Landesentwicklungsplan sieht Kriftel als Unterzentrum / Gemeinde erfüllt bereits mittelzentrale Funktionen
Längst wirkt sich der demografische und wirtschaftsstrukturelle Wandel auch auf die Entwicklung der Einwohnerzahl und die Bevölkerungsverteilung in Hessen aus. Die Summe und Verteilung der Arbeitsplätze verändert sich ebenso wie die lokalen Verhältnisse hinsichtlich Einrichtungen der Daseinsvorsorge (Krankenhäuser, Schulen, Einzelhandel). Zusammen mit der Umgestaltung des Mobilitätsverhaltens haben all diese Faktoren bedeutsamen Einfluss auf die landesweite Raumstruktur, die zentralen Orte und den großflächigen Einzelhandel. Diese Veränderungen finden allesamt ihren Niederschlag in der 4. Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (LEP), der am 16. Dezember 2019 von der Hessischen Landesregierung beschlossen wurde.
Stellungnahmen zum Entwurf dieser 4. Änderung des Landesentwicklungsplans konnten vom 3. Februar bis einschließlich zum 26. Juni vorgebracht werden. Der Gemeindevorstand wurde seitens der Gemeindevertretung damit beauftragt, hierzu eine schriftliche Stellungnahme zu erarbeiten und beim Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW) fristgemäß einzureichen.
Der Erste Beigeordnete Franz Jirasek unterstrich im Rahmen der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses die Bedeutung dieses Themas für die Gemeinde Kriftel: "Das wird uns in den nächsten Jahren verfolgen und die Entwicklung von Kriftel maßgeblich beeinflussen."
Zusammenfassend könne man sagen, dass es bezüglich der Struktur der Zentren selbst keine Veränderungen geben wird, so Jirasek. Nach wie vor werde es Ober-, Mittel- und Grundzentren geben. "Die Landesregierung beabsichtigt auch nicht, Erhöhungen oder Veränderungen vorzunehmen." Kriftel bemühe sich seit Jahren um einen Aufstieg zum Mittelzentrum, nach Ansicht der Gemeinde erfülle man die dafür notwendigen Voraussetzungen. Man könne durchaus den eigenen täglichen Bedarf durch den innerörtlichen Einzelhandel abdecken, dieser strahle sogar durchaus in die ganze Region, beurteilt Jirasek die aktuellen Verhältnisse. Eigentlich stünde Kriftel dieser Zustand seitens des Landesgesetzgebers jedoch nicht zu. Kriftel als Grundzentrum sollte genau diese Funktion eigentlich nicht erfüllen.
Differenzierung der Mittelzentren
Veränderungen wird es bezüglich der Mittelzentren geben: Diese werden künftig in sechs Klassen aufgeteilt, diesbezüglich stelle sich der Landesgesetzgeber dem Ersten Beigeordneten zufolge "sehr ideenreich" dar. Ausschlaggebend seien die jeweilige Infrastrukturausstattung und die Größe des Versorgungsbereichs. Wo beides wenig ausgeprägt ist, soll die neue Kategorie „Mittelzentrum in Kooperation“ gelten. Dies geht aus den Erläuterungen zur Beschlussvorlage hervor.
Derartige Orte sollen künftig enger miteinander zusammenarbeiten, sich mit ihren Angeboten gegenseitig ergänzen oder bestimmte Aufgaben wie den Wohnungsbau und den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gemeinsam wahrnehmen. Wie diese Kooperationen in der Praxis später konkret aussehen sollen, müsse man abwarten, so Jirasek. Die Anregung sei, dass man auf freiwilliger Basis versuchen soll, Kooperationen einzugehen und stärker zusammenzuarbeiten. Das würde unter gewissen Umständen auch einem Grundzentrum zugute kommen. "Aber die Konsequenz ist für uns nach wie vor, dass wir ein Grundzentrum bleiben", stellte der Erste Beigeordnete fest.
Kriftel wäre nach der neuen Aufschlüsselung im Rahmen des Grundzentrums ein Unterzentrum (UZ). Eppstein, Sulzbach und Liederbach hätten fortan den Status "Kleinzentrum". Die anderen acht Kommunen im Main-Taunus-Kreis (Bad Soden, Eschborn, Flörsheim, Hattersheim, Hochheim, Hofheim, Kelkheim und Schwalbach) wären allesamt Mittelzentren (MZ).
Geringe Chancen zur Aufstufung
Die Endfassung einer Studie zur empirischen Überprüfung der Zentralen Orte in Hessen vom Oktober 2019 legt nahe, dass Kriftel als Mittelzentrum nicht unbedingt falsch kategorisiert wäre. Demnach wird Kriftel zum Beispiel in Sachen "Zentralörtliche Infrastruktur" im Main-Taunus-Kreis lediglich von Hofheim, Eschborn, Bad Soden und Kelkheim übertroffen, mit allen anderen Mittelzentren befindet sich Kriftel mindestens auf Augenhöhe. Auch bezüglich der "Zentralität" landet man in den Top 5 des Kreises und damit als Unterzentrum vor diversen Mittelzentren. In der Summe liegt Kriftel in Anbetracht dieser beiden Faktoren deutlich vor den Mittelzentren Flörsheim, Bad Soden, Kelkheim, Hattersheim und Hochheim. Auch in Hinblick auf die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2035 nimmt Kriftel in der Studie einen Spitzenplatz für die künftige Daseinsvorsorge, die Siedlungsflächenentwicklung und die ortsübergreifende Verkehrsanbindung ein. Das Fazit hierzu in der Beschlussvorlage: "Auf Basis dieser eindeutigen Daten des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen sollte Kriftel, das im Entwurf des LEP derzeit als UZ eingestuft ist, mit seiner über die kommunalen Grenzen hinaus grundlegenden, übergreifenden Bedeutung für die Zentralörtliche Infrastruktur und Zentralität innerhalb des MTK in die Kategorie MZ eingeordnet und aufgewertet werden."
Mit der Weingartenschule und der Konrad-Adenauer-Schule besitzt Kriftel außerdem als Grundzentrum bereits Teilfunktionen eines Mittelzentrums. Auch die soziale Infrastruktur mit Einrichtungen wie den Schwarzbachhallen, der Kreissporthalle und dem Parkbad deuten darauf hin, dass die Gemeinde längst mittelzentrale Funktionen im Bereich Bildung, Sport und Kultur wahrnimmt. Dennoch besteht nach Auffassung der Expertenkommission Zentrale Orte und Raumstruktur (ZORa) wenig Spielraum für Aufstufungen von Grundzentren.
In der Stellungnahme des Gemeindevorstands wird darauf hingewiesen, dass Kriftel diverse MZ-Kriterien besser erfüllt als manche tatsächlichen Mittelzentren im Kreis. Hier soll zumindest überprüft würden, ob angesichts dieser Werte nicht doch eine Aufstufung in Betracht kommen könnte.
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