„Wir hatten zu Beginn der Aktion gehofft, dass wir vielleicht 80 bis 100 Meter Schal zusammenbekommen“, gab Heike Bülter, Quartiersmanagerin des Hattersheimer Stadtteilbüros, am Rande der Aktion, zu der sich Hunderte von Bürgerinnen und Bürger am vergangenen Wochenende am Südringtreff eingefunden hatten, unumwunden zu. Am Ende waren es mehr als 350 Meter, die zur abschließenden Aktion rund um den Südringtreff drapiert und aufgespannt werden konnten.
Insgesamt hatten sich mehr als 60 Einzelpersonen, Vereine, Institutionen und Gruppierungen am Strickmob beteiligt und gemeinsam ein nachhaltiges Symbol – ein „buntes Wollband der Sympathie“ – für den Erhalt des Stadtteilbüros und die Fortführung der Gemeinwesenarbeit in der Hattersheimer Siedlung angefertigt. Bewohner der Siedlung, Mitarbeiter der Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft, der Stadtverwaltung, Kindertagesstätten, das Seniorenzentrum Altmünstermühle, der Runde Tisch, Parteien, die Frauen der Ahmadiyya Gemeinde, Kirchen, der Spanische Elternverein, Integrationslotsen und viele andere mehr hatten sich der Aktion angeschlossen und sie zu einem stadtübergreifenden Erfolg werden lassen.
Der „Solidaritäts-Schal“, der um das Gebäude des Südringtreffs geschlungen worden war, soll nach Vorstellung von Stadtteilbüro und Verwaltung noch mehrfach Verwendung finden. So ist angedacht, ihn über das ganze Jahr bei verschiedenen Veranstaltungen in der Siedlung zu präsentieren. Später soll das über 350 Meter lange Zeichen gelebter Solidarität und Unterstützung ins Hattersheimer Stadtarchiv und darauffolgend in die Sammlung des Stadtmuseums übergehen.
Parteiübergreifend beeindruckt zeigten sich auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion, die im Anschluss an die Aktion im Südringtreff stattfand. Im vollbesetzten Saal diskutierte Moderator Christoph Kummer (LGA Soziale Brennpunkte Hessen) mit Bürgermeisterin Antje Köster, ihrer Hofheimer Amtskollegin Gisela Stang, Ottmar Vorländer (Geschäftsführer Caritasverband Main-Taunus), Dr. Jürgen Dieter (Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städtetages) und den Landtagsabgeordneten Willi van Ooyen (Die Linke), Nancy Faeser (SPD), Kordula Schulz-Asche (Die Grünen), René Rock (FDP) und Christian Heinz (CDU) über die Auswirkungen der Kürzungen von 40 Millionen Euro durch Bund und Land, die besonders die soziale Arbeit als Teil des Programms „Soziale Stadt“ treffen.
Hattersheims Bürgermeisterin Antje Köster stellte dabei klar, dass das „Projekt alleine durch ehrenamtliches Engagement nicht im erforderlichen Maß weitergeführt werden kann. Auch wenn hier in der Siedlung nachhaltige ehrenamtliche Strukturen entstanden sind und man mit Fug und Recht behaupten darf, die Soziale Stadt ist ein Renner. Als freiwillige Leistung aber könne die Stadt Hattersheim angesichts einer dramatischen Haushaltslage ein „professionelles Quartiersmanagement nicht alleine stemmen.“
„Wir brauchen in dieser Sache finanzielle Unterstützung“, stellte die Bürgermeisterin klar und forderte die Verantwortlichen in Bund und Land auf, den Status der Sozialen Stadt auch für „ausgeförderte Standorte“ zu sichern, damit weiterhin die Möglichkeit besteht, von Fördermitteln verschiedener Programme zu profitieren. Eine Forderung, bei der die Bürgermeisterin von einer im Dezember 2011 einstimmig von allen im Stadtparlament vertretenen Parteien verabschiedeten Resolution unterstützt wird.
Obschon alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion das Projekt Soziale Stadt und seine Umsetzung in Hattersheim lobten, gingen in der Frage einer weiterführenden Unterstützung die Ansichten auseinander. Während sich Dr. Jürgen Dieter für eine Fortführung aussprach – „Das Projekt darf nicht durch die Anforderungen des Hessischen Entschuldungsfonds weggespült werden“ – verwiesen die Landtagsabgeordneten René Rock und Christian Heinz auf den zeitlich begrenzten Rahmen des Projekts. Es wäre von vorneherein klar gewesen, dass es sich bei der Sozialen Stadt um ein zeitlich limitiertes Programm gehandelt habe, dass nicht beliebig lang weitergeführt werden könne, lautete ihre Argumentation. Ein Standpunkt, für den sich die beiden Landtagsabgeordneten nicht nur den Unmut der Zuhörer zuzogen. Auch der Geschäftsführer des Caritasverbandes Main-Taunus übte harsche Kritik. Man könne die gemeinsame Verantwortung von Bund, Land und Stadt „nicht einfach so aufdröseln. Wir lassen uns in dieser Frage nicht belügen. Es ist genug Geld vorhanden. Entscheidend ist aber, wofür man es ausgeben will“, so Vorländer, der in dieser Frage von Willi van Ooyen unterstützt wurde. Van Ooyen argumentierte, dass es besser sei „nicht in Beton, sondern in vernünftige Programme von und für Menschen“ zu investieren.
Fakt ist jedenfalls, dass die Aktion „Strickmob“ nachhaltig die Solidarität ganz Hattersheims mit der Siedlung und dem Programm Soziale Stadt gezeigt hat. Ob sich davon auch die Entscheidungsträger überzeugen und begeistern lassen, muss abgewartet werden. Von einer Erfolgsgeschichte darf bis dato gesprochen werden, ob sie eine Zukunft hat, muss sich erst noch herausstellen. Bürgermeisterin Antje Köster kündigte an, dass sie nichts unversucht lassen wird, das Projekt weiterzuführen. „Ich will und werde die Menschen hier nicht alleine lassen“, so die Rathauschefin, die das Projekt Soziale Stadt als „echte Herzensangelegenheit“ bezeichnete.

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