Auf dem Platz der Deutschen Einheit im Schokoladenviertel begrüßte zunächst Erster Stadtrat Karl Heinz Spengler, selbst schon lange Jahre Mitglied im Hattersheimer Geschichtsverein, die zahlreichen Besucher. Neben vielen Anwohnern fanden sich auch Mitglieder des Stadtparlaments und der Stadtverordnetenversammlung zum Rundgang ein. Spengler gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass nun, nachdem die Baugenehmigung vorliegt, endlich zur Tat geschritten werden kann, um den Umbau des Werkstattgebäudes zum Museum mit Anbau zu realisieren. Er gab das Wort an den Ersten Vorsitzenden des Hattersheimer Geschichtsvereins, Hans Franssen, weiter, der ebenfalls sichtlich froh darüber war, dass dieses „Bürgermuseum“ nun in absehbarer Zeit fertiggestellt sein wird.
Franssen erinnerte an die Diskussionen zur vom Geschichtsverein angestrebten „guten Nachbarschaft“, die im Vorfeld geführt worden waren und an die vielen Unterstützer und Sponsoren, die das Projekt „durch große und kleine Spenden“ ermöglicht haben. Der Geschichtsvereinsvorsitzende wies darauf hin, dass im Innern der alten Werkzeughalle auch Erinnerungen an den 100. Geburtstag des Sarotti-Mohren auf die Besucher warteten, über dessen Entwicklung der Geschichtsverein in der letzten Zeit viel etwa von Frau Dr. Werner und von Professor Harald Pulch erfahren hat. „Wir haben viele gute Gespräche geführt und sind dankbar dafür“, bekräftigte Franssen. Ebenfalls empfahl er, sich mit Fragen in Bezug auf das Museum jederzeit an ihn oder seine Stellvertreterin Ulrike Milas-Quirin zu wenden.
Im Inneren der alten Werkstatthalle, die im Zuge der Bauvorbereitungen inzwischen komplett entkernt ist, erklärte Architekt Henning Schulze-Steinen (PGS) den Teilnehmern der Begehung, was an diesem Gebäude so besonderes ist. Dazu las er aus der Liste der Kulturdenkmäler Hessen und einem bauhistorischen Gutachten von Dr. Beck vor: „Das Gebäude besticht durch seine klare Architektur und besten Erhaltungszustand, es repräsentiert eine kompromisslose Reformarchitektur.“ Zur Bauzeit der Werkstatthalle habe man mit ihr damals neueste Technik in eine gefällige Kulissenarchitektur eingebunden. „Das war charakteristisch für kleine und mittelständige Betriebe zwischen den zwei Kriegen“, erklärte Henning Schulze-Steinen. „Hier hat das zu einem in gutem Rhythmus proportionierten Baukörper geführt, dessen Architektur nur an wenigen Stellen durch die damalige Nutzung gestört wird.“ Architekten und Denkmalpflege seien sich durchaus einig über die Erhaltungswürdigkeit der alten Sarotti-Werkstatt, deren Hallencharakter im Innern nach der Entkernung für alle Besucher gut zu erkennen war.
„Wir Architekten werden nun zwar neues hinzufügen, das alte aber bewahren“, versprach Schulze-Steinen, „man soll auch trotzdem erkennen, was alt und was neu ist.“
Zwei Drittel im Westen des zukünftigen Gebäudekomplexes werden in Zukunft dem Stadtmuseum zur Verfügung stehen, ein Drittel im Ostteil wird eine Gaststätte aufnehmen.
Die 22 Monate bis zur Erteilung der Baugenehmigung Anfang August habe man zu „recht schwierigen“ Verhandlungen mit Bauunternehmen genutzt und sei nun aber zuversichtlich, dass trotz der im Moment vollen Auftragsbücher wegen „ganz guter Kontakte“ im September mit dem Bau begonnen werden könne. Allerdings seien in den großen Containern, die vor dem Werkstattgebäude zurzeit stehen, noch keine Bauwerkzeuge zu finden. „Da hatten sich auch die Diebe geirrt, die dort schon mal eingebrochen sind: Es sind nur die alten Fenster der Halle da drin, die natürlich zur Fassade gehören und wieder eingesetzt werden, sobald der Baufortschritt das zulässt“, schmunzelte der Architekt.
