Neben der Situation rund um Starkregenereignisse im gesamten Stadtgebiet und Maßnahmen zum Hochwasserschutz war die geplante Deichrückverlegung in Eddersheim ein Schwerpunktthema der Bürgerversammlung am vergangenen Donnerstagabend in der Stadthalle. Und das öffentliche Interesse fiel diesmal größer aus als noch zur Informationsveranstaltung im Sommer 2022, als nur knapp 20 Bürgerinnen und Bürger zur Mittagszeit in das Okrifteler Haus der Vereine kamen - was damals aber sicher auch nicht unerheblich der Corona-Pandemie zuzuschreiben war.
Gleich zu Beginn der Bürgerversammlung wies Bürgermeister Klaus Schindling auf eine weitere Versammlung zu diesem Thema am Mittwoch, 23. April, hin, die ebenfalls in der Stadthalle stattfinden wird. Dann werden auch Vertreter vom Regierungspräsidium Darmstadt vor Ort sein - und damit die tatsächlich Verantwortlichen, welche die Projektleitung und die genaue Ausgestaltung in ihren Händen halten, so Schindling. Der Bürgermeister wies darauf hin, dass die Deichrückverlegung ein Projekt ist, das nicht aus städtischen Mitteln, sondern aus Landes- und Bundesmitteln finanziert wird, und das Regierungspräsidium fungiert als Koordinationsstelle und übernimmt die Planungen, beispielsweise in Hinblick auf die Ausgestaltung der Bauwerke oder die Umweltverträglichkeit. Für präzise Fachfragen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Regierungspräsidiums daher die geeigneteren Adressaten - aber auch an diesem Abend gab man sich schon alle Mühe, allen voran Benedict Heinrich vom Referat für Bauen, Planen und Umwelt, aufschlussreiche Informationen zum Thema Deichrückverlegung in Eddersheim an das Publikum weiterzureichen.
Wichtig sei auf jeden Fall die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Kooperation auf den Gemarkungen der Städte Hattersheim und Flörsheim handelt, so Schindling. Und sollte beispielsweise Hattersheim der Auffassung sein, dass man dieses Projekt in der geplanten Form lieber doch nicht auf der eigenen Gemarkung vollendet sehen möchte - dann wird Flörsheim ebenfalls keinen Deichschutz bekommen. Dies habe das Regierungspräsidium Darmstadt sehr deutlich gesagt. Ebenso müsse die ablehnende Kommune die bislang angefallenen Planungskosten für beide Städte tragen. Und mittlerweile belaufe sich diese Summe bereits auf fünf bis sechs Millionen Euro, betonte der Bürgermeister.
Umfang und Ziele der Maßnahme
Zur ersten Informationsveranstaltung vor knapp drei Jahren lieferte das Regierungspräsidium Darmstadt zusammen mit Projektingenieurin Sina Wunder vom zuständigen Ingenieurbüro umfassende Erläuterungen zu den Planungen.
Der Maindeich im Abschnitt zwischen Flörsheim und Hattersheim soll sowohl die Bevölkerung als auch landwirtschaftliche Flächen vor starkem Hochwasser, wie es statistisch gesehen alle 200 Jahre auftreten könnte (der Fachbegriff hierfür lautet "HQ 200"), schützen. Zu Hattersheim gehört dabei der 2,8 Kilometer lange Abschnitt zwischen dem Flörsheimer Artelgraben und der Ankerstraße in Eddersheim, ein Abschnitt von 1,7 Kilometern Länge liegt auf Flörsheimer Gemarkung, und wohlgemerkt besteht entlang der Ankerstraße und der Mönchhofstraße in Eddersheim bislang noch gar kein Hochwasserschutz. Die Sicherstellung des Hochwasserschutzes wird durch den Umbau des Deiches nach dem aktuellen Stand der Technik und der Schaffung von Retentionsräumen erfolgen.
