Auf den Spuren der Ur-Hattersheimer Spektakuläre Funde aus der Jungsteinzeit

Archäologische Ausgrabungsarbeiten im Gewerbegebiet südlich der Voltastraße vor sechs Jahren

Seit dem 10. Januar laufen die archäologischen Grabungen an der Voltastraße im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens Nr. N100 „Vordere Voltastraße“, bis mindestens Mai sollen sie noch andauern.

Im Vorfeld zur baulichen Erschließung wurde auf dem Areal an der Voltastraße eine geophysikalische Prospektion durchgeführt, bei der interessante Anomalien zu Tage traten. Diese Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass sich an dieser Stelle möglicherweise archäologisch relevante Fundstücke verbergen könnten. So kam es, dass das Landesamt für Denkmalpflege archäologische Grabungen und Suchschnitte in den entsprechenden Teilbereichen des Plangebiets anregte.

Die aktuellen Grabungen sind längst nicht die ersten derartigen archäologischen Vorgänge im Hattersheimer Süden. Die neuen Entwicklungen sind ein guter Anlass, um auf bisherige Ausgrabungen und deren Fundergebnisse in Hattersheim zurückzublicken.

Entdeckungen im Jahre 2015

Im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes südlich der Voltastraße in Hattersheim waren 2015 großflächige archäologische Ausgrabungsarbeiten notwendig, da Voruntersuchungen deutliche Hinweise auf eine archäologische Fundstelle lieferten. Die Ausgrabung wurde von der „hessenARCHÄOLOGIE“ unter der Leitung des Landes- und Bezirksarchäologen Dr. Udo Recker und der örtlichen Grabungsleiterin Dr. Franka Schwellnus Anfang April 2015 begonnen und Ende November 2015 abgeschlossen.

Auf der insgesamt circa vier Hektar großen Erschließungsfläche wurde eine große Anzahl von Gruben unterschiedlicher Tiefe freigelegt, die zum Teil bis in eine Tiefe von circa 250 Zentimetern unter die heutige Oberfläche reichten.

In der Regel dienten in der Vorgeschichte angelegte Gruben der Lagerung von Lebensmitteln, der Abfallentsorgung oder der Entnahme von Rohmaterial wie Lehm oder Ton. Eine der Gruben enthielt Scherben von Tongefäßen aus der Jungsteinzeit, welche mit einer charakteristischen Verzierung von flächig aufgebrachten, kleinen Kerben versehen war. Dabei handelte es sich um Töpfe oder Schüsseln, wie sie in der damaligen Zeit als Koch- oder Essgeschirr gebraucht wurden.

Die Scherben aus einer anderen Grube konnten zu einem beinahe vollständig erhaltenen Gefäß zusammengefügt werden, welches sogar noch Schmauchspuren vom Herdfeuer an seiner Unterseite aufwies. Zahlreiche Pfosten ergänzten das Befundspektrum, wobei von diesen jeweils die Verfärbung der verrotteten Pfosten im Boden erhalten war. Drei große ovale Gruben, die durch eine Rampe betreten oder befahren werden konnten, dürften als Lehmentnahmegruben gedient haben. Möglicherweise wurden auf den Äckern außerhalb der Stadt Feldbrandziegeleien betrieben – ein vorindustrielles, saisonales Gewerbe, um den erhöhten Ziegelbedarf beim Hausbau zu decken. Der Boden um Hattersheim bot guten Lösslehm zur Herstellung von Ziegeln oder Backsteinen. Ein vollständiges Pfostengebäude ließ sich rekonstruieren, bestehend aus zwei Reihen à vier Pfosten und jeweils einem Firstpfosten an den beiden Schmalseiten. Daraus ergab sich ein Gebäudegrundriss von circa fünf mal neun Metern, wobei Holzpfosten von etwa 30 Zentimetern Durchmesser benutzt wurden.

Der spektakulärste Fund der Grabung bisher war das Grab einer Frau, welche mit angehockten Beinen in der Grabgrube lag. Ihr war ein kleines Steinbeil beigegeben, welches geringe Gebrauchsspuren aufwies und dessen Schneide noch geschärft war.

Die hölzerne Schäftung des Beils hatte sich im Boden nicht erhalten. Dieses Beil datierte das Grab in die Jungsteinzeit. Das Skelett konnte dokumentiert und geborgen werden, obwohl die Knochen bereits stark porös waren.

Zusammenfassend betonte der hessische Landesarchäologe Dr. Udo Recker, dass sich die damals untersuchte Fläche im Rand- oder Außenbereich einer vorgeschichtlichen Siedlung befindet, wobei die datierenden Funde in die Jungsteinzeit weisen: „Hier wurden einige Gruben und Häuser angelegt, allerdings liegen die Siedlungsspuren weit verstreut, praktisch über die gesamte ergrabende Fläche verteilt. Diese Befunde sind von hohem wissenschaftlichem Wert und fanden in der bisherigen Forschung zu wenig Beachtung, liefern sie doch Einblicke in die damalige Lebenswelt im Umfeld einer jungsteinzeitlichen Siedlung im Rhein-Main-Gebiet.“

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