Vier mal 11 Jahre Kümmeldrescher

Gesangverein Liederkranz-Eintracht veranstaltet über vierstündige Sitzung

EDDERSHEIM (ak) – Das ist in der Fastnacht ein ehrenvolles Jubiläum – seit vier mal elf Jahren finden in Eddersheim nun schon „Kümmeldrescher“-Sitzungen statt, und immer noch „dreschen“ die Mitglieder des Gesangvereins Liederkranz-Eintracht den fastnächtlichen Eddersheimer „Kümmel“ gemeinsam, frisch und sehenswert!

Noch vor Programmbeginn, gleich nach dem Einzug des Elferrates unter dem Vorsitz von Christine Gesang, wurde dieses Jubiläum von allen, meist bunt kostümierten Gästen im voll besetzten Taunus-Saal gerne lauthals besungen. Verena Waldmann hatte zur Melodie „Mit 66 Jahren“ einen „Kümmeldrescher-Text“ gemacht: „Seit 44 Jahren, da gibt’s die Fassenacht, seit 44 Jahren hat sie uns Spaß gemacht. Das Kätche un die Lisbeth, Rheuma und Ischias, die Candies und die Sugars, dazu die Sweetie Stars – oho – und auch die Honey Ladies und Männer tanzen mit, zusammen mit den Rednern, die Sitzung ist der Hit – oho – nach 44 Jahren, sind wir noch gut in Schuss, mit 44 Jahren ist noch lange nicht Schluss!“ So klang das mit Spannung erwartete – denn in jedem Jahr lassen sich die meist schon lange wohlbekannten Aktiven nämlich etwas Neues einfallen – Programm des Abends vielstimmig und mit Inbrunst gesungen durch den Saal.

Dass dabei auch mal neue Wege gegangen werden, zeigte sich gleich beim „Protokoll“, zu Wolfgang Drescher gesellte sich nämlich als ein „Geist der stets verneint“ mit Hörnern auf der Stirn und im schwarzen Umhang Stefan Häb auf die Bühne, um dem Protokoll im Dialog noch so manche „Spitze“ aufzusetzen. Ist der „einmillionste“ Flüchtling an Deutschlands Grenzen wirklich mit einem Mofa als Preis begrüßt worden? Hat tatsächlich die „Flüchtlingswelle“ Griechenland aus den Medien „fortgespült“? Natürlich wurden auch lokale Themen („Des is gut – getrunke wird immer!“) auf die Schippe genommen, und wer anders als ein „Teufel“ kann denn die Eddersheimer Bahnschranke mit der Begründung „Da kann merr so schee viele Menschen uff aamal unglücklich mache!“ lieben? Dass der gehörnte Geist den Standpunkt vertritt, wenn die nächste Straßensanierung in Hattersheim in Angriff genommen wird, würden die Autos fliegen, machte den Protokoller stutzig: „Glaubst Du wirklich, dass des mit der technische Entwicklung so schnell geht?“ Der „Geist“ verneint: „Na, abber glaabst du, dass die Stadt so bald widder Geld ferr Sanierunge hat?“

Dieter Freidhoff betrat die Eddersheimer Bütt mit einer Nikolausmütze auf dem Kopf – draus vom Walde kam er her und konnte allen sagen „Isch mach kaan Niggeloos mehr!“ Weihnachten schon gleich nach Ostern in den Geschäften und die Qual der Weihnachtsbaumauswahl bei einer „Safari mit gutem Ausgang“ wurde von ihm kurzweilig „edderschemerisch“ geschildert, seine Enttäuschung darüber, dass sein Nikolaus-Kostüm noch nicht mal seinen Enkel beeindruckte („Mutti – komm emal, des Sandmännche ist da!“), konnte so manch einer im Saal lachend nachvollziehen.