Nach den gewaltigen Hochwasserereignissen an Oder und Elbe rund um die Jahrtausendwende beschloss die Umweltministerkonferenz 2013 die Erarbeitung eines Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP), das dann auch im Folgejahr endgültig verabschiedet werden konnte. Ziel des Programms ist eine beschleunigte Umsetzung prioritärer und überregional wirkender Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes im gesamten Bundesgebiet. Infolgedessen beschlossen die Kommunen Hattersheim und Flörsheim eine Zusammenarbeit bezüglich ihrer Deichprobleme im Rahmen einer sogenannten Verbundmaßnahme, und erst so erreichte das Projekt „Deichrückverlegung Hattersheim/Flörsheim" eine ausreichende Größe, um überhaupt für die Aufnahme im NHWSP in Frage zu kommen. Schon im Folgejahr stellte sich der gewünschte Erfolg ein: Die Verbundmaßnahme fand im NHWSP Berücksichtigung.
Jedoch bezahlt der Bund auch diese Hochwasserschutzmaßnahmen nicht komplett - in Sachen Finanzierung war für die Kommunen daher die Kuh immer noch nicht vollständig vom Eis. 2016 entschied sich dann schließlich auch noch das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für eine anteilige Förderung der NHWSP-Maßnahmen durch das Land Hessen.
Im März 2018 konnte der damalige Staatsminister Axel Wintermeyer bei einer Ortsbegehung in Eddersheim verkünden, dass der Bund und das Land Hessen die Sanierungsarbeiten übernehmen werden: Mit 60 Prozent wird sich der Bund an der Finanzierung der Maßnahmen beteiligen, die übrigen 40 Prozent gibt das Land Hessen als Investitionszuwendung über den Kommunalen Finanzausgleich hinzu.
Projektingenieurin Sina Wunder stellte dem Publikum seinerzeit im Haus der Vereine sodann den damaligen Planungsstand vor, wagte aber zunächst noch einen kurzen Ausflug in die Historie: Anhand einer archäologischen Fundkarte des Mainmündungsgebietes mit den Altarmen des Mains zeigte sie auf, was der Main "eigentlich natürlicherweise gerne machen würde". Der alten Verzweigung des Mains entsprechend liegen Flörsheim und Eddersheim im natürlichen Überflutungsgebiet des Flusses, und deshalb wurde der Deich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert zum Schutz der Städte errichtet - und hat nun nach weit über 100 Jahren seine Lebensdauer überschritten. "Der Aufbau, der damals errichtet wurde, entspricht nicht mehr dem Stand der heutigen Technik", erläuterte Sina Wunder. Grundlagenuntersuchungen, unter anderem in Form von geotechnischen Bohrarbeiten, stellten den Damm selbst wie auch dessen Untergrund auf die Probe, und demnach würde der Deich heute einem Hochwasserereignis mit einer Intensität, wie sie aus statistischer Sicht alle 50 Jahre auftreten kann, noch begegnen können - bei einem noch stärkeren Hochwasser steht jedoch zu befürchten, dass der Damm unkontrolliert bricht.
Zur Verdeutlichung kann man sich noch einmal an das letzte größere Hochwasserereignis in Eddersheim im Januar 2011 erinnern: Damals berichtete der Hattersheimer Stadtanzeiger, dass man nochmal "mit einem blauen Auge davongekommen" sei. Laut der Freiwilligen Feuerwehr lag der Wasserpegel in Okriftel seinerzeit bei 4,50 Metern. Besonders die Mainufer in Eddersheim und Okriftel waren betroffen, aber auch das Wäldchen in Okriftel, an dem der Schwarzbach entlang fließt. Dieses Hochwasser entsprach einem Ereignis, mit dem alle zehn bis zwanzig Jahre zu rechnen sei. Nun hat man sich vorgenommen, zwischen Eddersheim und Flörsheim einen Damm zu errichten, der die Bevölkerung selbst vor einem Hochwasser effektiv schützt, wie es nur alle 200 Jahre zu erwarten ist.
