Frühe Anfänge des Erdbeeranbaus Wie die süßen Früchte nach Kriftel fanden und warum sie ausgerechnet in unserer Gemeinde so gut schmecken

Die Erdbeere: Heutzutage ist die Frucht für die Gemeinde Kriftel von größter Bedeutung.

Wie die süßen Früchte nach Kriftel fanden und warum sie ausgerechnet in unserer Gemeinde so gut schmecken

Es ist Erdbeersaison: Ernte und Verkauf sind in unserer Gemeinde in vollem Gange. Die köstlichen Früchte haben Kriftel weit über seine Grenzen hinaus bekanntgemacht. Wie kommt es, dass ausgerechnet hier ein solcher Qualitätsstandard erreicht werden konnte? Welche Voraussetzungen und Gegebenheiten begünstigen den Erdbeeranbau ausgerechnet in Kriftel so sehr?

Günstige Voraussetzungen

Zwar haben Erdbeerpflanzen eine hohe Fähigkeit zur Anpassung an jede Höhenlage und jeden Boden, doch am besten gedeihen sie in lehmigen Sand- oder sandigen Lehmböden.

Diese Eigenschaft kommt Kriftel zugute: Hier ist ein tiefgründiger Lößlehmboden vorzufinden, mit einer Bodenwertzahl von 70 bis 80. Die Obergrenze bei diesem Bewertungsmaßstab für die Fruchtbarkeit eines Bodens beträgt 100.

Vorteilhaft ist bei diesem mehr lehmhaltigen als sandigen Boden die Tatsache, dass er aufgrund der feinkörnigen und porösen Struktur die Feuchtigkeit gut speichern kann. Dies ist deshalb so wichtig, weil die Niederschlagsmenge in dieser Gegend nicht sehr groß ist. Nur bei einer ausreichenden Bodenfeuchtigkeit können die für die Vegetation erforderlichen Nährstoffe aus dem Boden aufgenommen werden.

Der ph-Wert des Bodens liegt im schwach sauren bis neutralen Bereich. Die Erdbeerpflanze braucht einen guten Humusboden, sie ist geradezu eine "Humusfresserin".

Während das Aroma und der Geschmack der Erdbeere durch den Boden mit seinen Mineralsalzen bestimmt wird, ist es das Sonnenlicht, das den Gehalt an Zucker hervorbringt. Außerdem lohnt es sich erst ab insgesamt 80 Sonnentagen im Jahr Erdbeeranbau zu betreiben. Im Vordertaunus beträgt die mittlere tägliche Sonnenscheindauer etwa sieben Stunden. Dies bedeutet eine mittlere Lufttemperatur während der Vegetationszeit von über 16 Grad Celsius.

Das Jahresmittel für Kriftel liegt bei gut 9 Grad Celsius. Es ist es also ein mildes Klima, das schon fast mit dem der Bergstraße verglichen werden kann, denn die Vegetation hier beginnt zu einem ähnlich frühen Zeitpunkt wie in der südlicher gelegenen Region. Nicht umsonst wurde in Kriftel vor langer Zeit auch Wein angebaut - die hiesige Gesamtschule heißt nicht zufällig Weingartenschule.

Zu den günstigen Bodenbeschaffenheiten und dem milden Klima kommt noch die gute topographische Lage hinzu. Die Höhenunterschiede für Kriftel liegen zwischen 100 und 152 Metern über dem Meeresspiegel. Doch nicht allein den geografischen Bedingungen verdankt Kriftel seine Bekanntheit als Gemeinde für den Anbau von Sonderkulturen. Auch wirtschaftliche Faktoren und historische Gründe haben wesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen.

Bedeutung der Infrastruktur

Für den erwerbsmäßigen Erdbeeranbau ist es wichtig, daß die geernteten Früchte auf dem kürzesten Weg zum Verbraucher gelangen. Es muss also eine möglichst verkehrsgünstige Lage vorhanden sein. Dies ist durch die gute Anbindung der Gemeinde an das Bahn- und Straßennetz schon seit langem für Kriftel gewährleistet.

