Seit 2014 gibt es die Veranstaltungsreihe „Business Talk“ der Stabsstelle Wirtschaftsförderung der Hattersheimer Verwaltung bereits. Normalerweise findet diese an einem besonderen Ort statt - Schauplätze boten zum Beispiel bereits ein Autohaus oder der Posthofkeller - und ist geprägt von ausgiebigem Networking und angeregten Gesprächen, gerne auch gespickt mit Genuss und etwas Gemütlichkeit, wenn man es sich gemeinsam auch kulinarisch gut gehen lässt.
Eine Veranstaltung in dieser Form ist mitten in einer Pandemie natürlich nicht umsetzbar. Stattdessen begrüßte Hendrik Bahr von der Wirtschaftsförderung der Stadt Hattersheim seine zahlreichen Gäste (es gab über 70 Anmeldungen) in diesem Jahr zu einem "virtuellen Business Talk" in Form einer Videokonferenz. Bürgermeister Klaus Schindling gab angesichts dieses ungewohnten Formats zu Protokoll, dass es ihm nach über einem Jahr immer noch schwer falle, so oft Video- und Telefonkonferenzen anstelle des direkten persönlichen Kontakts durchzuführen. Aber dies sei allemal besser, als auf solche Veranstaltungen komplett zu verzichten.
Der Business Talk ist eigentlich eher als lebendiger Austausch gedacht, diesem Anspruch wurde er aber diesmal weniger gerecht als in den Vorjahren, was sicher größtenteils dem zum Einsatz gekommenen Medium zuzuschreiben ist. So hatte die sonstige Podiumsdiskussion diesmal über weite Strecken eher einen Vortragscharakter.
Informativ waren die Ausführungen dennoch allemal, und Bürgermeister Schindling ließ mit seinem Trommelfeuer an Informationen zu Gewerbeansiedlungen und angedachten Veränderungen in der Stadt Hattersheim beinahe den (übertriebenen) Eindruck entstehen, dass dort in den nächsten Jahren auf dem Weg hin zum neuen innovativen, fortschrittlichen und digitalen Hattersheim kaum ein Stein auf dem anderen bleiben wird. Und seine Ausführungen enthielten auch viele Punkte, die der hiesigen Bevölkerung längst bekannt sind, jedoch für Business-Talk-Gäste von neuen Partnerunternehmen Neuigkeiten darstellten.
Digital Realty im Kastengrund
Da wäre zunächst die ehemalige Tierversuchsanstalt der Hoechst AG im Kastengrund. 2015 hatte der Main-Taunus-Kreis das 144.000 Quadratmeter Areal erworben und sukzessive zu einer Unterkunft für etwa 700 geflüchtete Menschen ausgebaut. Als die Zahl der Asylbewerberinnen und -bewerber rapide sank, entschloss sich der Kreis 2019 zum Verkauf des Geländes an das Unternehmen Digital Realty, das im Bereich Rechenzentrum-Services tätig ist. Mittlerweile ist Digital Realty mit Interxion verschmolzen, und der neue Großkonzern ist zu einem waschechten Global Player im Bereich Rechenzentren aufgestiegen. Die alten Büros und Laborräume auf dem Gelände sollen abgerissen werden, eine neue Gewerbeimmobilie von Digital Realty wird dort entstehen.
Büros und Rechenzentren im Gewerbegebiet Nord
Ursprünglich sollten sich im Gewerbegebiet Nord ein Baumarkt und ein Drive-In-Restaurant niederlassen; diese Pläne wurden 2016 mit der Wahl von Klaus Schindling zum Bürgermeister ad acta gelegt, da man sich von einer anderen Nutzung der Fläche höhere Gewerbesteuereinnahmen für die Kommune erhofft.
