Die neue Erste Stadträtin kann kommen

Stadtverordnete beschließen neue Ausschreibung: Im Koalitionsvertrag aufgegebenes Amt soll doch besetzt werden

Längst ist es ein offenes Geheimnis, dass die 43-jährige Heike Seibert aus Niedernhausen, seit 2015 Leiterin der Kreisgeschäftsstelle der CDU Main-Taunus, zudem Fraktionsgeschäftsführerin und seit dem vergangenen Jahr auch Mitglied der Hattersheimer CDU und hier Stellvertretende Vorsitzende im Parteivorstand, aller Voraussicht nach zum 1. Mai 2023 die Nachfolge von Karl Heinz Spengler als neue Erste Stadträtin antreten soll.

Vor diesem Hintergrund hat der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung in der jüngsten Sitzungsrunde einen Antrag vorgelegt, demzufolge nun doch die Stelle der Ersten Stadträtin oder des Ersten Stadtrats wieder ausgeschrieben werden soll - im Widerspruch zum Inhalt des Koalitionsvertrages, den noch im Mai 2021 die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP und Freien Wählern vorgelegt hatten und der ausdrücklich keine Neubesetzung dieses Amtes nach dem Ausscheiden von Karl Heinz Spengler im April 2023 vorsah.

In der Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Donnerstag, 20. Oktober, flammte in dieser Sache nun noch einmal eine energische Debatte auf - vor den Augen der ebenfalls anwesenden Heike Seibert im Zuschauerbereich im Okrifteler Haus der Vereine.

Veränderte Vorzeichen

Bürgermeister Klaus Schindling räumte im Wortbeitrag zum Antrag des Magistrats gegenüber der Stadtverordnetenversammlung ein, dass er vor zwei Jahren tatsächlich noch der festen Überzeugung war, dass man die Stelle des Ersten Stadtrates nach dem geplanten Ausscheiden von Spengler nicht neu besetzen sollte. Er ging damals davon aus, dass die Verwaltung dies in Sachen Arbeitsaufwand auffangen könnte.

Doch die Zeiten ändern sich: Heuer habe die Verwaltung eine "immense Intensität und Menge an zu bewältigenden Bedingungen" zu schultern, so Schindling. Und deshalb hat er dem Magistrat vorgeschlagen, die Stelle des Ersten Stadtrates doch wieder neu zu besetzen, um die Verwaltung für kommende Aufgaben angemessen zu wappnen. Er sei sich sicher, dass dies die richtige Entscheidung sei und räumte gleichzeitig ein, dass er die Situation vor knapp zwei Jahren falsch bewertet hat.

SPD befürchtet Vertrauensverlust in die Politik

Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Hattersheimer Parlament, Dr. Marek Meyer, zeigte sich auch überzeugt davon, dass eine Stadt wie Hattersheim "einen Ersten Stadtrat gut gebrauchen kann". Dies sei schon zu früheren Zeiten so gewesen, als in der Stadtpolitik noch andere Mehrheiten herrschten, und es wird Hattersheim auch künftig gut tun, einen Ersten Stadtrat - oder eher: eine neue Erste Stadträtin - zu haben.

Gerade deshalb zeigte man sich in den Reihen der SPD auch seinerzeit überrascht, als nach der letzten Kommunalwahl die Koalition bekannt gab, dass mit dem Eintritt vom Karl Heinz Spengler in den Ruhestand auch das Amt des Ersten Stadtrates in Hattersheim ein Ende haben sollte, weil man eine solche Position nicht mehr bräuchte. Für noch mehr Stirnrunzeln sorgten gleichzeitige Verzögerungen bei vielen Projekten, wie zum Beispiel der Sanierung der Stadthalle - ein potenzieller Indikator dafür, dass die Personaldecke in der Verwaltung auch schon sein längerem für das zusätzliche Auffangen der Arbeit eines Ersten Stadtrates nicht dick genug ist. Vor diesem Hintergrund regte Dr. Meyer auch an, einmal über Veränderungen in der Referatsaufteilung nachzudenken, damit "Dinge, die liegengeblieben sind" mit "höherer Priorität angepackt werden können".

Grundsätzlich zeigte sich Dr. Marek Meyer sehr verwundert darüber, dass man nach der Wahl rund um den Koalitionsvertrag damit geprahlt hat, diese Stelle künftig einsparen zu wollen - und nach der Wahl macht man nun das genaue Gegenteil davon. "Das schafft wenig Vertrauen", so Dr. Meyer, und in Anlehnung an die vorherigen Worte des neuen Stadtverordnetenvorstehers Georg Reuter bezüglich der akuten Notwendigkeit zur Stärkung der Demokratie mahnte er an, dass man Politikverdrossenheit fördere, wenn man nicht auch "tut was man sagt".

Bürgermeister Klaus Schindling erwiderte darauf kämpferisch, dass er sich eben "nie zu fein" dafür sei und die Größe besitzt, eigene Falscheinschätzungen auch zu revidieren und sie "nicht mit politischer Starrköpfigkeit" weiterzuführen. "Das unterscheidet meine Politik von der SPD", so die Retourkutsche des Rathauschefs.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Minnert nahm die Meinungsänderung auf Seiten der Koalition in dieser Sache freilich in Schutz: Der Koalitionsvertrag sei seinerzeit von allen Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen ausgehandelt und von allen drei Fraktionsvorsitzenden unterschrieben worden, und zum damaligen Zeitpunkt konnte man wirklich davon ausgehen, dass "die anstehenden Dinge so zu erledigen gewesen wären" - also ohne Ersten Stadtrat. Aber angesichts der vielen akuten Krisenherde hole einen manchmal eben die Wirklichkeit ein, und dann müsse man eben auch sagen können: "Die Welt hat sich anders gedreht als wird das vorhergesehen haben", und dann müsse man seine vorherigen Entscheidungen entsprechend überdenken.

Zustimmung trotz Zweifel an Aufrichtigkeit

Auch der Hattersheimer SPD-Vorsitzende Selim Balcioglu meldete sich schließlich noch zu Wort und formulierte einen klaren Vorwurf in Richtung Koalition: Noch vor einem Jahr hieß es, dass man keinen Ersten Stadtrat benötige. Nun habe man einen Koalitionsvertrag, dem man nicht treu ist, und ersetzt in diesem Amt einen Mann der Freien Wähler mit einer Person aus den Reihen der CDU. Balcioglu kann nicht glauben, dass diese Entscheidung erst vor kurzem getroffen wurde: "Sowas braucht Planungen, sowas braucht viele Gespräche vorab über viele Monate".

Trotz dieser Kritik am Politikstil der Koalition in dieser Angelegenheit herrschte in der Stadtverordnetenversammlung große Einigkeit in der Sache: Der Antrag zur Neubesetzung der Stelle des Ersten Stadtrats bzw. der Ersten Stadträtin wurde einstimmig beschlossen, die Wahl soll nun spätestens im Januar in der Stadtverordnetenversammlung durchgeführt werden.

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