„Kluge Ideen sind gefragt“

„Kluge Ideen sind gefragt“ Bürgerdialog mit Antje Köster in Okriftel – Drängende Fragen in Zeiten des Schutzschirms

Vom Barhocker an der Theke der Gaststätte Radfahrerhalle aus stellte sich Bürgermeisterin Antje Köster den Fragen der Bürger des Ortsteils Okriftel.
(Foto: A. Kreusch)

OKRIFTEL (ak) – Am Donnerstag, 19. November, konnten Okrifteler Bürger der Hattersheimer Bürgermeisterin Antje Köster (SPD) in der Gaststätte Radfahrerhalle am Wäldchen persönlich begegnen. Ihre Parteikollegin Silvia Maeder hatte einen „Punktplan“ mit Themen, die besonders die Okrifteler Bürgerinnen und Bürger betreffen, zusammengestellt und befragte in einer Art Interview Antje Köster zu den einzelnen Punkten Verwaltungsorganisation/Haushalt, Ehrenamtliches Engagement/Vereine, Leben in Okriftel (Flüchtlinge/Kinderbetreuung, Jugendarbeit), Stadtentwicklung (Öffentliche Anlagen/Neuer Wohnraum) und Verkehr (Straßenverkehr/ÖPNV). Zum Abschluss gab Bürgermeisterin Köster – eine Bestätigung im Amte freilich voraussetzend – einen Ausblick auf die nächsten sechs Jahre. Selbstverständlich war dabei auch den etwa 50 anwesenden Hattersheimern (nicht nur Okrifteler waren in die Radfahrerhalle gekommen) Gelegenheit gegeben, Fragen zu den einzelnen Punkten zu stellen.

Den Bürgern war es an diesem Abend wichtig zu erfahren, was die Aussage der Bürgermeisterin zu Hattersheims „ausgeglichenem Haushalt 2016“ zu bedeuten hat; dabei wollten sie konkret wissen, ob die Stadt Hattersheim noch Schulden hat. Das musste Antje Köster bejahen – es dürften zwar unter dem Schutzschirm des Landes keine neuen Schulden gemacht werden, aber die alten Schulden der Stadt seien trotz des strikten Sparkurses noch nicht wieder abgetragen. Als zukünftige Pflicht der Stadt sieht Köster etwa, eigene Immobilien „nicht verrotten“ zu lassen, sondern frei werdende Gelder in die Instandhaltung zu stecken. „Dabei müssen wir natürlich immer nach Investitionszuschüssen forschen“, erklärte sie. Das Jahresbudget der Stadt betrage im Moment 40 Millionen Euro, es seien auch schon Schulden abgetragen worden. Als eine Ursache der schlechten Finanzlage nannte Köster, dass die Finanzausstattung durch Bund und Land unzureichend sei, zugleich aber den Kommunen viele Aufgaben zugewiesen würden. Außerdem verursache die Sozialstruktur Hattersheims höhere Kosten als dies in Kommunen mit anderen Voraussetzungen der Fall sei.

Es kam die Frage auf, ob man sich in dieser Lage Bauprojekte wie etwa die Brücke über den Schwarzbach oder den Radweg zwischen Hattersheim und Okriftel nicht besser „verkniffen“ hätte. „Das Ticket für den Radweg geht bis auf die Kanallegung auf das Land Hessen, das hat die Stadt nicht zu bezahlen“ erklärte Köster. „Die Brücke war niedriger kalkuliert und hat unerwartet mehr Kosten verursacht – aber sie wird nun auch viel genutzt.“

Zur Situation bezüglich der Kinderbetreuung in Okriftel versicherte Bürgermeisterin Köster, dass es im Ortsteil zurzeit ausreichend Kindergartenplätze gibt. In Bezug auf die Anregung, doch neues Gewerbe in Okriftel – etwa auf dem Phrix-Gelände – anzusiedeln, erklärte Antje Köster, dass nur wenige Unternehmen einen Standort möchten, der nicht direkt an der Autobahn liegt. Gefragt seien daher eher der Innovationspark in Hattersheim oder dort „die grüne Wiese“. In Sachen Bauhaus-Bebauung in Hattersheim konnten die Okrifteler erfahren, dass die Stadtverordnetenversammlung beschlossen hat, Rechtsmittel einzulegen, die das Projekt doch noch ermöglichen sollen.