Inge und Herrmann-Josef Häb brachten das Publikum als altes Ehepaar „Bienchen und Karl“ sehr zum Lachen. Wenn Inge Häb im langen Nachthemd und mit Schlafhaube auf dem Kopf aufgeregt mit dem „Herrn Kommissar“ telefoniert, „weeschen einem heißen Fall: Seit gestern Nacht vermiss ich meinen Karl!“ und ihn gleich resolut aufklärt: „Wie e anner Fraa? Uff kaan Fall, wolle se des nit kapieren? Der will sich doch nit blamieren! Mein klaane dicke Sonneschei, er wird doch nit verschwunde sei? Er leiht vielleicht irschendwo schon in Gips und dut grad sein allerletzte Bips!“, kann das Publikum gut mit ihr fühlen. Bis dann „de Kall“ gut gelaunt im schicken Anzug, mit Fastnachtskappe und einer Tüte in der Hand durch die Tür kommt und ihr zulacht: „En scheene Gruß vun unsere Danzmeedscher – und hier sinn unser Friehsticksbreedscher!“ Man hat es schon fast geahnt – er kommt direkt „vunn de Fassenachter – weil da werd de Spaß noch ernst genomme!“.

Als „Äsche-Schampes“ grüßte Hans Dilsky aus der Eddersheimer Bütt, er verkündetet: „Isch kenn hier fast jedes Abfall-Dippe – isch entstamme einer Abfallsippe!“ Dass er früher den „Knittelkarren“ schon gefahren hat, erfuhren die Kümmeldrescher Gäste genauso von ihm, wie dass Bürgermeisterin „Fraa Köster“ heute „ferr den Wirtschaftsmüll zuständisch“ ist: „Isch hab‘ se letztens nachts um 10 mit ihrem Besen selbst gesehn!“

Für die folgenden beiden Programmpunkte kam auch Hattersheims Bürgermeisterin Antje Köster auf die Bühne, zunächst um neben anderen „Kümmeldreschern“ mit gelben oder blauen Zipfelmützen (wie etwa auch Stadtverordnetenvorsteherin Silvia Maeder, Altbürgermeister Hans Franssen oder Heinz Hillebrand) der Taufe des neuen „Ehrenkümmeldreschers“ Franz Wolf beizuwohnen, und gleich danach, um in ihrer amtlichen Funktion Jürgen Gesang wegen seiner Verdienste um den Hattersheimer Karnevalsumzug in den Stand des „Hattersheimer Narr des Jahres“ zu erheben.

Nach der Pause übernahm Birgit Bartels den Vorsitz des Kümmeldrescher-Elferrates, sie durfte als ersten Vortrag in der zweiten Hälfte der Sitzung „Seel und Seelchen“, Walburga und Daniela Seel, „auf Shoppingtour“ ankündigen. Auch bei den beiden Damen kommt der charmante Eddersheimer Zungenschlag immer wieder besonders gut zur Geltung, wenn sie sich etwa über „erotische Nutzfläsche“, über’s „googeln“ („Gorschele du isch nur, wenn ich Halsweh hab‘!“) oder über „Feng Schuhi“ unterhalten. Hochdeutsch wird’s nur, wenn der beamtete Gatte zitiert wird, der wegen eines „Schliwwers im Bobbes“ gefragt wurde und antwortete: „Das Entfernen von Holz aus einem Naherholungsgebiet ist Sache der Behörde.“ Für Insider ein besonderer Grund zum Lachen – Gatte und Vater Bernd Seel saß im Publikum und amüsierte sich selbst auch sehr über die karnevalistischen Talente „seiner Frauen“.

Mitglieder des Gospelchors des Gesangvereins Liederkranz brachten in diesem Jahr eine süße Idee auf die Bühne – eine ganze Schar blauer „Schlumpfinchen“ und „Papa Schlumpf“ mit Bart und roter Mütze erzählten zur wohlbekannten Melodie aus dem Schlumpfenland. Da konnte das ganze Publikum beim „Lala lalla la la la la…“ wunderbar ausgelassen mitsingen.

„Für süße Träume immer und überall hilft die Nummer von Chantall!“: Als eine „gestresste Hausfrau mit Nebenjob“ konnte das Eddersheimer Publikum Waltraud Pöschl erleben. Zwei Telefone – eins in Rot, eins in Schwarz, ein Bügelbrett und ein Bügeleisen waren ihre Requisiten, mit denen sie die „Multitasking-Fähigkeit“ einer Hausfrau mehr oder weniger unter Beweis stellte, zumindest bis sie selbst nicht mehr so genau wusste, ob sie dem jungen Mann am roten Telefon raten soll, etwas „in de Ofe zu stelle“ oder ob bei ihrer Freundin Gerda am schwarzen Telefon „die Nüss verbrenne“.

