Juni 1933 plötzlich einen Wandel in der Führung der Gemeinde Bischofsheim. Georg Fischer, der seit dem 27. Dezember 1921 der Gemeinde als Bürgermeister vorstand und seit der Eingemeindung zur Stadt Mainz (1930) das Amt des Ortsvorsteher bekleidete, hatte die Altersgrenze erreicht und wurde in den Ruhestand versetzt. An seiner Stelle zog ein anderer Mann, der damalige Ortsvorsteher von Ginsheim, Fritz Eitel, in unser ehrwürdiges Rathaus ein. Aus „Ersparnisgründen“ wurde er eingesetzt, um Bischofsheim, Gustavsburg und Ginsheim gemeinsam zu verwalten. Somit hatte Bischofsheim wieder einen denkwürdigen und erinnerungsvollen Tag. Nach der Amtseinführung am Vormittag durch den Mainzer Oberbürgermeister Dr. Barth fand abends eine Kundgebung vor dem Rathaus statt. Man hatte in Bischem schon viele Bürgermeisterwahlen miterlebt – das war jedoch keine Wahl, sondern hier wurde ein Mann auf seinen Posten kommandiert. Zu diesem Amtsantritt waren auch die Verbände und die Ortsvereine in gewissem Sinne kommandiert.
„Volksgenosse Eitel“
Ein großer Fackelzug bewegte sich durch die Ortsstraßen zum damaligen Rathaus, gegenüber der evangelischen Kirche, hin, wo Kopf an Kopf die Menschenmenge stand, um die Antrittsrede des neuen Ortsoberhauptes für die Gemeinden Bischofsheim, Gustavsburg und Ginsheim zu hören. Hatte man seither in Bischofsheim in Ortsvorsteher Georg Fischer einen Mann kennengelernt, der stets vermittelnd der Bevölkerung mit Rat und Tat zur Seite stand, so merkte man schon nach den ersten Worten von Fritz Eitel, der in SS-Uniform vom Rathausfenster zu den Einwohnern sprach, dass jetzt ein anderer Wind wehen werde. In wahrhaft volkstümlicher Weise sollen seine Worte in den Ohren der Versammelten geklungen haben: „Ich bin für jeden Einwohner der Volksgenosse Eitel, der für Sauberkeit und Ordnung die volle Verantwortung in Bischofsheim übernimmt. Ein neuer Geist wird in die Ortsverwaltung einziehen und jeder muss dort eine ‘weiße Weste’ besitzen. Selbst die ehemaligen Kommunisten sind mir zur Mitarbeit willkommen. Sollte aber einer nicht spuren, dann werde ich ihm hier oben auf dem Rathaus einen Tritt versetzen, dass er über die Straße und übers Ehrenmal bis an den Faselstall fliegt!“ Dann ermahnte er, an die Zukunft Deutschlands zu glauben, worauf sich der Fackelzug wieder in Bewegung setzte und die Menschenmenge sich verlief.
Schwarzes Brett angebracht
„Au, Backe!“, soll am nächsten Tag ein Bischemer Bauer in der alten Dorfschmiede von sich gegeben haben. „Jetzt haben wir ja einen energischen Bürgermeister!“ In Wirklichkeit soll er aber gar nicht so gewesen sein, sondern für jeden Einwohner ein offenes Ohr gehabt haben. Um die durch die Not überhand genommenen Felddiebstähle einzudämmen, ließ er bald ein schwarzes Brett am Rathaus anbringen, auf dem die Namen der Feldfrevler öffentlich zum Aushang kamen. Im allgemeinen kamen die Bischemer mit ihrem neuen Ortsoberhaupt recht gut aus, zumal er in der folgenden Zeit die Interessen der Gemeinde Bischofsheim der Stadt Mainz gegenüber, so weit es möglich war, gut vertrat. So setzte er sich bald auch dafür ein, dass das Umzugsverbot für die Kerweborsch, das infolge der politischen Verhältnisse zwei Jahre lang bestand, wieder aufgehoben wurde.
Schulklassen fahren ins Allgäu
So manche Neuerung brachte das Jahr 1933 noch für Bischofsheim. So wurde am 8. August die Bebelstraße in Otto-Weddingen-Straße, die Friedrich-Ebert-Straße in Admiral-Schröder-Straße und die Walther-Rathenau-Straße in Scapa-Flow-Straße umbenannt. Am 13. August unternahmen erstmals Bischofsheimer Schulklassen mit ihren Lehrern Weinsheimer und Philipp Fischer ausgedehnte Reisen bis ins Allgäu, und am 13. September wurde die neuerbaute Chaussee, vom Rampen bis nach Gustavsburg, längs der Bahnstrecke, dem Verkehr übergeben. „Erntedankfest am 1. Oktober 1933“, lautete dann überraschend eine Parole. „Flaggen heraus in Bischofsheim! Alles hat für einen großen Festzug zu rüsten. Das Erntedankfest am 1. Oktober soll ein Ehrentag für den Bauer werden!“ Das gab natürlich einen großen Gesprächsstoff für die hiesigen Landwirte. (Wird fortgesetzt!)