Auf der Suche nach bebaubaren Grundstücken

Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten: Gemeinde will Grundstück an der Raiffeisenstraße kaufen

Als Verwaltung habe man ein akutes Problem, stellte der Erste Beigeordnete Franz Jirasek am vergangenen Montagabend im Rahmen der Sitzung des Planungsausschusses fest: Man verfügt nicht über Grundstücke, die relativ schnell erschlossen werden können oder gar schon erschlossen sind. Nun steht man angesichts der steigenden Anzahl im Main-Taunus-Kreis ankommender Geflüchteter (derzeit sind es im Schnitt 46 Personen pro Woche) in Zugzwang: Schon im Februar oder März droht eine Situation, in der man keine weiteren Aufnahmekapazitäten mehr hätte.

Deshalb befindet sich die Gemeinde Kriftel derzeit auf der dringenden Suche nach Grundstücken, deren Erwerb auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten als interessant zu werten ist. Der Gemeinde wurde nun ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück an der Raiffeisenstraße zum Kauf angeboten, neben dem Grundstück Raiffeisenstraße 4, das im Flächennutzungsplan grundsätzlich als bebaubare Fläche ausgewiesen ist: Das 2.479 Quadratmeter große Areal grenzt direkt an eine Straße an, kann also relativ leicht erschlossen werden. Planungsrechtlich ist das Grundstück als Außenbereich zu werten, heißt es in den Erläuterungen zum Antrag. Durch die unmittelbare Nähe zur bebauten Ortslage und die direkt angrenzende Raiffeisenstraße mit den dort zur Verfügung stehenden Ver- und Entsorgungsleitungen ließe sich das Grundstück auch kurzfristig baulich entwickeln.

Außerdem sei die Nähe zur Unterkunft des Main-Taunus-Kreises in der Richard-Wagner-Straße 109 bis 111 für die Betreuung einer weiteren Unterkunft in unmittelbarer Nachbarschaft von Vorteil. Ob dieses Grundstück auf Grund der aktuellen rechtlichen Erleichterungen durch das Baugesetzbuch zur Bewältigung der Flüchtlingskrise womöglich sogar kurzfristig ohne Aufstellung eines Bebauungsplanes bebaut werden könnte, wird derzeit geprüft. Ein Bebauungsplan sei nicht in jedem Fall dazu aufzustellen.

Aus all diesen Gründen wertet man seitens Gemeinde das Grundstück als geeignet für die dort angedachte Bebauung und sieht baurechtlich keine Hindernisse, die der gewünschten Umsetzung im Wege stehen könnten.

Zum Erwerb steht ein Quadratmeterpreis von 195 Euro im Raum, der Kaufpreis würde demnach 483.405 Euro betragen. Im Haushalt wären, einschließlich der anfallenden Nebenkosten, im Rahmen einer überplanmäßigen Aufwendung nach § 100 der Hessischen Gemeindeordnung notwendige Mittel in Höhe von 550.000 Euro unterzubringen. Die für die geplante Sanierung der Kita Bleichstraße im Haushalt 2022 zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von circa zwei Millionen Euro werden in diesem Jahr nicht in dieser Höhe benötigt, daher könnten die hier benötigten Mittel in Höhe von 550.000 Euro zur Finanzierung des Grundstückskaufs herangezogen werden. "Die Möglichkeit des kurzfristigen Ankaufs des Grundstücks durch die Gemeinde war nicht vorherzusehen, ist unabweisbar und die Finanzierung ist gesichert", heißt es im entsprechenden Antrag des Gemeindevorstands.

Lage ernster als 2015

Mit dem Kauf dieses Grundstücks alleine ist die Kuh jedoch noch nicht vom Eis: Jirasek stellte fest, dass man weiter versuchen müsse, Grundstücke zu erwerben, die diese Kriterien erfüllen. Zur Unterbringung von obdachlosen und geflüchteten Menschen kommen temporäre Lösungen wie zum Beispiel Container derzeit nicht in Frage, die könne man im Moment nicht finanzieren - und man bekommt dank ausgeschöpfter Kapazitäten ohnehin keine.

