„Emotional hat es Klick gemacht!“

Weingartenschule: Berührendes Theaterstück von La Senty Menti über die Judenverfolgung

Liora Hilb (links) mit Beate Jatzkowski (rechts) und den Schülerinnen und Schülern der Weingartenschule.

Das Theater La Senty Menti aus Frankfurt zeigte am Donnerstag, 26. September, für die Zehntklässler der Weingartenschule „All that matters“. Das Theaterstück, das anhand der wahren Erfahrungen der elfjährigen Jüdin Vera jungen Menschen von dem Holocaust erzählt, wurde mit dem Kinder- und Jugendtheaterpreis Karfunkel 2024 der Stadt Frankfurt ausgezeichnet.

Am 7. Oktober jährt sich das von der Terrororganisation Hamas verübte Massaker an 1.200 Juden in Israel. Seitdem ist einiges anders geworden. Antisemitismus findet auch hier verstärkt wieder statt. Deutsche Juden sprechen offen über die Frage, ob sie Deutschland wieder verlassen sollten. Ob sie noch sicher sein, noch erwünscht. Viele vermissen die Empathie ihrer deutschen Mitbürger. Vor kurzem war in der Presse zu lesen, dass Jugendliche die Schule verlassen, ohne den Nationalsozialismus im Unterricht behandelt zu haben. Umso wichtiger, dass das Thema Judenverfolgung in diesen Zeiten in der Schule thematisiert wird. Die Weingartenschule in Kriftel hat dies mit einem Theaterstück vor den 10. Klassen getan.

Kinder vor den Nazis gerettet

Die Intention: die Zeit des Holocausts für Kinder erfahrbar zu machen. Vor ein paar Jahren begann Hauptdarstellerin Liora Hilb, sich mit der Geschichte von Vera Gissing (geborene Diamant) und dem Londoner Bankier Nicholas Winton, der kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs rettende Kindertransporte aus der Tschechoslowakei organisierte, auseinanderzusetzen.

Heraus kam dabei ein Theaterstück, welches Auszüge aus dem Tagebuch Veras für die Bühne weitergedacht und mit biografischen Reflexionen von Liora Hilb verbunden hat.

Flucht und Verlust

Das jüdische Mädchen Vera Diamant, um dessen Schicksal es in diesem Theaterstück geht, musste mit ihrer Schwester ihre Heimat, ein Dorf nahe Prag, im Sommer 1939 verlassen. Die Nazis besetzten die Tschechoslowakei. Schweren Herzens vertrauten die Eltern ihre beiden Töchter einem Kindertransport nach England an, wo sie in Pflegefamilien Aufnahme fanden.

Mit nichts als einem Köfferchen machte sich die elfjährige Vera auf den Weg ins Ungewisse. Ihre Geschichte erzählt von Flucht, Verlust und Trennung – und davon, wie es ist, weit weg von zuhause ein neues Leben beginnen zu müssen.

Hoffnung bleibt

„Es ist eine hoffnungsvolle Geschichte“, betonte Liora Hilb, Gründerin von La Senty Menti. Sie wurde mit dem „Karfunkel“ 2024, den Kinder- und Jugendtheaterpreis der Stadt Frankfurt, für diese Produktion ausgezeichnet. Das Theaterstück verbindet die Geschichte der Kindertransporte, die 10.000 jüdische Kinder in der Zeit des Nationalsozialismus retteten, auch mit heutigen Migrations- und Fluchterfahrungen. Ergänzend zu den erzählten Szenen von Lioba Hilb spielte Co-Darstellerin Beate Jatzkowski auf die jeweilige Atmosphäre abgestimmte Eigenkompositionen auf dem Akkordeon. Zum Teil waren die beiden Schauspielerinnen im Dialog, dann meist hinter gezeichneten halbhohen Figuren, die die handelnden Personen verkörperten.

Die Inszenierung hält sich gradlinig an das Tagebuch von Vera („Pearls of childhood“), das die dreitägige Fahrt mit Zug und Schiff bis London und Liverpool beschreibt, sowie von der herzlichen Aufnahme in ihrer Pflegefamilie. Parallel hierzu werden die schwierigen, aber erfolgreichen Bemühungen ihres Retters Winton erzählt.

Neben die beiden Darstellerinnen, die immer wieder in verschiedene Rollen schlüpften, gesellten sich Holzfiguren in Schwarzweiß: Veras Familie, die Pflegefamilie nebst einer Tante, ein Nazi-Befehlshaber und Nicolas Winton.

Geschichte weitergeben

Die comicartig gezeichneten Figuren entstammen der Feder der Illustratorin Leonore Poth, die auch den Animationsfilm, der auf einer Leinwand im Hintergrund das Geschehen begleitet, illustrierte. So gelang es Liora Hilb innerhalb einer intensiven Stunde auf einprägsame Art und Weise, Flucht und Antisemitismus für die jungen Zuschauer emotional erfahrbar zu machen. Möglich wurde das durch die Fokussierung auf zentrale Begebenheiten, dargestellt mit Hilfe nur weniger Requisiten.

Dieser Minimalismus stärkte das gesprochene Wort. Auf das Wesentliche beschränkt, konnten die jungen Zuschauer das Geschehen konzentrierter nachvollziehen.

Am Schluss wurden von Liora Hilb Fragen gestellt: Was hat an dem Stück beeindruckt? Welche Szenen haben berührt und worin wird die Botschaft gesehen?

Die Antworten der Jugendlichen zeigten, dass das Gesehene nicht ohne Nachwirkung blieb.

So sagte zum Beispiel Schülerin Nelly aus einer 10. Gymnasialklasse: „Ich fand es hart zu sehen, wie mit den Menschen damals umgegangen wurde“. Ihre Klassenkameradin Luisa ergänzt: „Es berührend, eine Geschichte über die Judenverfolgung im Dritten Reich zu erfahren. Schülerin Melisa aus der R10b fasst die Erkenntnis zusammen: „Es ist wichtig, diese schrecklichen Erlebnisse an jüngere Generationen weiterzugeben. Emotional hat es Klick gemacht!“

So wurde das Schultheater ein wichtiges Vehikel für Empathie. Lehrerin Gisela Franzke, die im Vorfeld alle sechs Klassen auf das Thema vorbereitet hatte, ergänzte hierzu: „Wir sollten alle immer wieder versuchen, uns gegen Hass und Hetze wehren, Vorurteile hinterfragen und uns eine eigene Meinung bilden.“

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