Die erste Bürgerversammlung zur bevorstehenden Umgestaltung der Sindlinger Straße stieß Anfang Juli noch auf ein etwas größeres Interesse: Fanden sich damals noch etwa 50 betroffene Anwohnerinnen und Anwohner im Okrifteler Haus der Vereine ein, waren es am Mittwoch der vergangenen Woche, 14. September, nur noch gute zwei Dutzend. Diesmal hatte die Stadt Hattersheim am Main eingeladen, um die Bürgerinnen und Bürger über die nächsten Schritte zu informieren und diesen erneut die Möglichkeit zur Diskussion mit Bürgermeister Klaus Schindling und den beteiligten Akteuren und Fachexperten zu geben.
Im Laufe des "Premierenabends" vor gut zweieinhalb Monaten wurden aus den Reihen des Publikums immer wieder Beschwerden formuliert über Mängel beim Hochwasserschutz und insbesondere auch Lärmbelästigung, vornehmlich verursacht durch nächtlichen Verkehrslärm. Unbelehrbare Raser und die stark sanierungsbedürftige Sindlinger Straße bilden hier eine unheilige Allianz, die immer wieder dafür sorgt, dass geplagte Bürgerinnen und Bürger nachts aufschrecken und so um ihren Schlaf gebracht werden. Diverse Anregungen aus der ersten Informationsveranstaltung wurden mittlerweile auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und finden nun gegebenenfalls in den weiteren Planungen Berücksichtigung.
Mängel erfordern Handeln
Dass die Sindlinger Straße früher oder später grundhaft erneuert werden muss, ist unumstritten. Geplant ist nun, die Sindlinger Straße auf einer Länge von etwa 600 Metern zwischen Mainstraße und dem Ortsausgang in Richtung Sindlingen auf Höhe des Mühlgrabenweges auszubauen und grundhaft zu erneuern. Die Fahrbahn soll neu hergerichtet, Gehwegbreiten sollen erhöht werden, gerade auch zur Schulwegsicherung und zur besseren Nutzbarkeit für Erwachsene, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind. Halte- und Querungsstellen sollen barrierefrei gestaltet werden. Das aktuelle System mit wechselseitigem Parken will man zugunsten der Verkehrsberuhigung beibehalten, und bei dieser Gelegenheit will man auch punktuell die vorhandenen Entwässerungskanäle und Wasserleitungen erneuern. Zudem ging man erneut auf das Thema Starkregen und Entwässerung ein. Es wurde den Gästen berichtet, dass der im Zuge der Umbauarbeiten geplante neue Kanal etwa doppelt so viel Wasser ableiten können wird, als es aktuell der Fall ist. Dass Rückstau im Kanal durch die Hausanschlussleitung in die Gebäude gelangt, lasse sich durch eine Rückstausicherung verhindern, welche in jedem Gebäude vorhanden sein sollte. Dafür verantwortlich ist laut Entwässerungssatzung die Grundstückseigentümerin oder der Grundstückseigentümer selbst. Bei Fragen zum Thema stehen den Bürgerinnen und Bürgern die Stadtwerke Hattersheim gerne zur Verfügung.
In der Summe handelt es sich um eine Gemeinschaftsmaßnahme der Stadt mit dem Straßen- und Verkehrsmanagement von Hessen Mobil. Außerdem wurden Fördermittel beim Land Hessen nach dem Mobilitätsfördergesetz für die Erneuerung von Gehwegen beantragt.
Bürgermeister Klaus Schindling erläuterte dem Publikum gegenüber, warum es ausgerechnet jetzt zur Sanierung kommen soll, denn trotz der vielen Flicken und Löcher auf der Fahrbahnoberfläche hätte die Straße vielleicht noch das ein oder andere Jahr halten können. Jedoch: Hattersheim am Main schickt sich an, die Schallmauer von 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zu durchbrechen. Aktuell liegt die Bevölkerungszahl dem Einwohnermeldeamt zufolge bei gut 29.600, berichtete der Bürgermeister, und sobald diese auf 30.000 und mehr anwächst, ist die Stadt automatisch auch Straßenbaulastträger. Das bedeutet, dass nicht mehr das Land für die Renovierung zuständig wäre, sondern nur noch die Stadt - Städte dieser Größenordnung sind für die Sanierung aller ihrer Straßen alleine zuständig. Und bei einem Projekt wie diesem hier, das Kosten im siebenstelligen Bereich verursachen wird, ist es für die Kommune schon ein gehöriger Unterschied, ob es noch (zum Großteil) aus Landesmitteln finanziert wird, oder eben nicht. Deshalb hat man sich seitens der Stadt mit Hessen Mobil zusammengesetzt, um alle hiesigen Straßen durchzugehen, und nun auch schon Verträge für die Sanierungen der großen Straßen im Stadtgebiet geschlossen, damit das "Stadtsäckel" nicht zu einem späteren Zeitpunkt unnötig stark belastet wird.
