieren, sieht es daher eher schlecht aus. Für das Finden anderer Lösungen ist das Unternehmen nicht zuständig, die Verwaltung und die Politik sind gefragt Wege zu finden, um der befürchteten deutlichen Verteuerung der Mietpreise entgegenzuwirken. Mit den geplanten Vorgaben an den künftigen Wohnungsbau in der Stadt wird das wohl kaum zu erreichen sein.

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