Leserbrief Wegwerfwahn

Leserbrief

Am späten Freitagabend stehe ich beim Bäcker eines Hattersheimer Supermarktes an. Die Angestellten müssen für Samstag „klar Schiff“ machen und verbuchen die Waren. Bis zu dem Zeitpunkt nicht verkaufte Frischwaren und Tortenstücke werden in der Kasse als „Abschreibungen“ verbucht.

Liebe Leserinnen und Leser, haben Sie eine leise Ahnung, was das auf gut Deutsch bedeutet?

Im Augenwinkel sehe ich, dass das frische Backwerk im blauen Müllsack landet! Ich bin jetzt noch schockiert darüber!

Auf Nachfrage, wieso die Lebensmittel nicht an die Tafeln weitergegeben werden oder warum das Personal die Leckereien nicht mit in den Feierabend nehmen dürfen, erklärt mir die Verkäuferin folgendes: Es sei gesetzlich vorgeschrieben, Frischwaren aufgrund möglicher allergischer Reaktionen nicht an die Tafeln zu verteilen. Dafür würden aber übrige Brote und Brötchen an die Tafel abgegeben.

Aha? Wie war das noch schnell mit der Gluten-Unverträglichkeit?

Dem Personal sei es verboten, die Reste mit nach Hause zu nehmen. Die Lebensmittel müssen dementsprechend in den Müll entsorgt werden.

Was sind denn das für Gesetze?! Da hört für mich jegliches Verständnis auf! Erzähle an dieser Stelle tunlichst niemand, dass die Haltbarkeit innerhalb eines Tages abgelaufen sei, zumal die Frischwaren in Kühltheken auf Käufer warten.

Den Damen und Herren Fachverkäufern/innen sei kein Vorwurf gemacht. Allerdings den Fachtheoretikern, Damen und Herren Gesetzgebern in diesem, unserem Europa! Ich dachte eigentlich, dass solche Gesetze mittlerweile vom Tisch sind; man sollte besser nie zu viel mitdenken! Doch! Besser ist es als überzeugte Europäerin auf jeden Fall!

Täglich Schlagzeilen und Berichte zu den Themen Wegwerfgesellschaft, Nachhaltigkeit, Lebensmittelverschwendung, Armutsgrenze und Menschen, die unter Armut leiden. Was läuft hier falsch?

Rita Becker, Hattersheim

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