Seit nunmehr zehn Jahren schon wird den Hattersheimer Stadtverordneten Jahr für Jahr im Zuge der Haushaltsberatungen die neueste Fortschreibung des Kindertagesstätten-Entwicklungsplans präsentiert. Dieser Kita-Plan informiert über die aktuellen Verhältnisse rund um die Kinderbetreuung in Hattersheim. Der Erste Stadtrat Karl Heinz Spengler legte zur jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 11. November nun bereits den vierten solchen Kita-Plan vor, der im Laufe seiner Amtszeit entstanden ist. Hierzu machte er die Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Rahmen einer kurzen Rede auf die wichtigsten Eckdaten und anstehende Neuerungen aufmerksam.
Rechtsanspruch
Eine gesetzliche Neuerung ist der künftige Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder im Grundschulalter. Dieser soll in Stufen erfolgen; der tatsächliche Rechtsanspruch für Grundschulkinder in der ersten Klassenstufe soll zum 1. August 2026 in Kraft treten. Daraufhin wird der Anspruch Jahr für Jahr um eine weitere Klassenstufe erweitert, bis 2029 dann alle vier Grundschuljahrgänge abgedeckt sind.
Pandemieprobleme
Ein Unterpunkt des aktuellen Kita-Plans beschäftigt sich ausführlich mit den erheblichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kinderbetreuungseinrichtungen in Hattersheim. Seit Pandemiebeginn erleben die Kinder, deren Eltern sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas eine regelrechte Achterbahnfahrt, bestehend aus Verordnungen, Hygieneplänen, Sicherheitsauflagen - und natürlich der Sorge um die eigene Gesundheit bzw. dem Wohlergehen aller Personen im jeweiligen Umfeld. Es fing an mit dem Zutrittsverbot zu den Kitas am 16. März 2020, gefolgt vom Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen ab Juli 2020, der bereits fünf Monate später angesichts bedenklich steigender Infektionszahlen wieder eingeschränkt werden musste.
Am 23. April 2021 trat dann das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft. "Für den Betrieb der Kindertagesstätten wurde die sogenannte 'Notbremse' beschlossen, falls die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 165 überschreiten sollte. Bei dieser Überschreitung wurde ab dem übernächsten Tag die Präsenzbetreuung untersagt und eine Notbetreuung für Fälle dringender Betreuungsnotwendigkeiten eingerichtet", so der Rückblick im neuen Kita-Plan. Ab dem 25. Juni 2021 konnte der Regelbetrieb unter Beachtung von Hygienemaßnahmen dann wieder aufgenommen werden.
Karl Heinz Spengler geht davon aus, dass auch das neue Winterhalbjahr wieder von Veränderungen und neuen Regelungen geprägt sein wird. Die Pandemie werde die Menschen auch weiterhin vor erhebliche Herausforderungen stellen, so die Prognose des Ersten Stadtrats.
Kindertagespflege
Die Kindertagespflege hat in den letzten Jahren einen rechtlichen Förderauftrag zur Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern erhalten und wird damit immer stärker als Betreuungsform auf Augenhöhe zur klassischen Kita-Betreuung für Kinder unter drei Jahren angesehen.
Im Hattersheimer Stadtgebiet sind aktuell 17 Tagesmütter aktiv. Laut Pflegeerlaubnis des Kreisjugendamtes stellen diese insgesamt 73 Plätze zur Verfügung, wobei die Zahl der tatsächlich betreuten Kinder abweichen kann, denn es werden nicht alle Plätze permanent von Eltern in Anspruch genommen.
Vor zwei Jahren hatten sich zwei Tagesmütter in Eddersheim zusammengeschlossen, die im ehemaligen Rathausgebäude in gemeinsam genutzten Räumen das Tagespflegeangebot „Sonnensterne“ betreiben. Eine der beiden gibt nun zum Jahresende ihre Tätigkeit auf. Seitens der Stadt und der verbleibenden Tagesmutter gibt es gemeinsame Bestrebungen zum Finden einer tragfähigen Lösung.
Spengler kündigte an, dass man den Bereich Kindertagespflege künftig noch stärker fördern werde. Im Fachreferat sei seit August eine pädagogische Fachkraft unter anderem für diesen Themenbereich eingesetzt, um die Tagesmütter künftig direkt vor Ort zu unterstützen.
Steigender Bedarf
Trotz des demografischen Wandels, demzufolge heute schon jede zweite Person in Deutschland älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre alt ist, kann laut Prognose des Hessischen Statistischen Landesamtes für den Main-Taunus-Kreis von einer weiteren Bevölkerungszunahme ausgegangen werden. Und hinsichtlich des Bevölkerungswachstums liegt die Stadt Hattersheim am Main im Vergleich zu den anderen Kreis-Kommunen nach wie vor an vorderster Stelle.
In der Kernstadt Hattersheim ist weiterhin kontinuierlich mit Zuzügen in die Neubaugebiete zu rechnen. Die Entwicklung der Einwohnerzahlen (und damit auch der voraussichtlichen Geburten) ist stark abhängig von den zeitlichen Abläufen der einzelnen Bauvorhaben, den baulichen Strukturen und der Familienstruktur der künftigen Neubürgerinnen und Neubürger, heißt es im nun vorgelegten Kita-Plan.