Die Auswirkungen einer solchen Überflutung für Eddersheim wären potenziell gewaltig: Stand jetzt würde es dabei zu einer Überflutung der Gebäude entlang der Ankerstraße und der Mönchhofstraße kommen, das Stadtgebiet südwestlich der Ankerstraße wäre ebenfalls überflutet. An Gebäuden wäre mit einer Wassertiefe von bis zu 1,6 Metern zu rechnen, im Park und an der Straße würde das Wasser gar zwei Meter tief stehen.
Um ein solches Schreckensszenario künftig dauerhaft ausschließen zu können, hat das beauftragte Ingenieurbüro ein Planungskonzept erarbeitet, demzufolge der Deich entlang der Stadtgrenze von Flörsheim und nördlich der Bahnlinie rückverlegt werden soll. Ab einem 50-Jahres-Hochwasser soll ein ausreichender Retentionsraum für den Main kontrolliert geflutet werden können, so dass das Hochwasserrisiko für das rückwärtige Land im Vergleich zum heutigen Stand nicht verschärft wird.
In Eddersheim wird ebenfalls eine Deichrückverlegung zwischen der ICE-Trasse und der Kläranlage notwendig sein. Auch an der Ankerstraße wird der Deich nach dem aktuellen Stand der Technik ertüchtigt, und entlang der Ankerstraße und der Mönchhofstraße ist die Herstellung eines sogenannten linienhaften Hochwasserschutzes geplant, bestehend aus einer kombinierten Hochwasserschutzwand aus fester Wand und mobilem Aufbau. Der Retentionsraum des Mains bleibt dabei ebenso erhalten wie das Stadtbild mit Parkanlage.
Der neue Deich in Eddersheim wird nach dem aktuellen Stand der Technik vom wasserseitigen Böschungsfuß her entwickelt, weil man dem Main keinen Platz mehr nehmen darf. Derzeit sind die Böschungen noch zu steil, "da müssen wir ein bisschen flacher werden", stellte die IQG-Projektingenieurin in Aussicht. Der obere Weg auf der Deichkrone muss etwas erhöht werden, damit das Freibord (der Bereich über dem Bemessungswasserstand) angehoben und somit auch ein Schutz vor Wellenschlag gewährleistet werden kann. Auch die Neigung des Deichs auf der Landseite muss etwas verflacht werden, und man benötigt einen Deichverteidigungsweg, der im Hochwasserfall Fahrzeugen ein leichtes Fahren am Deich ermöglicht (beispielsweise zur Deichkontrolle) und auf dem gegebenenfalls mit Sandsäcken gearbeitet werden kann.
Auf beiden Seiten des Deichs muss es zudem Deichschutzstreifen geben, die nicht bebaut oder bepflanzt werden dürfen - ansonsten würde die Gefahr bestehen, dass Wurzeln den Deichkörper beschädigen.
Außerordentlich tiefe Wand
Zurück zur Bürgerversammlung in der vergangenen Woche: Hier wurden unter anderem Bedenken an der 1,20 Meter hohen Wand laut, denn diese soll mit acht Meter langen Metallprofilen außerordentlich tief im Boden verankert werden. Die Installation des Bauwerks wird sicher mit Lärm verbunden sein. Jedoch soll ein vibrationsarmes Verfahren zum Einsatz kommen, welches diese Belästigungen minimieren soll. Dennoch sollen anliegende Häuser nach Abschluss der Bauarbeiten auf Schäden untersucht werden. Natürlich müssten die Kosten für mögliche Reparaturen nicht die Eigentümer selbst tragen. Ebenso liegt es im Aufgabenbereich der Planerinnen und Planer, eine Beeinflussung der Grundwasserströme durch die acht Meter tiefe Wand auszuschließen.
Benedict Heinrich betonte auch, dass teils Jahrzehnte und noch länger zurückliegende Erfahrungsberichte von Anwohnern oder deren Vorfahren nicht zur Entwarnung in Hinblick auf anzunehmende Folgen von kommenden Hochwasserereignissen geeignet seien. Das Mainufer sei heutzutage deutlich dichter bebaut als in früheren Zeiten. Zweifellos würden ohne Stärkung des hiesigen Hochwasserschutzes zahlreiche Gebäude von einem Hochwasser erheblich beschädigt werden.
Kommentare