Alleine wohnen in einer Gemeinschaft

Der in Hochheim gegründete Verein „LebensAlter“ verwirklicht Projekt in Ginsheim

 

GINSHEIM (gus) – Das darf man beharrlich nennen: Seit 1996 bemüht sich ein in Hochheim gegründeter Zusammenschluss Gleichgesinnter, ein Wohnprojekt anzustoßen, in dem Menschen zu mehr zusammenfinden als bloße Nachbarschaft: „LebensAlter“, so der Name des Vereins, vereinigt Menschen, derzeit im Alter zwischen 47 und 77 Jahren, die die Idee haben eine Hausgemeinschaft zu bilden, bei der zwar jeder seine eigene Wohnung bewohnt, gegenseitige Hilfe und gemeinsame Unternehmungen über die Generationen hinweg aber den Alltag bestimmen. Nach langer Suche in der ganzen Region, über die einige der Mitglieder verstorben sind und andere sich zurückgezogen haben, ist der Verein nun in Ginsheim fündig geworden und werden 2013 einen Gebäudekomplex beziehen, den die Baugenossenschaft Mainspitze auf der Brache im Carrée Schillerstraße/Mainzer Straße/Goethestraße errichten wird.
Baustart auf dem Gelände, auf dem 2010 die alte Bebauung mit gemeinnützigen Wohnungen der Gesellschaft abgerissen wurde, soll bereits im April sein. Der Verein und seine Mitglieder müssen mit der Entscheidung für die Kooperation mit der Baugenossenschaft zwei Abstriche an die ursprüngliche Idee machen: Zum einen war eigentlich angedacht, Eigentumswohnungen zu errichten, die die Mitglieder selbst finanzieren, wenn auch natürlich über private Kredite. Das ließ sich finanziell aber nicht stemmen. Nun baut die Baugenossenschaft und die Vereinsmitglieder werden als Mieter einziehen, bei einer Kaltmiete von rund sieben Euro.

 

Zudem legt die Planung der beiden Objekte nahe, dass die ursprüngliche Hoffnung der Initiatoren, junge Familien mit ins Boot zu nehmen und so eine breite Generationenspanne ins Haus zu bekommen, sich nicht verwirklichen lässt. Denn hauptsächlich werden bei dem Projekt senioren- und behindertengerechte Drei-Zimmer-Wohnungen gebaut, nur die obersten Geschosse mit ihren Penthaus-Wohnungen sollen über vier Zimmer verfügen. Für Familien mit Kindern fallen die insgesamt 19 Wohnungen in den beiden Häusern damit wohl zu klein aus. Insgesamt entstehen 1650 Quadratmeter Wohnfläche auf einem 2055 Quadratmeter großem Grundstück. Die Zufahrt ist von der Goethestraße aus vorgesehen, natürlich ist eine Tiefgarage enthalten, beheizt wird mit Holzpellets.
„Nach sechs Jahren Gesprächen, Diskussionen und auch einigem Leerlauf zwischendrin bin ich froh, dass jetzt ein Modell gefunden wurde“, sagte Bürgermeister Richard von Neumann bei der Präsentation der Pläne, die Tochter Nina als Architektin der Baugenossenschaft erstellt hat.
Sie hatte sich dabei an der umliegenden Bebauung zu orientierten und unverrückbare Elemente wie das Trafohäuschen in der Nähe der Ecke Mainzer/Schillerstraße zu berücksichtigen. Nina von Neumann teilte das Projekt in ein rechteckiges „Punkthaus“, das in der Schillerstraße gegenüber der katholischen Kirche entstehen soll, sowie das Haupthaus entlang der Mainzer Straße und Goethestraße auf. Das Punkthaus wird neben Erdgeschoss und erster Etage mit jeweils zwei Wohnungen nur noch das Penthaus obendrauf gesetzt bekommen, das Haupthaus bekommt eine Etage mehr und damit insgesamt 14 Wohnungen.
Die Idee des gemeinschaftlichen Lebens spiegelt sich in einer der Erdgeschosswohnungen im Haupthaus wieder, die nicht als Wohnung sondern als Gemeinschaftsraum vorgesehen ist. Für übernachtende Gäste ist sogar ein Zimmer eingeplant. Der Raum eignet sich für Feste, Vorträge und weitere Aktivitäten, die sich auch an die Nachbarschaft und die ganze Gemeinde richten können. von Neumann hat dem Raum einen Außenbereich hinzugefügt, der auch Außenaktivitäten zulassen wird.
„Wir freuen uns auf unser neues Zuhause in Ginsheim, sind von Standort begeistert und haben hier einen kooperativen Partner gefunden“, sagte LebensAlter-Mitglied Klaus Wahl. Ginsheim habe bei der Untersuchung verschiedener Standorte im Rhein-Main-Gebiet am besten abgeschnitten, was Wahl vor allem mit dem Altrhein und der Nähe zu Mainz erklärt.
„Theoretisch ist jetzt alles gut, jetzt sind wir gespannt auf die Praxis“, betonte Wahl. Die sieht als Beitrag der künftigen Mieter zur Finanzierung des 3,6-Millionen-Projekts 820.000 Euro als Darlehn an die Baugenossenschaft vor, das ergibt im Schnitt 43.000 Euro pro Mietpartei. Somit sollten Interessenten – LebensAlter sucht übrigens noch nach weiteren Mitstreitern für das Projekt – ein paar zehntausend Euro auf der hohen Kante haben um einsteigen zu können.
Die Mitglieder des Vereins, darunter nicht nur Singles sondern auch Paare, suchen die gemeinschaftliche Bleibe aber nicht um zu günstigem Wohnraum zu kommen. Viele von ihnen wohnen schließlich derzeit im großzügigen Eigenheim, das sie, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, sie sich von den Lebenspartnern getrennt haben oder diese verstorben sind, als zu groß und belastend empfinden – da ist eine der zwischen 49 und 80 Quadratmeter großen Wohnungen gerade recht.
„Wer einziehen will muss bei uns und bei der Baugenossenschaft Mitglied werden“, erläutere Georg Pape, Hocheimer Pfarrer im Ruhestand, das Prinzip. „Der Verein hat das Belegungsrecht für die Wohnungen.“ Eine Identifizierung mit seiner Idee verlangt LebensAlter dabei selbstverständlich.
Die Baugenossenschaft sieht sich mit ihrem Konzept, grundsätzlich nur noch seniorengerechte Wohnungen zu errichten bestätigt durch Interessenten wie den Verein. Insgesamt 1800 Wohnungen unterhalten Baugenossenschaft und Wohnbau Mainspitze derzeit in Ginsheim und Gustavsburg. Da sammeln sich Erfahrungen an, welche Entwicklung die Gesellschaft nimmt. „Der demografische Wandel ist da, das spüren wir bereits deutlich“, sagt Baugenossenschafts-Vorsitzender Norbert Kühn. Die Einsamkeit der über 50-Jährigen steige enorm. „Wir bekommen inzwischen viele Wohnungen zurück, bei denen überhaupt keine Verwandtschaft mehr feststellbar ist.“ Die Idee des Vereins stieß da auf Symptahien bei Votstand wie Aufsichtsrat.
Der Verein stellt sich auf der homepage mit der Adresse www.projekt-lebensalter näher vor. Ein direkter Kontakt ist möglich jeden zweiten Donnerstag im Monat. Dann sind ab 18.30 Uhr Mitglieder des Vereins mit Bauplänen in der Pfarrgemeinde St. Marien anzutreffen und beantworten Fragen Interessierter.

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