Im Mittelpunkt eines Rhein-Main-Taunus-Dreiecks, das von den Eckpunkten Mainz, Wiesbaden und Frankfurt gebildet wird, konnte Kriftel schon immer mit einem ertragsträchtigen Absatzmarkt rechnen, der auch bald für die Erdbeeren bestimmend war.

Von der Unterkultur zur Monokultur

Seit der Karolingerzeit bis ins 12. Jahrhundert war Kriftel ein Weinbaugebiet des Taunusvorlandes. Das Rebgelände der Bauern gelangte zeitweise in klösterlichen Besitz. Ab etwa 1200 wurden die Flächen wieder rein agrarisch genutzt.

Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer Lebensmittelverknappung. Eine Ursache ergab sich daraus, dass der Bevölkerungszuwachs größer war als der Produktionszuwachs an Nahrungsmitteln. Auch waren aufgrund der Kriegskosten, die die Bauern zeitweise zu tragen hatten, Investitionen in die Landwirtschaft unterblieben.

So beschloss beispielsweise die kurfürstliche Regierung in Mainz, um die Versorgung der Städte mit Nahrungsmitteln zu sichern, den Bauern Steuerfreiheit für landwirtschaftlich genutztes Brachland zu gewähren. Die Reaktion der Bauern auf diesen Anreiz zeigte sich bald: Während Getreide- und Futterpflanzen auf dem zinsfreien, bisher brachliegenden Land angepflanzt wurden, begannen sie auf der Dorfflur Obststücke anzulegen. Diese waren weniger arbeitsintensiv in der Bewirtschaftung; es konnten dort eher die steuerlichen Abgaben in Kauf genommen werden. So kam der Obstanbau zwecks Selbstversorgung und günstiger Versteuerung der landwirtschaftlich genutzten Fläche nach Kriftel.

Inspiration aus Hofheim

Der Impuls zur Anlegung von erwerbsmäßig genutzen Obstäckern ging von einem Hofheimer Bürger aus: Der Pomologe Richard Zorn hatte 1884 erstmals eine geschlossene Obstbauanlage für erwerbsmäßige Zwecke angelegt. Angeregt durch Eindrücke und Erfahrungen, die er bei zahlreichen Reisen ins Ausland gewonnen hatte, erkannte er die günstigen klimatischen, bodenbedingten und wirtschaftlichen Voraussetzungen in seiner Heimatstadt für diese Zwecke.

Die Idee wurde von Lorenz Leicher III aus Kriftel aufgegriffen und später auch auf den Erdbeeranbau angewandt. Leicher baute 1897 erstmals eine geschlossene Obstanlage mit Baumobst nach dem Vorbild des Hofheimers Zorn an.

Etwa im Jahre 1904 oder 1905 pflanzte er auch Erdbeeren. Dieses Obst war den Kriftelern zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt. Viele Bürgerinnen und Bürger reagierten mit Kopfschütteln darauf.

Die Obstanlagen des Lorenz Leicher waren damals auf dem Gelände, das heute zum "Obsthof am Berg" gehört. Lorenz Leicher züchtete sogenannte Monatserdbeeren, die süßer schmeckten als andere Sorten und sich besonders für Bowle eigneten, ein früher ungemein beliebtes Getränk.

In dieser Zeit wurde eine Obstanlage noch in drei Wuchshöhen angepflanzt. Die oberste Grenze bildeten die hochstämmigen Bäume in einer Höhe von circa zwei Metern. In der mittleren Höhe wuchsen die Beerensträucher, und als sogenannte Unterkultur gediehen Gemüse- und Futterpflanzen - und später die Erdbeeren. Dies garantierte eine gleichmäßige Geldeinnahme während einer längeren Zeit des Jahres.

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