„Impressionen aus der Ferne“

Eindrucksvolle Berichte bot Ruth Adolph-Winter bei ihrer Lesung in der Stadtbücherei

HATTERSHEIM (ak) – „Ein Fremder ist nur der, den ich nicht beim Namen nennen kann!“, mit diesen Worten begrüßte die Hattersheimer Ausländerbeauftragte, Bosilja Dreher, die vielen Gäste, die am 13. September zur Auftaktveranstaltung der Interkulturellen Wochen in die Hattersheimer Stadtbücherei gekommen waren.

 

Während der bundesweiten Interkulturellen Wochen finden in 450 Städten und Gemeinden mehr als 4.500 Veranstaltungen –in diesem Jahr unter dem Motto „Herzlich willkommen – wer immer Du bist!“– statt. In Hattersheim begann die Veranstaltungsreihe mit einer Lesung von Ruth Adolph-Winter aus ihrem Buch“. Sie hat exotische Länder wie Syrien, Samoa, Grönland oder Neuseeland nicht nur als Touristin besucht, sondern in manchen fernen Teilen der Welt auch mit ihrem Mann für einige Zeit gelebt.
Begleitet wurde ihre Lesung von eindrucksvollen Bildern, die ihr Mann Thomas zusammengestellt hatte. Die Zuhörer folgten gespannt und fasziniert den Berichten der Autorin über die wunderbaren „Landschaften“ der Eisberge, der „Kathedralen der Arktis“, über ihre Begegnungen mit Einwohnern in „Robbenfellkluft“, über das Geheul der Schlittenhunde, die dort vor jedem Haus auf ihren Einsatz im Winter warten, über Supermärkte, in denen Jagdgewehre neben Suppentüten angeboten werden, über die Stille und Weite auf dem Eis oder die perfekten Spiegelbilder von Bergen in Gletscherseen. Ein ganzes Jahr hat Ruth Adolph-Winter in Neuseeland gelebt, nicht in einer „Urlaubs-Idylle“, sondern im 8 Monate dauernden Winter in Auckland, in einem kalten, unzureichend geheizten Blockhaus.
Sie schildert eindrücklich, wie weit das wirkliche Leben dort mit den sonst dargestellte „Touristenidyllen“ auseinanderdriftet. Dabei ist ihr besonders auch der Umgang der Neuseeländer, die sich selbst „Kiwis“ nennen, mit Ausländern in Erinnerung geblieben. Ihr Erstaunen darüber, dass man dort noch fast „kolonialistische“ Unarten pflegt, indem etwa Studiengebühren an Universitäten in der Höhe nach der Hautfarbe der ausländischen Studenten variieren (Dunkelhäutige zahlen dort höhere Gebühren).
In dem Land, in dem man sich von hier aus eigentlich nur wunderbare Urlaubszeiten vorstellen kann, „herrschen“ die Gewerkschaften. Arbeitszeiten und Gehälter sind vorgeschrieben (jeder verdient dort fast dasselbe), sogar für uns unvorstellbare bürokratische Ansprüche werden gestellt, wie etwa der Erwerb eines neuseeländischen Führerscheins, um einen Internetanschluss bekommen zu können.
Der Neuseeländer ist stolz darauf, in einem Land mit besonders niedriger Kriminalität und Vollbeschäftigung ohne großen „Luxus“ zu leben, sein Motto ist „We stick tot he basics“ (etwa: wir setzen auf das Wesentliche).
Ganz andere Eindrücke bringt die Autorin den Zuhörern von Samoa mit. Die Samoaner sind aufgeschlossene Menschen, sie lieben ihre Häuser und Blumen, sogar Mülltonnen werden dort bunt angemalt. Die Busse fahren in farbenfrohen „Pipi-Langstrumpf-Kostümen“ durch die wunderschöne Landschaft, Bilder von Traumständen ergänzen die Beschreibungen und erwecken Sehnsüchte in den Zuhörern. Auch hier ist in den Schilderungen der Respekt der Autorin vor der Bevölkerung immer zwischen den Zeilen zu hören.
Die zweite Hälfte ihrer Lesung widmete Ruth Adolph-Winter – aus aktuellem Anlass – ihren Eindrücken aus Syrien, dort hat ihr Mann zweieinhalb Jahre gelebt. Sie schildert sehr eindrucksvoll etwa eine Taxifahrt in Aleppo, zu der sie als „europäische Frau“, die kein arabisch spricht, mit sehr gemischten Gefühlen aufgebrochen ist. Tatsächlich kam sie auch nicht dort an, wo sie eigentlich hin wollte, der sehr freundliche Taxifahrer brachte sie zum größten Basar der Welt, in den sie fasziniert eintauchte und Eindrücke aufsog, die sie den Zuhörern sehr gut vermitteln konnte.
Alle Reiseschilderungen von Ruth Adolph-Winter beschränken sich nicht bloß auf die Beschreibung von optischen Eindrücken, immer kann man auch etwas über die Geschichte und sehr viel über die Gegenwart in den Ländern erfahren, die sie nicht nur mit offenen Augen, sondern auch mit offenem Herzen besucht hat. Dabei bleiben ihre Zeilen sachlich und wertfrei, dennoch oft auch eindrucksvoll und amüsant. So erstaunte sie die Zuhörer mit ihren liebevollen Schilderungen der „BMOs“ -„Black moving objects“- so wurden von ihr die ganz schwarz verschleierten Frauen in Syrien genannt. Zunächst erschienen sie ihr unheimlich aber nach und nach konnte sie erkennen, wie auch ganz in schwarz gekleidete Damen flirten und Bekanntschaften machen, wie die so „uniform“ wirkenden Frauen mit meisterhaft geschminkten Augen und rotierenden, geschmückten Fußgelenken die Aufmerksamkeit auf sich lenken konnten. Das die Zuhörer/Leser dabei auch gleich erfahren können, dass die Verschleierung keinen islamischen Ursprung hat, sondern schon lange vor Mohammed eine Tradition jüdischer Frauen war, ist für die Art der Reisebeschreibung, die Ruth Adolph-Winter pflegt, ganz typisch.
Die Gäste der Lesung in der Stadthalle sind ganz sicher neugierig auf das Buch geworden, in dem Reisebeschreibungen sich nicht auf bloße Schilderungen und „Reisetipps“ beschränken, sondern den Lesern auch einen fast liebevollen Blick hinter die „touristischen Kulissen“ der jeweiligen Länder und die dort lebenden Menschen bieten.
Selbstverständlich wurde den Teilnehmern der Lesung in der Stadtbücherei in der Pause ein wunderbares, von Mitgliedern des Ausländerrates, liebevoll und appetitlich angerichtetes Buffet geboten. „An einem leeren Tisch kommt man nicht gerne zusammen“, lachte Bosilja Dreher auf die ganzen Leckereien angesprochen, „wir wollen, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen, das geht am besten beim gemeinsamen Essen und Trinken!“ Und Recht hatte sie, es wurde viele miteinander geplaudert und gelacht an diesem Abend, die Stimmung des „offen aufeinander Zugehens“, die das Buch von Ruth Adolph-Winter verbreitete, war auch bei den Besuchern der Veranstaltung zu bemerken.
Die nächsten Veranstaltungen der Interkulturellen Wochen 2012 in Hattersheim sind am Freitag, 21. September. „Die Vorsitzenden erzählen aus 25 Jahren Ausländerbeirat“ im Posthofkeller und am Samstag, 22. September, der „Tag der Offenen Tür“ im Alevitischen Kulturverein in der Rheinstraße 3 in Okriftel.
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