In Okriftel und Eddersheim findet die Siedlungsentwicklung vor allem durch eine fortschreitende Nachverdichtung und Baulückenschließung statt. Daher sei dort für den künftigen Bedarf an Betreuungsplätzen die weitere Entwicklung bzw. Altersstruktur der Bevölkerung entscheidend. In Okriftel sei neben der Innenentwicklung mit Zuzügen in das Neubaugebiet auf dem ehemaligen Phrix-Gelände zu rechnen.
Bedingt durch die Zuzüge in die Neubaugebiete und durch eine arbeitsmarktbezogene Zuwanderung ist für die Gesamtstadt Hattersheim am Main mittelfristig betrachtet mit einem Anstieg der Kinderzahlen zu rechnen. Zudem sei auch durch den anhaltenden Fachkräftemangel in der Region weiterhin eine Zunahme von berufstätigen Männern und Frauen zu erwarten, die unter anderem aus finanziellen Gründen ganztags arbeiten und dementsprechend für ihre Kinder entsprechende Betreuungsangebote mit Mittagsversorgung benötigen. Schon jetzt erhalten 67 Prozent aller Kinder in städtischen Kindertagesstätten ein Mittagessen.
Weitere Kindergartenplätze sollen unter anderem hier entstehen: Die ursprünglich dreigruppige "Kita am Schlockerhof" des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM) wurde zur kurzfristigen Bedarfsdeckung um zwei weitere Gruppen aufgestockt, die bislang aus personellen Gründen noch nicht voll belegbar sind. Perspektivisch soll auf einem benachbarten Grundstück der EVIM ein Neubau mit insgesamt sechs Gruppen realisiert werden.
In Okriftel wurde die städtische Kita Kleine Feldstraße um zwei Gruppen erweitert. Dadurch stehen künftig insgesamt 55 neue Kindergartenplätze zur Verfügung. Der Erweiterungsbau mit zwei Gruppenbereichen und dem erforderlichen Ganztagstrakt wird noch in diesem Jahr in Betrieb genommen. Und in Eddersheim sind 15 Plätze im Pavillon der katholischen Kita St. Josef Vogelnest vorgesehen.
Sobald Kindergartenkinder in die Grundschule wechseln, sind deren Eltern auch zunehmend auf eine optionale Schulkinderbetreuung angewiesen. Daher sei es erfreulich, dass es mittlerweile an drei Grundschulen entsprechende Ganztagsprogramme gibt, und damit verbunden eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen in Trägerschaft des Kreises: An der Albert-Schweitzer-Schule in Okriftel, an der Schule "Am weißen Stein" in Eddersheim und an der Hattersheimer Regenbogenschule.
Nach Planung des Main-Taunus-Kreises soll die dritte Grundschule für die Kernstadt Hattersheim zum Schuljahresbeginn 2024/2025 fertiggestellt werden. Diese wird von Anfang an als Ganztagsgrundschule im "Pakt für den Nachmittag" konzipiert. Angesichts der steigenden Jahrgangszahlen plant der MTK die Aufstellung einer Containeranlage auf dem Gelände der Robinson-Schule.
Fachkräftemangel
Von großer Bedeutung für eine funktionierende Kinderbetreuung ist eine angemessene Personalausstattung. Hierbei gilt es, die angestrebte Verbesserung der Qualitätsstandards durch das Gute-Kita-Gesetz, die hohe Nachfrage nach Betreuungsplätzen und den steigenden Mangel an Fachkräften unter einen Hut zu bekommen.
Der Erste Stadtrat Spengler zeigt sich erfreut darüber, dass es in den hiesigen Kita-Teams eine hohe Kontinuität gibt. Personelle Veränderungen resultieren in erster Linie durch vereinzelte Wechsel in den Ruhestand oder vorübergehende Pausen durch Schwangerschaft oder Elternzeit.
Zudem hätten die erfolgreichen Betriebsübergänge der Krippe "Kartoffelkiste" und der Kita Schokoladen in die städtische Trägerschaft unter Beweis gestellt, dass die Stadt Hattersheim ein attraktiver Arbeitgeber mit vergleichsweise guten Arbeitsbedingungen sei. Dennoch muss festgehalten werden, dass meist nur zeitverzögert das erforderliche Fachpersonal gefunden wird. Derzeit seien in acht von insgesamt elf Kindertagesstätten freie Stellen ausgeschrieben.
Spengler verwies auf eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, derzufolge der Mangel an pädagogischen Fachkräften insgesamt noch weiter zunehmen wird. Daher sei es auch weiterhin das Ziel, sowohl neue Fachkräfte zu finden, als auch das vorhandene Personal vor Ort zu halten.
Im Fachreferat wurde hierzu ein Ideenkatalog entwickelt, aus dem die Mehrzahl der angeregten Maßnahmen bereits umgesetzt werden. Im vergangenen Jahr gab es zwei Schließtage an Brückentagen, zudem wurde ein Job-Ticket eingeführt. Insgesamt 19 Auszubildende sind derzeit in hiesigen Kitas tätig, die Stadt fördert diesen Ausbildungsbereich mit sechs Stipendien.


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