Mit den beiden Firmen NTT Communications und IONOS by 1&1 hat man nun zwei Partner gefunden, mit denen man dieses etwa 72.000 Quadratmeter große Areal entwickeln möchte. NTT Communications wird hierbei den größeren Teil des Gebietes für sich beanspruchen und ist in Hattersheim bereits ein "alter Bekannter" - denn der Datacenter-Anbieter e-shelter gehört mittlerweile zu NTT Communications. e-shelter entschied sich bereits 2018 dafür, in Hattersheim im Gewerbegebiet Südliche Voltastraße zu investieren.
IONOS by 1&1 wird im Gewerbegebiet Nord Büroräumlichkeiten schaffen - das Gebiet wird also künftig nicht nur von Rechenzentren bevölkert.
Rechenzentrum als Lärmschutzriegel
Das Gelände im Gewerbegebiet südlich der Voltastraße hat e-Shelter (jetzt NTT) "Stückchen für Stückchen" erworben, inzwischen sind es etwa 100.000 Quadratmeter. "Das rasante Wachstum spricht derzeit für diese Branche", hielt Bürgermeister Schindling fest.
Im vorderen Bereich der Voltastraße baut NTT nun ein Rechenzentrum mit einer Höhe von etwa 16 Metern - hoch genug, um einen ausreichenden Lärmschutz für ein Wohngebiet mit etwa 480 neuen Wohnungen darzustellen; eine Erweiterung des Wohnviertels Schokoladenviertel mit Kindergarten, eigener Infrastruktur und Grünflächen.
Europazentrale im Innovationspark
Im Industriepark an der Philipp-Reis-Straße hat die Yaskawa Europe GmbH hat ein rund 8.000 Quadratmeter großes Gelände erworben. Der Technologielieferant im Bereich Robotik, Antriebs- und Steuerungstechnik sowie Lösungen der regenerativen Energie will am neuen Standort circa 23 Millionen Euro in ein Bürogebäude und ein Parkhaus investieren. Auch das europäische Schulungszentrum der Firma sowie ein Innovationszentrum mit Showroom sollen dort Platz finden. Das japanische Unternehmen Yaskawa verlegt mit diesem Umzug sein europäisches Hauptquartier von Eschborn nach Hattersheim - der Platz am ursprünglichen Standort wurde zu klein. Der Präsident und CEO der Yaskawa Europe GmbH, Bruno Schnekenburger, gab im Rahmen des virtuellen Business-Talks an, dass er in diesem Juli mit dem Baubeginn rechnet, bezugsfertig sollen die neuen Räumlichkeiten dann Ende 2022 oder spätestens Anfang 2023 sein.
Bürgermeister Schindling ist besonders froh darüber, dass man mit Yaskawa einen Partner gefunden habe, der großen Wert auf Ausbildung und die eigene Verzahnung mit dem Standort legt; man sehe sich als Teil der kommunalen und regionalen Landschaft, was Schindling als sehr wertvoll für Hattersheim erachtet.
Businesshotel in der Innenstadt
Hauptquartiere von weltweit tätigen Unternehmen locken natürlich auch in besonderem Maße internationale Geschäftsreisende an. Bruno Schnekenburger (Yaskawa) wies darauf hin, dass regelmäßig mit Delegationen aus Japan zu rechnen sei. Deshalb stellt sich natürlich die Frage nach ausreichenden Übernachtungsmöglichkeiten in der direkten Nähe.
Bezugnehmend auf diese Frage eröffnete Bürgermeister Schindling, dass man im nächsten Schritt der Stadtentwicklung auch plane, im Hattersheimer Innenstadtbereich ein Businesshotel entstehen zu lassen. Dieses solle im Zusammenspiel mit der Stadthalle und weiteren Gebäuden als eine Art Kongress- und Meeting-Platz fungieren, und ein derartiges Hotel müsse Schindling zufolge auch nicht in der Ortsrandlage beheimatet sein: "Wir müssen das schon ins Zentrum bringen", so der Bürgermeister. Aber akut sei ein solches Vorhaben noch nicht greifbar. "Der Markt ist dort noch nicht so in Bewegung wie in anderen Branchen", stellte der Rathauschef fest. Und solche Pläne und Überlegungen seien derzeit naturgemäß nur unter Vorbehalt zu sehen, weil sich damit natürlich erst noch die politischen Gremien der Stadt beschäftigen müssen.
