Leserbrief Deichrückverlegung zwischen Flörsheim und Eddersheim

Nach der Informationsveranstaltung "Deichrückverlegung zwischen Flörsheim und Eddersheim" am 8. Juli befürchtet der ADFC einen weiteren Attraktivitätsverlust des europäischen Main-Radwegs.

In der Informationsveranstaltung präsentierten Vertreter der Stadt Hattersheim, des mit der Baumaßnahme beauftragten Regierungspräsidiums Darmstadt sowie des mit der Konzepterstellung betrauten Ingenieurbüros den derzeitigen Stand der Planungen. Überraschenderweise beinhaltet das vorgestellte Konzept keine Deichverlegung, sondern nur die Sanierung bzw. Ertüchtigung des bestehenden Deiches und die Errichtung eines zusätzlichen "Querdeiches" östlich von Flörsheim. Die neue Deichanordnung soll für das sogenannte "200-jährige Hochwasser" den Schutz der Siedlungen gegen Überschwemmungen gewährleisten können. Die Errichtung von Verkehrswegen ist dagegen, nach Aussage des RP, grundsätzlich nicht Gegenstand dieses Hochwasserschutzprojektes. Allerdings werde auf jeden Fall ein "Deichverteidigungsweg" hinter dem Deich (also landeinwärts) angelegt, auf dem auch schwere Fahrzeuge fahren können. Dieser Weg werde inzwischen aus Gründen der Instandhaltungskosten meist nicht mehr mit einer Asphaltdecke versehen. Die Deichkrone sei grundsätzlich begehbar, Befahren mit Rädern werde aber wegen der Gefahr von Beschädigungen des Deiches kritisch gesehen.

Die Vertreter der Stadt Hattersheim gaben - allerdings erst auf konkrete Nachfrage von ADFC-Mitgliedern im Saal - die Information, dass die Deichkrone zukünftig für Radfahrer gesperrt werden soll (wie auf der Flörsheimer Gemarkung bereits heute). Eine Verlängerung des bestehenden asphaltierten Fuß-/Radweges, der derzeit von Flörsheim aus direkt am Mainufer bis zum Artelgraben (an der Hattersheimer Gemarkungsgrenze) verläuft, sei jedoch nicht mehr geplant: dies stelle eine Erschließung des Mainufers dar und ziehe dessen Vermüllung und die Verschmutzung der landwirtschaftlich genutzten Wiesen außerhalb des Deiches durch Hundekot nach sich.

Aus Sicht des ADFC zusammengefasst ergibt sich also folgendes Bild der Situation nach der Deichsanierung:

1. Die Deichkrone darf nordöstlich des Artelgrabens nicht mehr befahren werden, aber auch die Verlängerung des asphaltierten Uferweges bis Eddersheim, die dem ADFC gegenüber schon zugesagt war, wird nicht ausgeführt. Das bedeutet, dass der Radverkehr komplett hinter den Deich (auf die landeinwärtige Seite) verbannt wird - das wäre zumindest für den Freizeit- und Fremdenverkehr auf dieser Route, die Teil der Fernradwege "Eurovelo 4", "Main-Radweg" und "Hessischer Radfernweg R3" ist, mehr als bitter. Die von der Stadt vorgebrachte Begründung ist vor allem mit Blick auf die Flörsheimer Gemarkung nicht nachvollziehbar: Die Verschmutzung der Wiesen durch Hundekot findet bereits heute, vom Deichkronenweg und von Trampelpfaden aus statt. Das Argument der Vermüllung müsste in letzter Konsequenz zur Abschaffung aller Flussrad- und -wanderwege führen - will Hattersheim hier wirklich Vorreiter sein? Der ADFC befürchtet, dass die Fernwanderwege so auf die Dauer ab Flörsheim auf die perfekt ausgebaute südliche Mainseite abwandern werden - zum Schaden der Hattersheimer und Flörsheimer Gastronomie.

2. Der noch im Juli 2021 von der Stadt in Aussicht gestellte, asphaltierte Deichverteidigungsweg (ähnlich wie am Rheindeich bei Ginsheim) wird so nicht ausgeführt. Er wäre für Berufspendler, Skater, Radsportler und Rollstuhlfahrer eine sichere, komfortable, auch bei schlechtem Wetter sauber befahrbare Alternative zur L3006 gewesen. Da der Bau eines straßenbegleitenden Radweges an der L3006 durch Hessen Mobil nach Einschätzung der Stadt u. a. wegen der dafür zu erwerbenden Grundstücksflächen wohl noch Jahrzehnte auf sich warten lassen wird, bedeutet dies das Vertun einer Chance zur mittelfristigen Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur (das Deichprojekt soll 2027 fertig sein).

Mit ihrem Beitritt zur Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr Hessen (AGNH) hat die Stadt Hattersheim sich in der Theorie zur Verlagerung erheblicher Verkehrsanteile auf den Rad- und Fußverkehr bekannt. Die Aussagen der Stadt zum vorgestellten Deichsanierungskonzept lassen jedoch jegliche städtische Ambition in dieser Richtung vermissen.

Der ADFC versucht im Gespräch mit der Stadt zu bleiben, allerdings hat diese es nicht für nötig befunden, die beschriebenen, geplanten Verschlechterungen für Hattersheimer Radelnde gegenüber dem ADFC zu kommunizieren. Ohne die Nachfragen hätte es wohl erst bei der Offenlegung der Pläne im Rahmen der vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung ein "böses Erwachen" gegeben.

Der ADFC wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Belange der Radfahrer*innen und Fußgänger*innen stärker berücksichtigt werden - auch während der Umsetzung der Deichsanierungsmaßnahmen, denn ein Umleitungskonzept konnte von den Projektträgern noch nicht vorgewiesen werden.

Birgid Oertel

Weingartenstraße 37g, Hattersheim

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