Auch die kreisweiten Gemeinschaftsunterkünfte platzen so langsam aus allen Nähten: Viele Plätze dort sind noch belegt von mittlerweile nach abgeschlossenen Verfahren auszugsberechtigten Geflüchteten - diese können jedoch häufig keine Wohnung finden und bleiben erst einmal länger als vorgesehen an Ort und Stelle. Die Verwaltung des Main-Taunus-Kreises plant aus dieser aktuellen Not heraus sogar die Anmietung von drei Hotels und will so die akuten Unterbringungsengpässe meistern.

In den vergangenen beiden Monaten hat die Gemeinde durch Direktzuweisungen von Geflüchteten durch das Land Hessen und des Main-Taunus-Kreises kurzfristig Wohnraum zur Verfügung stellen müssen, damit wieder Platz in den Flüchtlingsunterkünften frei wird. Man sah sich gezwungen, diverse Liegenschaften, die entweder abgebrochen, umgebaut oder veräußert werden sollen, innerhalb weniger Wochen bezugsfertig für die Unterbringung von Flüchtlingen zu machen.

Zudem sind die Mobile Homes in der Unterkunft Hofheimer Straße 56a aktuell voll belegt, zwei davon sind momentan sogar überhaupt nicht bewohnbar und müssen repariert werden. Diese im Jahr 2016 aufgestellten Mobile Homes nähern sich ohnehin dem Ende ihrer Nutzungszeit: Reparaturen werden immer aufwendiger, und mangels anderer Alternativen werden sie auch, wenn nötig, zu hohen Preisen wieder in Stand gesetzt. Auch aus diesem Grund müssen dringend andere und weitere Alternativen geprüft werden.

Für Kriftel bedeutet das: Man wird in Kriftel neue Gemeinschaftsunterkünfte oder ähnliches bauen müssen. Dies braucht natürlich Zeit, und selbige sollte aber angesichts der Dringlichkeit auch so kurz wie möglich gehalten werden. "Wir müssen darauf vorbereitet sein, und das ganz schnell. Deswegen bin ich auch dabei, weitere Grundstücke gegebenenfalls für uns als Gemeinde zu sichern", berichtete der Erste Beigeordnete den Ausschussmitgliedern und betonte noch einmal die Wichtigkeit des Erwerbs des angebotenen Grundstücks an der Raiffeisenstraße: "Für uns ist dieses Grundstück tatsächlich Gold wert."

"Aus meiner Sicht ist die Situation ernster als 2015", unterstrich Bürgermeister Christian Seitz die außerordentliche Dringlichkeit dieser Problematik mit einem Verweis auf die Flüchtlingskrise in Europa vor sieben Jahren. Alle seien jetzt aufgefordert, jegliche denkbaren Kapazitäten in die Waagschale zu werfen. "Und das nicht in ein oder zwei Jahren, sondern in ein oder zwei Monaten", so Seitz.

Russischer Angriffskrieg als Ursache

Auch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Daniel Fries richtete den Blick auf die drohende und leider wahrscheinliche Verschärfung der Krisensituation: Russland beschieße aktuell die Infrastruktur der Ukraine wie selten zuvor, und so wird die winterliche Kälte zu einem großen Problem für die dort leidende Bevölkerung. Das Land habe 42 Millionen Einwohner, eine Grenze zu Polen, "und dann sind sie hier" - eine Dr. Fries zufolge relativ einfach absehbare Entwicklung.

Bezüglich der Bedenken, dass mit der Bebauung des thematisierten Areals landwirtschaftlich genutzte Fläche und somit lokal angebaute Lebensmittel verloren gehen würden, verwies Dr. Fries auf den Umstand, dass die Gemeinde ja noch Flächen in der Hinterhand hätte, auf denen man aktuell nicht bauen könnte; man habe ja einige Äcker in den vergangenen Jahren gekauft. Hier könnten sich eventuell einmal Möglichkeiten finden lassen, um selbige einer entsprechenden landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Aber nun gelte es zunächst einmal die Realitäten anzuerkennen: Die Gemeinde braucht dieses Grundstück dringend. Es sei eines der wenigen erschlossenen Grundstücke, die Kriftel noch habe und das man noch kaufen könne, und wenn man jetzt nicht handelt, kriege man es nicht noch einmal angeboten. Es wäre "fatal, wenn man da nicht zugreifen würde", so Dr. Fries abschließend.

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