Hattersheim erhält Ärztezentrum
An der Anton-Hattemer-Straße wird ein neues Medzentrum für die Stadt entstehen; ein multifunktionales Gebäude mit Fachärzten, Apotheke und Sanitätshaus. Im Vorfeld wurde ein notwendiges Gutachten erarbeitet, weil bei der Ansiedlung von Fachärzten Gebietsgrenzen beachtet werden müssen, um eine ungewollte Ballung an einem Fleck zu verhindern. Man sei nun so weit, dass man die nötige Ärzteschaft beisammen habe, um mit diesem Projekt beginnen zu können, berichtete Bürgermeister Schindling und fügte an, dass es für eine Stadt wie Hattersheim mit 30.000 Einwohnern fast unabdingbar sei, über ein solches Medzentrum mit ambulanten Operationsmöglichkeiten zu verfügen.
Die Verhandlungen bezüglich Apotheke und Sanitätshaus sind noch nicht abgeschlossen. Alexander Bechtler von der Kanzlei HFBP Rechtsanwälte & Notar aus Frankfurt, Fachanwalt für Medizinrecht und Sprecher des Medzentrumnetzwerks, informierte zusätzlich über den aktuellen Stand der Dinge. Man befinde sich gerade un Gesprächen mit der Stadt über die Grundlagen der Realisierung. Außerdem sei man damit befasst, die Ärzte eng in den ganzen Prozess mit einzubinden - diese sollen schließlich auch in das Medzentrum investieren, und jeder soll dort seine Vorstellungen realisiert finden.
Auch Holger Kazzer von der Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH (Hawobau) ist überzeugt davon, dass dies ein "gutes Projekt werden wird". Demnächst gehe man in die Vertragsverhandlungen. Dann wird sich auch in Detailfragen herausstellen, was genau die Aufgabe der Hawobau in Bezug auf die Zurverfügungstellung des Grundstücks und die Baurechtsschaffung sein wird. Kazzer geht davon aus, dass man das Ganze noch in diesem Jahr an den Start bringen wird.
Das intelligenteste Gebäude Europas
Ihre Hauptsitze verlegen die Unternehmen GMS Global Media Services und Thing Technologies nach Hattersheim auf das ehemalige Gelände „Gute Karte Horn“. Kay Frech, Key-Account-Manager bei GMS Global Media Services GmbH, stellte fest, dass es sich bei seinem Unternehmen um einen Full-Service-Anbieter im Bereich Smartoffice und Digitalisierung in Büroräumen (beispielsweise für Videokonferenzen) handelt. Seit über 15 Jahren ist man bereits in der Branche tätig, und mit dem Partner Thing Technologies verfüge man nun über zusätzliches Potenzial, Gebäude noch intelligenter zu machen, Auslastungen besser zu messen und damit unternehmerische Planungen zu erleichtern. GMS freue sich Frech zufolge "total auf das neue Gebäude" und den Umzug von Schwalbach nach Hattersheim.
Thing Technologies hat in Berlin mit The Cube das intelligenteste Gebäude Europas geschaffen, und CEO Marc Gille hat angekündigt, dass der neue Hauptsitz in Hattersheim künftig diesen Titel neu tragen soll.
In diesem Sommer sollen die Bauarbeiten beginnen, für die voraussichtliche Bauzeit werden zwei Jahre veranschlagt. Das etwa 2.700 Quadratmeter große Grundstück in der Hattersheimer Lindenstraße soll letztendlich Büroflächen, ein Co-Living Konzept sowie Logistikflächen aufweisen. Der architektonische Entwurf stammt vom Architekturbüro Schneider + Schumacher aus Frankfurt am Main.