Auch als „Kätche und Lisbeth“ (Hans Dilsky und Andreas Marz), die beiden Eddersheimer Originale, sich zu ihrem Kaffeekränzchen auf der Bühne niedergelassen hatten, blieb im Saal kein Auge trocken. Nachdem in etwa geklärt war, wer denn nun Kätche und wer Lisbeth ist, unterhielten sich die Damen über die Tücken von String-Tangas („hab‘ ich letztens aan aabrobiert und dann de Schlickser krieht – jetzt finn ich den nit mehr!“), teilten ihr Erstaunen mit, dass „50 Shades of Grey“ gar kein Seniorenfilm ist und regten sich auf, dass ältere Männer in Frauenkleidern sich über Senioren lustig machen: „Des könne mir schon emol gar nit leide!“ Ihr Dialog über den neuen Carport (oder Abort?) im Garten trieb so manchem Zuhörer die Lachtränen in die Augen – zu den Vorstellungen, die er hervorrief, hatte „Kätche“ den richtigen Kommentar bereit: „Lisbeth hör uff – des will doch kaaner mehr sehe!“
Eine Lebensweisheit gaben die „älteren Damen“ den Kümmeldreschern und ihrem Publikum aber auch noch mit auf den Weg: „Glück ist, wenn merr Pech hat und des nit merkt!“

Selbstverständlich gehörten zum Kümmeldrescher-Programm auch in jedem Jahr wunderbare Tanznummern, die vom Publikum viel beklatscht werden. Ob die „Sweetie Stars“ als Wölkchen, in Sonnengelb oder als junge Stewardessen „Über den Wolken“ fliegen, ob die „Honey Ladies“ in bunten Pluderhosen zu Bill Ramseys „Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe“ die Hüften kreisen lassen und die Beine in die Luft werfen oder ob die Mitglieder von „Rheuma und Ischias“ tatsächlich rückwärts tanzen und dabei erstaunliche Beweglichkeit zeigen – alle Tänze waren einfach klasse anzusehen und wurden vom Publikum begeistert mit viel Beifall belohnt. Die „Sugar Babies“ zeigten sich als „White Deamons“ in süßen weißen Tüll gehüllt, aber mit kleinen Hörnern auf der Stirn und mit verblüffenden vier Augen im Gesicht. Birgit Bartels: „Also ich weiß gar nit, wo ich da hingucke soll!“

Umwerfend choreographiert waren die „Candy Girls“ als „Candyhontas“ kraftvoll und temperamentvoll auf dem Kriegspfad. Warum man in Eddersheim so „ruhig“ und gut behütet lebt, zeigte die letzte Programm-Nummer, das Männerballett „Crazy Dancer“, auf: Der Stadtteil beheimatet ganz offensichtlich sechs kampfbereite „Doppelnull-Agenten, die auf der Bühne ihre Fitness und „Schlagkraft“ ganz stilecht zu James-Bond-Melodien im eleganten schwarzen Anzug, mit kleinem schwarzen Hut und mit Sonnenbrille allen vor Augen führten.

Dass die Kümmeldrescher auch in diesem Jahr trotz einiger Ausfälle unter den Aktiven eine mehr als vierstündige Fastnachtssitzung auf die Beine stellten, zeigte wieder einmal, wie gut man im Gesangverein Liederkranz-Eintracht miteinander arbeiten kann – da wurden kurzfristig Nummern eingeübt, der Elferrat „rotierte“ gut organisiert (immer diejenigen, die gerade nicht auf der Bühne standen, nahmen dort Platz) und der eine oder andere sprang auch mal ganz kurzfristig ein, so wie der Neu-Eddersheimer Mussie Tareke, der auch im Gospelchor singt. „Er hat sich furchtbar gefreut, als wir ihn gefragt haben, ob er uns da helfen kann“, hörte man aus Liederkranz-Kreisen, und der junge Mann hatte tatsächlich ganz offensichtlich großen Spaß, bei der Fastnachtsveranstaltung „hautnah“ dabei sein zu können.

 

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