Angst vor Unordnung
Eine Bürgerin machte Antje Köster sehr anschaulich deutlich, welche Ängste die in immer größeren Zahlen in Hattersheim ankommenden Flüchtlinge in ihr auslösen. „Die Menschen tun mir leid, aber dieses Ungeordnete macht mir Angst. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, warum kann man sich als Kommune nicht dagegen wehren?“, fragte sie die Bürgermeisterin. „Der Bund verteilt die Ankommenden an die Länder, die Länder verteilen sie an die Kreise und der Kreis verteilt sie auf seine Kommunen – die Probleme müssen also am Ende hier bei uns gelöst werden“, erklärte Antje Köster dazu. „Aber wir zackern mittlerweile gar nicht mehr lang rum, wir haben nun in Hattersheim eine Koordinatorin im Einsatz, die die Situation hier bei uns verbessern soll.“ Auf jeden Fall sei es wichtig, die Balance in der Gesellschaft zu erhalten und alle „mitzunehmen“, auch diejenigen, die Bedenken haben. Es sei wichtig, die Verunsicherung durch Aufklärung aufzulösen und so die Ängste vor den Fremden zu nehmen. Ein Bürger bestätigte: „Was wir brauchen, ist Aufklärung. Das sind Menschen, die fliehen vor Krieg. Wir sollten nicht die Achtung vor diesen Menschen verlieren.“
Keine konkrete Auskunft konnte Bürgermeisterin Köster auf die Frage geben, wie viele Flüchtlinge in Zukunft in Hattersheim zu erwarten sind. „Nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel hat Hattersheim 11 Prozent der Flüchtlinge aufzunehmen, die im Main-Taunus-Kreis ankommen. Kommen im nächsten Jahr 3.000 Flüchtlinge in den Kreis, dann sind das 330 für Hattersheim, kommen 5.000, dann sind es 550.“

Phrix-Projekt in neuen Händen
In Sachen Phrix war zu erfahren, dass dort inzwischen ein anderer Objektentwickler tätig sei, dass aber immer noch keine abschließenden Pläne vorlägen. „Wir sind weiterhin an der Entwicklung des Phrix-Geländes interessiert und führen diesbezüglich aktuell Gespräche mit dem Grundstückseigentümer, den Projektentwicklern und mit Gutachtern. Ziel ist es, den Charakter der Phrix zu erhalten und dabei Wohnen und nicht störendes Gewerbe unter Berücksichtigung der Verkehrsthematik zu ermöglichen“, versicherte Antje Köster. Ihr würde es auch sehr gefallen, wenn das Gelände dort am Mainufer später geöffnet werden könnte, damit alle Hattersheimer dort entlanggehen oder mit dem Rad fahren könnten.

Die Bürgermeisterin machte auf Nachfrage auch noch einmal deutlich, dass die große Veranstaltungshalle, die zwischen Eddersheim und Okriftel entstanden ist und sicher dort für mehr Verkehr in den Durchgangsstraßen sorgen wird, so vom Kreis genehmigt worden sei, ohne dass die Stadt darauf habe Einfluss nehmen können.

„Was passiert eigentlich mit der Stadthalle, wenn die Flüchtlinge da mal draußen sind?“ und „Was kostet die Stadthalle, wenn sie nicht genutzt wird?“ waren ebenfalls Fragen, die in der Radfahrerhalle gestellt wurden. Köster sagte dazu, dass natürlich die Brandschutzauflagen, wegen der die Stadthalle geschlossen werden musste, wieder gelten, sollte sie wieder als Versammlungsstätte genutzt werden. „450.000 Euro kostet die Stadthalle im Jahr, sie wurde zuletzt für etwa zehn Veranstaltungen in diesem Zeitraum genutzt – Sie können sich also ausrechnen, was die einzelnen Veranstaltungen die Stadt gekostet haben“, führte Köster vor Augen. „Wenn die Halle nicht genutzt wird, dann fallen ein kleiner Versicherungsbeitrag und geringe Unterhaltskosten an.“ Es gibt einen Beschluss der Stadt, das Gelände mit der Stadthalle zu verkaufen. „Wir brauchen aber ein Konzept, das allen Bürgern gut gefällt – kluge Ideen sind da gefragt, zumal die Schwierigkeit besteht, dass die Halle unter Denkmalschutz steht“, meinte Köster.

Unbequeme Verkehrssituation
In Bezug auf das Okrifteler Rathaus konnte sie allerdings auf Nachfrage Erfreuliches berichten: das ebenfalls denkmalgeschützte Gebäude wird von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) als neuem Eigentümer für eine Nutzung als „Gebäude, in dem sich Menschen weiter begegnen“ vorgesehen: dort soll der Pflegestützpunkt der AWO einziehen, eine Demenzgruppe ist dort genauso geplant wie auch eine Krippengruppe. Die momentan sehr unbequeme Verkehrssituation in Hattersheim und zwischen Hattersheim und Okriftel beschäftigte in der Radfahrerhalle natürlich auch. „Die Maßnahme am Autoberg soll insgesamt 13 Monate dauern – wir haben inzwischen erfahren, dass man leider zunächst die Brücke abgerissen und danach erst die neue Brücke geplant hat; aber im April 2016 soll sie wieder befahrbar sein“, erzählte Antje Köster. „Der Hessendamm sollte eigentlich schon im Sommer 2015 fertig sein – jetzt heißt es Ende November, aber das glaubt ja auch kein Mensch mehr.“ Inzwischen wurde dieses Datum erwartungsgemäß auch revidiert und ein Abschluss erst im Februar angekündigt.

Bis etwa 22.30 Uhr wurden noch viele weitere Fragen in Bezug auf Verkehr und Öffentlichen Nahverkehr in Hattersheim und Okriftel aufgeworfen, beantwortet oder zumindest mit dem Versprechen der Klärung zur Kenntnis genommen.

 

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