Leer stehenden Wohnraum finden und nutzen

Offizieller Kooperationsbeginn zwischen Stadt und der Stiftung Perspektive Wohnen

Die Erste Stadträtin Renate Mohr (l.) und die gemeinnützige Stiftung Perspektive Wohnen, vertreten durch die Vorsitzende Silke Becker, arbeiten beim Versuch zusammen, Leerstand von Wohnungen in Flörsheim für suchende Mieter zu rekrutieren.

Es gibt sie, die ungenutzte Wohnung in der Innenstadt oder auch in den Stadtteilen Flörsheims, die die Eigentümer derzeit bewusst leer stehen lassen, obwohl Wohnraum ein äußerst knappes Gut ist. Konkrete Zahlen zu dieser Situation kann die Erste Stadträtin Renate Mohr zwar nicht vorlegen. Aber man hört und sieht einiges, sie ist daher davon überzeugt, dass es sich bei dem Phänomen nicht um Einzelfälle handelt.

Angesichts des Unterangebots an Wohnungen will die Stadt bei den Eigenheimbesitzern verstärkt dafür werben, ihre ungenutzten Wohnungen wieder oder auch erstmals zu vermieten. Um die große Skepsis abzufangen, die die Eigentümer beim Nachdenken beschleichen mag – wen hole ich mir da eigentlich ins Haus, kommt die Miete auch zuverlässig und werde ich denjenigen auch wieder los? – braucht es einen verlässlichen Vertragspartner, und dies soll die Kooperation garantieren, die die Stadt Flörsheim mit der Stiftung Perspektive Wohnen eingegangen ist.

Die Zusammenarbeit läuft im Grunde schon seit Jahresanfang, nun gab es mit dem Besuch der Vorsitzenden Silke Becker im Rathaus den offiziellen Startschuss. „Das kann nur funktionieren, wenn wir als Stadt der Stiftung zur Verfügung stehen können“, sagt Mohr und appelliert an die Eigentümer, „darüber nachzudenken, ob sie ihre leerstehenden Wohnungen nicht doch anbieten“.

Theoretisch könnte natürlich auch die Stadt der Stiftung eigene Wohnungen zur Verfügung stellen, doch die gibt es kaum noch. Das deutlich größere Potenzial liegt in den privaten Eigenheimen, die die Kooperation nun stärker zu aktivieren helfen soll. Die Stiftung ist es, die die Mietverträge unterschreibt, daher für den pünktlichen Eingang der Miete garantiert und es so hinbekommt, den hinzugewonnenen Wohnraum an genau die Klientel zu vergeben, die es bei der eigenständigen Wohnungssuche extrem schwer hat erfolgreich zu sein, also die einkommensschwachen und sozial Benachteiligten, die dennoch genauso eine Unterkunft brauchen wie Wohlhabendere auch.

Ein klares Indiz, dass etwas zu holen ist über die richtige Ansprache an die Eigentümer, zeigte sich mit der Ankunft der Ukraine-Flüchtlinge, die in dreistelliger Anzahl auch in Flörsheim allesamt problemlos in privaten Wohnungen unterkamen. Dies belegt für Mohr, dass viele der Eigentümer, die den Leerstand vorziehen, es nicht generell ablehnen, sich fremde Leute ins Haus zu holen. „Die Türen, die da geöffnet wurden, würden wir gerne auch an anderen Stellen öffnen“, sagte Mohr.

„Inklusion und Teilhabe für Menschen mit Unterstützungsbedarf“, benennt die Stiftung ihre Zielrichtung. Sie betreut die in Wohnraum Vermittelten, behält also den Überblick, wie sich die Sache entwickelt und kann eingreifen, um mögliche Konflikte mit den Vermietern zu vermeiden. Die Stiftung finanziert sich über Spenden, „die noch nicht so rosig ausfallen“, wie Becker betont. Das Entgelt für Beratungsleistungen im Auftrag des Kreises ist daher ein weiteres Standbein der Finanzierung der Stiftungsarbeit – Gewinne muss sie nicht abwerfen.

Flüchtlinge sind nicht die Hauptklientel der im Juli 2019 gegründeten Stiftung, deren „Kerngeschäft“ es vielmehr ist, die Wiedereingliederung von Wohnungslosen zu ermöglichen und diese dabei dauerhaft unterstützend und beratend zu betreuen. Ein festes Zuhause zu finden ist schließlich Grundlage und Ausgangspunkt aller weiteren, auch beruflichen Eingliederung der benachteiligten Menschen.

Die Stiftung übernahm mit ihrer Gründung die Aufgaben der Ökumenischen Wohnungshilfe Main-Taunus und hat durch neue Projektpartnerschaften begonnen, über den Kernbereich der Vorgänger hinauszuschauen und expandiert in Nachbarkreise. Einen Schwerpunkt sollen aber auch in Zukunft die Kommunen im Landkreis bilden, betont Becker. Den Gesamtbestand der aktuell von der Stiftung angemieteten Häuser und Wohnungen benennt Becker mit 81, sie hat 129 Untermietverträge abgeschlossen.

In Flörsheim gibt es derzeit 21 Wohnungen, bei denen die Stiftung als Mieter auftritt, „die sind auch alle belegt“, sagt Becker. Trudelt eine Meldung ein, schauen sich Mitarbeiter des städtischen Bauamts den Zustand der Wohnung an. Geht es nur um kleinere Schönheitsreparaturen, um sie einzugsfähig zu bekommen, übernimmt die Stadt die Arbeiten und Kosten. Größere Sanierungen müssen dagegen wie im Mietrecht geregelt von den künftigen Vermietern finanziert werden. Auch ansonsten gelten trotz der speziellen Konstruktion mit Stadt und Stiftung als Partner sämtliche mietrechtlichen Regelungen.

„Wir sind Verfechter davon, Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, wieder mitten rein zu bringen“, erläutert Becker die Grundidee der Stiftungsarbeit. Sie nannte das Beispiel eines jungen Menschen, der mit 21 Jahren aus einer betreuten Jugendeinrichtung ausziehen muss und sich in einer Ausbildung befindet, „der hat auf dem Wohnungsmarkt keine Chance“. Ähnlich ergeht es anerkannten Flüchtlingen, die die Gemeinschaftsunterkunft verlassen müssen.

Gerade für die Unerfahrenen, die erstmals in eine eigene Wohnung einziehen, bietet die Stadt inzwischen sogar einen „Mietführerschein“ an. Auch mit solchen Aktivitäten hofft das Rathaus, möglicher Skepsis oder Vorbehalten der Eigentümer zu begegnen.

Wer seine leerstehende Wohnung zur Vermietung anbieten möchte, meldet sich am besten per Mail bei wohnungswesen[at]floersheim-main[dot]de, zuständig im Rathaus ist das Amt für Familien, Soziales und Wohnen unter der Fachbereichsleiterin Soziales und Wohnen, Christina Meinl, Telefon 06145/955-147. Auch an die Stiftung können potenzielle Vermieterinnen und Vermieter sich wenden, unter info[at]perspektive-wohnen[dot]de, Telefon 06196/9678669.

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