"Man muss nicht jedes Wort verstehen, um eine Botschaft zu spüren"

Pfarrerin Marlene Hering verabschiedet sich nach sechs Jahren von der Evangelischen Kirchengemeinde Hattersheim

Eine weitreichende personelle Veränderung hat sich in dieser Woche in der Evangelischen Kirchengemeinde Hattersheim vollzogen: Pfarrerin Marlene Hering ist ab dem heutigen Donnerstag in Bad Soden tätig. 2016 trat Pfarrerin Hering in Hattersheim ihre erste Pfarrstelle an, und unserer Leserschaft ist sie insbesondere auch durch ihre regelmäßigen Ausführungen in der Rubrik "Auf ein Wort" bekannt. Am Sonntag, 4. September, wird sich die neue Bad Sodener Pfarrerin im Rahmen eines Gottesdienstes ab 15 Uhr noch einmal von der Kirchengemeinde Hattersheim verabschieden.

Veränderungen gehören zum Leben

Der Lebensweg der 37-jährigen Marlene Hering war schon von ihrer Kindheit an von Veränderungen und Ortswechseln geprägt. Bedingt durch den Beruf des Vaters (Kameramann) standen immer wieder Umzüge an, auch ins Ausland. Der Weg führte nach Belgien und in die Vereinigten Staaten, und diesen Tapetenwechseln konnte sie schon in jungen Jahren viel Positives abgewinnen: Alte Freundschaften nahm sie einfach mit, neue Beziehungen wurden an neuen Orten aufgebaut.

Ihr Studium der evangelischen Theologie absolvierte sie in Wien, das Vikariat führte sie nach Brandenburg. Danach war sie in der komfortablen Situation, sich drei potenzielle Stationen für ihre erste Pfarrstelle vorab anschauen zu können. Dabei fiel die Wahl schnell auf Hattersheim am Main, eine nach ihren damaligen Worten "Traumstelle" - und nach sechs Jahren kann Pfarrerin Hering nun resümieren, dass sich die Stadt für sie auch tatsächlich als solche entpuppt hat.

Doch es ist nun einmal so, dass eine Pfarrerin nie ewig an ihrem ersten Einsatzort bleibt. Und angesichts der bevorstehenden Einschulung ihrer älteren Tochter (einer "epochalen Zeitenwende" für eine jede Familie, wie Marlene Hering es im Gespräch mit dieser Zeitung beschreibt), ist nun der geeignete Zeitpunkt bekommen, um die quasi vorprogrammierte Veränderung in Angriff zu nehmen. Marlene Hering führt es nun also, gemeinsam mit Ehemann Alexander und den Töchtern Lucia und Dorothea, nach Bad Soden. Auch dort wird sie, wie in Hattersheim, eine halbe Pfarrstelle übernehmen.

Das Heilige im Alltäglichen

Begeistert zeigt sich Marlene Hering von der Offenheit der Hattersheimerinnen und Hattersheimer, die sie seit 2016 tagtäglich kennenlernen durfte. Überaus dankbar ist die Pfarrerin dafür, dass sie während ihres Wirkens in Hattersheim viel ausprobieren und neue Impulse setzen durfte. Impulse, die häufig aus dem Dialog mit den Menschen heraus entstanden sind. Hering war stets viel unterwegs in der Stadt, hat das Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern gesucht und so wertvolle und fruchtbare Netzwerkarbeit betrieben. Und immer wieder mündete der Austausch mit den Menschen im Schwimmbar, im Supermarkt oder auf dem Spielplatz, aber auch im Kindergarten, am Krankenbett oder am Grab in eine konkret darauf bezogene oder davon inspirierte Ausgestaltung der Gottesdienste.

"Ich gehe jetzt anders in diese Kirche hier rein", stellt Marlene Hering im Rückblick auf ihr Engagement in Hattersheim fest, "ich habe gemerkt, dass es meine Kirche geworden ist." Und sie war auch stets bestrebt, anderen Menschen dieses Gefühl zu vermitteln. Gerade auch denjenigen, die diese Kirche gerade zum ersten Mal betreten haben, wie beispielsweise Gäste einer Taufe.

Kirche für alle

Und auch außerhalb der Kirche in der Schulstraße war die scheidende Pfarrerin stets bestrebt, ein "Wir-Gefühl" in Hattersheim zu fördern und die Offenheit und Zugänglichkeit der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde zu propagieren.

So zum Beispiel bei den Geburtstagsgrüßen: Diese sollten nicht nur Gemeindemitglieder ab dem 80. Geburtstag oder anderweitig hoch Verbundene in ihren Briefkästen vorfinden - sondern es sollten alle angeschrieben werden. Eine Entscheidung, die der Kirchenvorstand bewusst getroffen hat: Die höheren Portokosten nimmt man sehenden Auges in Kauf, ebenso das Wissen darüber, dass nicht wenige dieser Briefe auch ungelesen in Papiereimern landen. "Uns ist es wichtig, Kirche für alle zu sein", stellt Marlene Hering überzeugt fest.

Und immer wieder kommen daraufhin liebevolle Antworten zurück, zu denen es ohne den vorherigen Versand der Grüße nun mal nicht gekommen wäre: Eine nette Danksagung, ein großes Foto vom Mond oder auch mal ein kleines Lebkuchenherz: "Ach, kuck mal an!", hat sich Pfarrerin Hering da nicht selten gedacht. Und auf diesem Wege sind wertvolle Kontakte entstanden, die mitunter auch in den Gottesdienst geführt haben: Plötzlich trat dort ein beglückwünschter Musiker auf, den es ansonsten wohl nie dorthin verschlagen hätte.

Oder ein anderes Beispiel: Die Friedensgebete. Hier hatte Pfarrerin Hering eine Russin und eine Ukrainerin gebeten, im Wechsel zu beten. "Das kann man organisieren. Was man nicht organisieren kann ist, dass die beiden dann im Anschluss Ihre Telefonnummern austauschen", erinnert sich Marlene Hering freudig zurück. Dies seien die Dinge, die man auch als Pfarrerin nicht mehr selbst in der Hand hat - und die einen dann für einen Moment etwas wie Glückseligkeit oder Gnade spüren lassen.

Die "Ära Hering" in der Evangelischen Kirchengemeinde Hattersheim ist nun zu Ende gegangen. Die Pfarrerin hat Spuren in der Stadt hinterlassen - und auch umgekehrt ist dies zweifellos der Fall. "Nichts bleibt ewig", stellt Marlene Hering fest - "und trotzdem erzählt der Glaube ja auch: Es geht auch nichts verloren."

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