Innovationscampus und Riverside Lofts
Doch selbst das ist noch lange nicht alles: Auf Initiative der städtischen Wirtschaftsförderung will sich die Stadt Hattersheim am Main gemeinsam mit Partnern aus der freien Wirtschaft einem der wichtigsten Themen für Unternehmen und öffentliche Institutionen annehmen: Der nachhaltigen Stärkung der Zukunftsfähigkeit der Region FrankfurtRheinMain. Der zentrale Punkt hierfür soll der Taunus Innovation Campus in der Schulstraße 29 bis 31 sein. Der Verein „Taunus Innovation Campus e. V.“ möchte von dort aus als Ansprechpartner zum Thema Zukunftstechnologien der Wirtschaft, der regionalen Politik, den öffentlichen Verwaltungen und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Im Nex, also relativ zentral in der Stadt gelegen, wird der dortige Vollversorger eine größere Marktfläche erhalten. Zudem wird ein Parkplatz angelegt, und auf dem Dach des Vollversorgers wird ein bilingualer Kindergarten mit Außenlandschaft entstehen. Solche großen Märkte zieht es normalerweise eher an die Ortsrandlage, weil dort größere Parkplätze möglich sind. Man sieht es aber auch als Notwendigkeit an, für die Bevölkerung auch in fußläufiger Entfernung Einkaufsmöglichkeiten zu bieten, so Bürgermeister Schindling.
In der Schützenstraße soll ein sogenannter Handwerkerhof entstehen. Den damit verbundenen Investor habe man seitens der Stadt auch über die Niederlassungspolitik der Digitalisierungsbranche kennengelernt, berichtete Schindling. Auch das Handwerk und kleinere Unternehmen erachtet man als wichtig für die Versorgung der Bevölkerung einer wachsenden Kommune wie Hattersheim.
Die ehemalige Cellulosefabrik Phrix mit ihrem Backsteinbau auf über 30.000 Quadratmetern wird von der Prinz von Preußen AG in die "Main Riverside Lofts" umgebaut, dort entsteht exklusiveres Wohnen in den alten Fabrikgebäuden.
Und auch die Firma Hilscher Gesellschaft für Systemautomation mbH in der Rheinstraße hat Erweiterungswünsche, die man seitens der Stadt gerne erfüllen möchte.
Supermarkt und Sporthalle
Am Ortseingang von Eddersheim soll ein Quartier entstehen, das sich unter anderem auszeichnen soll durch einen Vollversorgermarkt für die rund 6.000 Einwohner, die derzeit noch über keine entsprechende Einkaufsmöglichkeit in ihrem Stadtteil verfügen.
Zudem soll eine Multifunktionshalle mit drei oder vier Sportfeldern entstehen. Zwar gebe es in Eddersheim schon eine Turnhalle, diese verfügt jedoch nicht über Turniermaße, was beispielsweise für die erfolgreichen Drittliga-Damen der TSG Eddersheim wie ein Hemmschuh wirkt. Sportlich hätte man durchaus bereits aufsteigen können, so der Bürgermeister, aber dafür sei es letztendlich auch unerlässlich, über eine entsprechende Heimstätte mit Turniermaßen zu verfügen. Die neue Halle soll jedoch auch für den Breitensport gedacht sein.
Dazu soll in diesem neuen Quartiert noch ein seniorengerechtes Wohnen geschaffen werden, das dem eher dörflichen Charakter Eddersheims gerecht werden und sich dort passend einfügen soll.
Auch am Ortsausgang von Eddersheim in Richtung Flörsheim passiert etwas: Im Gotthelf 7 habe sich dem Rathauschef zufolge jetzt eine Möglichkeit ergeben, eine Halle für Produktions- und Büroflächen entstehen zu lassen. Und ein paar Grundstücke weiter Im Gotthelf 18 habe sich nun ein Weg gefunden, auf einer lange brach liegenden Fläche einen kleinen Unternehmerpark (Garagen, Lagermöglichkeiten) zu schaffen; eine entsprechende Ausführungsplanung gebe es nun für diese Örtlichkeit.
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