Ulrike Milas-Quirin, eine der Stellvertreterinnen des Ersten Vorsitzenden, erklärte anhand der an die Wand gepinnten großen Pläne den zukünftigen Museumsaufbau mit Bereichen zur Archäologie, zur Stadtgeschichte und zur Industriegeschichte Hattersheims. Der momentane Zeitplan sieht vor, dass zunächst Ende 2019, Anfang 2020 der Bereich zur Stadt- und zur Industriegeschichte (mit Exponaten zur Hattersheimer Glashütte, zu Sarotti, zur Phrix und zu Anton Flettner) im Foyer und im Erdgeschoss des Museumsbereiches eröffnet wird, die archäologische Ausstellung in fünf „Kabinetten“ im Westturm soll dann bald folgen. Für die konkrete Planung der Bereiche hat sich der Hattersheimer Geschichtsverein externe Hilfe von Museums-Planungsexperten geholt. „Alles ist schon jetzt vorgeplant – das ist gut, wenn man schon von Anfang an weiß, wo man etwa Strom oder eine Steckdose haben muss, um etwa eine Vitrine zu beleuchten“, berichtete Milas-Quirin.
Sie animierte außerdem die Teilnehmer der Veranstaltung dazu, sich die Sarotti-Werbefilme auf den beiden mitgebrachten Laptops anzuschauen. „Leider gibt es hier keinen Baustrom, sonst hätten wir ihnen die Filme gerne auf einer größeren Leinwand hier gezeigt“, bedauerte Milas-Quirin, „und wir hätten auch gerne den 100. Geburtstag des Sarotti-Mohren schon mit einer Sonderausstellung im Museum gefeiert – aber dann feiern wir eben den 102. Geburtstag, das wird auch schön!“
Als Vertreter der Investoren unterrichtete Holger Diefenbach (NAI) bei der Baustellenbegehung davon, dass man sich für den Betrieb des Restaurants im alten Werkstattgebäude eine Gaststätte mit „mediterranem Einschlag“ vorstellt. „Der Betrieb sollte vierschichtig arbeiten, damit auch Mittagessen und ein Café angeboten werden können, nicht nur Abendessen. Es gibt zwar nur wenige Betreiber, die das machen, aber wir halten das hier für wichtig, weil wir denken, dass hier ein Mittelpunkt für das Viertel entstehen soll, der nicht nur abends geöffnet hat“, erläuterte Diefenbach. Die Gaststätte wird etwa 80 Plätze im Inneren und 60 Plätze draußen anbieten können.
Die Frage aus den Reihen der Teilnehmer, warum der Anbau an die Werkstatthalle an der Südseite und nicht an der Nordseite sein müsse, beantworteten Architekt Henning Schulze-Steinen und Holger Diefenbach gemeinsam. Diefenbach erklärte, dass auf dem zur Zeit noch leeren Platz vor der Nordseite der Halle noch ein Gebäudekomplex in Form eines „Riegelhauses mit Einschub“ entstehen werde.
Architekt Schulze-Steinen machte deutlich, dass die Fassade der Nordseite aus Gründen des Denkmalschutzes so erhalten bleiben muss, wie sie ist. „Die Nordseite ist heilig, da darf nichts dran verändert werden, sonst haben wir das Denkmalamt auf der Matte stehen!“, hob er hervor. Aber auch aus baurechtlichen Gründen wäre es nicht möglich gewesen, den Anbau auf der Nordseite zu realisieren, denn das „ordnungsrechtliche Baufeld“ bietet dort entlang nicht genügend Platz für den geplanten acht Meter langen neuen Teil des Gebäudes. So werden die Parkplätze für Museum und Gaststätte auch nicht direkt vor der Nordfassade der Halle entstehen, sondern parallel zum Hessendamm angeordnet sein.
Dass man nach der Baustellenbegehung im Alten Werkstattgebäude der Sarotti mehr zufriedene als skeptische Gesichter sehen konnte, war sicher nicht nur auf die in alten Zeiten zurückführenden Werbefilme, die versüßt mit kleinen Täfelchen Sarotti-Schokolade genossen werden konnten, zurückzuführen. Bei manch einem riefen sie sicher Erinnerungen an vergangene Zeiten, in denen es in Hattersheim und den umliegenden kleinen Orten keinen gab, der den Schokoladengeruch auf den Straßen nicht kannte, wach. Viele Hattersheimer freuen sich auf das Stadtmuseum, welches sicher seinen Beitrag dazu leisten wird, solche Erinnerungen auch für die Zukunft zu bewahren.