Sanierung kann Lärmimpulse minimieren
Peter Dengel, Betriebsleiter der Stadtwerke Hattersheim, hieß das Publikum im Haus der Vereine herzlich willkommen und schlug direkt einen Bogen zum ersten Infoabend, als die Lärmproblematik seitens der Anwohnerinnen und Anwohner eine besonders große Priorität genoss. Gerade Schwingungen und Erschütterungen, in der Sindlinger Straße gerne verursacht durch schwere Omnibusse, bringen in den Wohnungen und Häusern viel zu oft "einige Tassen zum Klappern". Dieses Thema sei angekommen, so Dengel, und eine Klärung dieser Problematik sei allen sehr wichtig. Deshalb hat man einen zertifizierten Sachverständigen für Erschütterungsimmissionen eingeschaltet, Dipl.-Ing. (FH) Martin Forst von der i-SECON GmbH, der an diesem Abend auch zu den geladenen Experten zählte.
Forst konnte direkt berichten, dass er im Vorfeld der Bürgerversammlung die Sindlinger Straße schon einmal genauer unter die Lupe genommen hat. Sein erstes Urteil ließ bereits kaum noch Fragen offen: "Die gibt alles her, was man zur Erschüttungserzeugung braucht." Die Straße weist gleichermaßen tiefergelegte und höher liegende Kanaldeckel auf, ebenso Bodenwellen en masse - alles Beschaffenheiten, die vorzugsweise Impulse wie jene auslösen, die die dortigen Anwohnerinnen und Anwohner permanent auf die Palme bringen.
Die naheliegende Lösung: Hat man eine glatte, gerade Straße und Straßenverkehr mit Luftbereifung, dann wäre dies bereits der erwünschte große Wurf in Sachen Lärm. Denn es sei ja nicht so, dass ausnahmslos jeder Anwohner, der an einer Straße wohnt, sich über Erschütterungen beklagt. Ergo muss es für letztere einen Auslöser geben, der nicht überall vorhanden ist. Fährt ein Omnibus über eine Bodenwelle, wird ein Impuls ausgelöst, der Schwingungen und Erschütterungen in der Umgebung verursacht. Fehlt die Bodenwelle jedoch, gibt es erst gar keinen Impuls und folgerichtig auch keine tanzenden Tassen in den Vitrinen.
"Ich gehe davon aus, dass wenn die Strasse jetzt gemacht wird, diese ganzen Unebenheiten beseitigt werden und damit eigentlich auch das Problem schon gelöst wird", stellte Martin Forst in Aussicht. Man plane nun, mehrere Messungen in anliegenden Häusern durchzuführen, um den momentanen Status Quo festzuhalten. In den ausgewählten Gebäuden (wahrscheinlich werden es drei Stück sein) werden Messgeräte aufgestellt, und das über mehrere Tage bis hin zu einer Woche, damit man sich tatsächlich ein längerzeitiges Bild von den herrschenden Erschütterungseinwirkungen machen kann. Dazu werden aktuell noch Anwohnerinnen und Anwohner gesucht, die bereit sind die Erschütterungsmessgeräte im eigenen Gebäude aufstellen zu lassen. Diese können sich gerne bei den Stadtwerken Hattersheim unter folgender E-Mail melden: sindlinger[at]hattersheim[dot]de. Dabei wird dann auch geklärt, ob bestimmte DIN-Normen bezüglich Erschütterungen im Bauwesen in der Sindlinger Straße Stand jetzt noch eingehalten oder bereits überschritten werden, also ob ein erhöhtes Schadensrisiko besteht. Hierüber muss man sich nun erst einmal ein aussagekräftiges Bild verschaffen, so der Sachverständige.
Mehr Kontrollen gegen Raser
Ein weiterer lärmfördernder Faktor sind freilich die lautstarken Tempoüberschreitungen, von denen die Bewohnerinnen und Bewohner der Sindlinger Straße gerade nachts ein Liedchen zu singen wissen. Bürgermeister Schindling nannte zur Bekämpfung des nervtötenden Rasertums zunächst einmal die Möglichkeit von Geschwindigkeitskontrollen mit mobilen Messgeräten. Das könne bereits helfen, so der Rathauschef, aber man könne natürlich auch zusätzlich noch überlegen, ob man die dortige Tempo-30-Zone für die komplette Straße durchgängig macht. Aber auch das sei nur eine flankierende Maßnahme, stellte Schindling klar, denn selbst eine große "30" auf dem Asphalt oder eine entsprechende Beschilderung können letztendlich nicht verhindern, dass sich jemand über diese Regelung hinweg setzt und trotzdem durch die Straße heizt.
Keine geeignete Lösung wären Schindling zufolge verkehrsberuhigende Maßnahmen, wie beispielsweise die "Berliner Kissen", also kleinere Bremsschwellen, die sich nur in langsamerem Tempo halbwegs komfortabel überfahren lassen. Denn damit würde man sich wieder neue Bodenwellen anlachen, sprich: Impulsgeber für Schwingungen und Erschütterungen. Das will natürlich niemand in der Sindlinger Straße.
Somit bleibt nur noch die Möglichkeit der verschärften Geschwindigkeitskontrollen, und hätte man dort eine durchgehende Tempo-30-Zone, könnte man die Raser auch auf einer längeren Strecke schneller erwischen. Und wer weiß: Vielleicht entpuppt sich dann ein tieferer Griff ins Portemonnaie, womöglich gepaart mit einem Fahrverbot, doch noch als wirksame erzieherische Maßnahme, zur Freude der Anwohnerschaft.
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