Leider brütet ein Großteil der majestätischen Vögel auch in diesem Jahr wieder auf Hochspannungsmasten. Die schlimmen Folgen: Im vergangenen Jahr gab es in der Region zwei nachgewiesene „Stromtote“. Das heißt, zwei Störche sind entweder durch die Kollision mit einer Stromleitung oder aber durch einen Stromüberschlag umgekommen. Das Letztere passiert dann, wenn ein Storch mit einem Körperteil – meistens den Beinen – den eisernen Strommast und mit einem anderen Teil – in der Regel mit den Flügeln – eine stromführende Hochspannungsleitung berührt. Bei einer Flügelspannweite von fast zwei Metern ist das leicht möglich.
Der erste Stromtote in diesem Jahr wurde schon Ende März von Uwe Schreiber gefunden. Dicht an seinem Weingut in der Gemarkung Hochheim stehen zwei Hochspannungsmasten. Auf ihnen brüten seit Jahren bis zu fünf Storchenpaare gleichzeitig. Sehr zum Leidwesen der Netzbetreiber. Die werfen nach der Brutzeit im Herbst immer wieder die Nester herunter und versuchen, durch allerlei Hindernisse einen Neubau zu verhindern. Mit geringem Erfolg. Auch in diesem Jahr gibt es bis jetzt schon wieder drei Nester in schwindelerregender Höhe. Unter einem dieser beiden Maste fand Uwe Schreiber den toten Storch. Auf einem Hochspannungsmast zwischen Hochheim und Kostheim fand Bernd Zürn zwei Nester. Das ist dort schon seit vielen Jahren ein Normalzustand. Nicht normal hingegen war, dass an diesem Tag ein Einzelstorch das eine brütende Paar ständig attackierte. Solche Kämpfe können tödlich enden.
Meistens ohne Ring
Knapp die Hälfte aller neu geborenen Störche in Hessen werden im Alter von etwa drei Wochen amtlich beringt. Mit Hilfe dieses „Personalausweises“ kann der Vogel lebenslang eindeutig identifiziert und insbesondere seine Zugrouten verfolgt werden. Verständlich, dass sich Zürn ganz große Mühe gab, möglichst viele Ringnummern abzulesen. Mit recht mäßigem Erfolg. Die meisten Störche waren nämlich unberingt, besonders dann, wenn sie in Nestern auf Hochspannungsmasten geschlüpft sind. Diese Tiere bleiben natürlich unberingt. Aber auch beringte Tiere machen dem Ableser oft große Probleme. Sie stehen zu tief in der Nestmulde (toter Winkel), bewegen sich ständig oder heben das beringte Bein unter ihre Federn. Kurzum, das Warten auf einen günstigen Ablesemoment kann durchaus eine ganze Stunde dauern.
In den nächsten Wochen wird Bernd Zürn häufig unterwegs sein und mit einem starken Fernglas (Spektiv) nach seinen gefiederten Freunden schauen. Wenn dann erstmals die dünnen Hälse der Neugeborenen mit ihren schwarzen Schnäbeln über den Nestrand ragen, hat sich sein Aufwand wieder einmal gelohnt.